Kapitel 1 - Madlyn Reed

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Wenn mich jemand fragen würde, welchen Moment in meinem Leben ich am meisten bereue,
dann würde ich wahrscheinlich sagen, dass es der Moment ist, in dem ich mich dazu entschied,
die Nummer von Elyas Dé Luca zu wählen, statt die der Polizei.
Und dann fällt mir ein, dass ich gar nicht in diese Situation gekommen wäre,
wenn ich nicht eingewilligt hätte, auf dem Ball seine Freundin zu spielen.
Und dann realisiere ich, dass ich ihn nicht einmal kennengelernt hätte, wenn ich am Abend des 7. Oktobers einfach zuhause geblieben wäre.
In der Tat wäre ich wahrscheinlich nicht mal in die Situation gekommen, mich entscheiden zu müssen, an diesem Abend auszugehen oder zuhause zu bleiben, wenn meine Eltern im Jahr 2004 nicht auf die Idee gekommen wären in diese Kleinstadt irgendwo in New Orleans zu ziehen.
Denn dann hätte ich Maya Aloui niemals kennengelernt.
Und mit ihr beginnt die Geschichte,
sie ist der Auslöser, der Flügelschlag der diesen riesigen Tornado an Ereignissen losgetreten hat.
16 Jahre lang teilten wir alles, heute war ich mir nicht mal sicher, ob sie überhaupt noch am Leben war.
Vielleicht lag sie irgendwo am Strand, mit einem attraktiven Surferboy und ließ sich sonnen.
Es würde zu ihr passen, im besten Sinne.
Aber sie könnte auch tatsächlich tot sein.
Das ist alles woran ich denken konnte, seitdem die Polizistin ihren Namen vor einigen Minuten erwähnte.
Ich gab mein Bestes, so wenig wie möglich von Maya in diese Sache reinzuziehen. Ich hatte sie kein einziges Mal erwähnt.
Ja, nach allem, was sie mir angetan hat, wollte ich sie immer noch in Schutz nehmen.
Doch das brachte alles nichts.
Die Polizei hatte bei der Hausdurchsuchung der Dé Lucas natürlich alle Dokumente über Maya und ihre Familie gefunden.
Und weil die Dé Luca's in Italien im Gefängnis waren, wurde ich nun darüber ausgequetscht.
Doch Maya war genau so unschuldig, wie ich.
Ihre Eltern wurden, genau so wie meine Eltern auch, für ihre Taten und kriminellen Machenschaften festgenommen.
In zwei Wochen solle der Gerichtsprozess beginnen, doch bis dahin habe ich schon längst das Land verlassen, den Kontinent, um genau zu sein.
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„Miss Steward...?
Haben sie das verstanden?"
Die Polizistin sah mich eindringlich an.
Erst jetzt riss sie mich aus meinen Gedanken. Ich konnte nicht anders, als meine komplette Freundschaft zu Maya zu überdenken.
Ich hab mein ganzes Leben mit ihr verbracht. Wie konnte man jemandem nur so dermaßen in den Rücken fallen?
„Dies ist unser letztes Gespräch, bevor sie umziehen. Es ist wirklich von großer Bedeutung, dass sie mir ausschlaggebene Informationen über Familie Aloui geben."
Ich schüttelte postwendend den Kopf.
„Das kann ich nicht."
Die Polizistin konnte meine Verzweiflung anscheinend nicht nachvollziehen.
Es tat mir leid, sie zu verärgern doch ich hatte keine Wahl.
Ich konnte Maya's Familie um keinen Preis verraten, egal was sie mir angetan hat.
Schlagartig öffnete sich die Tür. Meine Anwältin rettete mich vor dieser unangenehmen Konversation.
Miss Swan, meine Anwältin, sah die Polizistin strafend an.
„Ich hatte doch angeordnet, dass keine Gespräche ohne meine Aufsicht mit meiner Mandantin geführt werden."
Danach sah Miss Swan zu mir, fixierte mich und die Strenge aus ihrem Ausdruck verschwand.
„Ist alles okay?"
Fragte sie.
Ich nickte hastig und sprang auf.
Ich steuerte auf die Tür zu, während die Polizistin noch ein beschämtes "Tut mir leid", nuschelte.
Daraufhin verließen Miss Swan und ich den Raum.
Sie führte mich in ein anderes, ähnliches Zimmer. Doch anders als die Polizistin, setzte Miss Swan sich neben mich, anstatt gegenüber.
Sie breitete eine ganze Menge an Papieren auf dem Tisch vor uns aus.
„Das ist ihr neuer Pass und alle wichtigen Papiere, wie ihr Mietvertrag oder die Bestätigung für die Universität."
Wir gingen alles durch und sie erklärte mir alles, was ich wissen musste.
„Ihre neue Identität ist Madlyn Reed."
Teilte sie mir mit.
Ich brauchte einen Moment, um das zu verdauen. Mir wurde nicht schlüssig, wie ich mich jemals daran gewöhnen sollte, ab jetzt eine ganz neue Person zu sein.
Miss Swan schien mir meine Zweifel anzusehen.
„Wir werden ihnen eine, für solche Fälle spezialisierte, Psychologin zur Verfügung stellen.
Außerdem bleiben wir Beide auch in Kontakt.
Ich werde sie über den Gerichtsprozess auf dem Laufenden halten, wenn sie das möchten."
Ich schüttelte den Kopf.
"Ich denke, das muss ich mir erst noch überlegen, aber danke."
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Es dauerte nicht mehr lange, dann konnte ich das Polizeirevier verlassen, für immer.
Es war ein regnerischer, ziemlich kalter Januartag. Nicht kalt genug für Schnee, aber kalt genug, dass mir ein Schauer über den Rücken lief, als ich das Gebäude verließ.
Ich zog mir die Kapuze tief ins Gesicht und beeilte mich, um schnell zu meinem Auto zu kommen.
Auf dem Weg sah ich im Augenwinkel einen jungen Mann, der am Straßenrand stand und eine Zigarette rauchte.
Mein Herz machte einen Sprung. Er sah aus wie Elyas.
Der Gedanke daran, dass er immer noch hier sein und mich beobachten würde, versetzte mich gleichermaßen in Panik und Aufregung.
Es gab mir Hoffnung aber ich wusste trotzdem wie bescheuert das war.
Elyas war fort.
Ich ging noch ein Schritt schneller und als ich endlich im Auto saß, fokussierte ich den Mann durch die Scheibe.
Er war nicht jung, sondern mindestens 50 und das Einzige, was er mit Elyas gemeinsam hatte war die Haarfarbe und Körpergröße.
Beim näheren Betrachten des Mannes fiel mir auf, dass er mir bekannt vorkam, allerdings konnte ich sein Gesicht nicht zuordnen.
In den letzten zwei Monaten verbrachte ich fast jeden Tag hier, da kann es schon sein, dass er mir mal über den Weg gelaufen ist.
Möglicherweise arbeitete er in diesem Department. Ich wusste es nicht.
Auf einmal trafen sich unsere Blicke. Ich zuckte zusammen.
Anscheinend hatte ich ihn ein wenig zu lange beobachtet.
Sofort startete ich den Motor, um zu fliehen.
Ich stellte noch hastig den Rückspiegel ein, wobei meine Hand das Kettchen streifte, welches um den Rückspiegel hing.
Es war die Kette, die Elyas mir in unserem letzten Augenblick überreichte.
Sofort spielte sich die Erinnerung an ihn, wie er von der Polizistin von mir weggezogen wurde, vor meinen Augen ab.
Es war noch immer schmerzhaft doch ich versuchte, mir die Erinnerung schnell wieder aus dem Kopf zu schlagen und fuhr endlich los.

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