16. Trauer

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Zu einer Hochzeit zwischen Elyas und mir war es nie gekommen.
Er starb einige Wochen, nachdem er nach Deutschland gekommen war.
Die Aufregung und der Stress hatten ihm nicht gut getan, sodass er seine letzten Tage in einem Hospiz verbracht hatte.
Wo er letztendlich seinen Frieden gefunden hatte.

Der Gedanke an seine wenigen letzten Worte brachten mich immer noch zum weinen.
Er bereute es mit ihr geschlafen zu haben.
„Ich habe deine Ehre beschmutzt, Yasemin.", hatte er immer wieder zu mir gesagt.
Doch natürlich sah ich es nicht so.
Er hatte mir in jener Nacht gezeigt, was es hieß geliebt zu werden.
Niemals würde ich die neuartigen Gefühle vergessen, die ich damals spürte.
Es war nur Elyas, der die Nacht bereute.
An seinem Todestag wussten wir beide nicht, dass ich bereits schwanger war.
Dies erfuhr ich erst einen Monat später.
Hätte ich es ihm nur sagen können...
Doch was machte das nun noch aus.

Elyas hatte Recht behalten, meine Ehre war beschmutzt.. wir waren nicht verheiratet gewesen. Nicht Mal verlobt.
Wer würde ein 20-Jähriges Mädchen wollen, das das Kind eines Toten in sich trug.
Aber was die anderen davon halten würden, war mir egal.
Das Leben das Elyas mir geschenkt hatte, war der einzige Teil von ihm, der auf dieser Welt weiterleben würde.
Nach seinem Tod war alles nur noch dunkel gewesen.
Sein Schuldbekenntnis, die Beerdigung in der Türkei... Seine trauernden Eltern, Deniz sein kleiner Bruder...
Es war alles dunkel.
Ich war so damit beschäftigt zu trauern, das ich fast nicht bemerkte hatte, das meine Periode ausblieb. 
Von der Nacht hatte ich niemandem erzählt.
Nicht Mal Ayla wusste Bescheid.
Doch wie konnte ich noch trauern, wenn ich ein Leben in mir trug. Sein Leben.

„Du hast zugenommen.", war das erste was Nadim zu mir sagte, als ich nach langer Zeit dazu eingewilligt hatte, mich mit ihm zu treffen.
Er musterte mich genauer, ich spürte das er es wusste. Oder es zumindest ahnte.
Ich nickte nur.
„Bist du...?", fragte er vorsichtig und kam mir näher.
Ich sah mit tränengefüllten Augen zu ihm hoch und schenkte ihm ein leichtes Nicken.
Er atmete tief ein und aus und legte dann einen Arm um meine Mitte.
Wir standen dort im Park für eine lange Zeit schweigend, eng umschlungen.
Keiner von uns wagte es etwas zu sagen.
Doch es fühlte sich gut, nicht die einzige zu sein die von meinem Geheimniss wusste.
„Es ist das letzte was ich von ihm habe.", flüsterte ich weinend.
Nadim nickte und hielt mich fest.
Täte er dies nicht, wäre ich bestimmt umgekippt.

„Komm wir setzen uns.", schlug er vor und brachte mich zu einer nahegelegenen Bank.
Nadim sah nur vor sich hin, schien über das Ganze nachzudenken.
„Weiss es sonst jemand?", wollte er irgendwann wissen.
Ich schüttelte den Kopf: „Du bist der einzige..."
„Es tut mir übrigens alles leid, Yasemin. Ich habe dir nie mein Beileid ausgesprochen.
Ich wusste nicht, das du und Kaplan euch so nahe wart... Damals dachte ich, das zwischen uns was... Ach vergiss es, das ist das letzte worüber du dir gerade Gedanken machen solltest ", sagte Nadim leise.
Ich sah zu ihm hoch...
Er hatte mir gerade irgendwie seine Gefühle gestanden.
„Es ist okay.", murmelte ich und nahm ermunternd seine Hand.
„Was hast du jetzt vor?", fragte er mich.
„Ich weiss es nicht, Nadim.", sagte ich ehrlich.
„Wenn alle davon erfahren, werde ich wahrscheinlich verstoßen."
„Ich werd immer hinter dir stehen.", sagte Nadim leise.
„Das musst du nicht."
„Ich werds trotzdem."
Schützend legte ich meine Hand auf meinen Bauch.
Für dieses Fehler würde ich mein lebenlang büßen, das stand fest.
Ich wollte niemanden mit reinziehen.
„Wusste er davon?", fragte Nadim nun.
Erneut schüttelte ich den Kopf.
„Ich weiss es selbst erst seit ein paar Tagen.", sagte ich leise.
„Bereust du es?"
„Kein Stück.", lächelte ich.
Es mag verrückt klingen, aber ich könnte die Nacht nie bereuen.
Ich liebe Elyas.
Und ich liebe das was wir kreiert haben.
„Wenn du Hilfe braucht, scheu dich nicht mich zu fragen.", sagte er zu mir.
„Wenn deine Eltern dich rausschmeißen, ich wohn alleine du kannst immer zu mir."
„Das ist nett, Nadim. Danke.", murmelte ich.
Ich spürte, das er das alles tat, weil er mich liebte.
Ich wusste es auch, zu unserer gemeinsamen Zeit schon.
Wäre das alles nicht passiert, hätte ich mich vielleicht auch in ihn verliebt.
Plötzlich klingelte mein Handy.
Es war meine Mutter.
„Ja Annem?", fragte ich sie.
Meine Mutter wollte das ich ihr und Aylin teyze helfen würde, bei einigen Unterlagen die seinen Besitz angingen.
„Ich komme.", sagte ich und legte auf.

„Soll ich dich heim fahren?", fragte Nadim nich leise.
„Das wäre sehr nett."
Im Auto schwiegen wir.
Ich bemerkte, das Nadim etwas sagen wollte, es aber nicht schaffte.
„Liegt dir was auf dem Herzen?", fragte ich ihn als wir fast da waren.
Er seufzte und nickte.
„Du kannst es mir anvertrauen, ich urteile nicht über dich, genauso wenig wie du über mich.", flüsterte ich in die Leere.
Nadim hielt am Straßenrand und stellte den Motor ab.
„Ich habe Gefühle für dich", sagte er leise.
Ich schloss die Augen und nickte.
„Ich weiss es klingt beschissen... Du gehörst ihm, auch jetzt noch."
Sanft nahm ich Nadims Hand.
„Gib mir Zeit, Nadim. Okay?", forderte ich ihn auf.
„Ich muss mich jetzt erstmal auf meine neue Situation konzentrieren. Aber mach dich nicht selbst fertig, bitte."
Nadim startete seinen Wagen und fuhr mich nachhause.
„Ich schreib dir.", sagte ich zur Verbaschiedung, er nickte nur und fuhr davon.
Ich musste nach dieses Geschehnissen erstmal durchatmen.

Bis der Tod uns scheidetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt