One Smile.

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 Der Country Club, den das frisch vermählte Brautpaar als Veranstaltungsort ausgesucht hat, ist ein imposantes, dreistöckiges Gebäude im Kolonialstil direkt am Lake Michigan. Allein die Location dürfte ein halbes Vermögen gekostet haben. Die Kapelle, in der Lilian und ihr Ehemann – von dem ich dank der Zettel auf den Sitzplätzen herausgefunden habe, dass er Derrick heißt – sich das Ja-Wort gegeben haben, ist nur eine Straße weiter. Der Fußmarsch ist kurz, also nehme ich ihn auch mit hohen Schuhen auf mich. Immerhin habe ich mich erfolgreich um ein längeres Gespräch mit meinen Eltern gedrückt und sie lediglich kurz begrüßt, bevor die Zeremonie begonnen hat. Sie waren ganz euphorisch, mich zu sehen, aber ich glaube, dass es eher Erleichterung war. Wahrscheinlich haben sie erwartet, dass ich nicht auftauchen würde, obwohl ich fest zugesagt habe.

Am Country Club angekommen schleiche ich mich durch die Personengruppen und vermeide Smalltalk. Ich hasse es, krampfhaft mit Menschen zu reden und Interesse zu heucheln, wenn ich eigentlich am liebsten gar nicht hier wäre. Auch zu Hause in Savannah bin ich nicht gerade ein geschwätziger Mensch und empfinde das auch nicht als Fehler oder Nachteil. Am wohlsten fühle ich mich sowieso in meinem Atelier, in dem ich an neuen Kleidungsstücken und Designs arbeiten kann.

Von Asana fehlt bisher jede Spur. Ich gehe davon aus, dass sie damit beschäftigt ist, die Kellner durch die Gegend zu scheuchen und dafür zu sorgen, dass alle Gäste versorgt sind, die nach und nach ihre Plätze einnehmen.

»Cozima!«, ruft meine Mutter von einem der runden Tische direkt vor der Bühne und winkt enthusiastisch.

Ich unterdrücke das Bedürfnis, mit den Augen zu rollen, und laufe lächelnd zu meinem Sitzplatz, der mit einem kleinen Namensschild versehen ist. Direkt gegenüber erkenne ich das von Asana und das gibt mir immerhin die Hoffnung, diesen Tag irgendwie zu überstehen.

»Setz dich, Liebes«, trällert meine Mutter und schiebt eine Strähne meiner lockigen, kinnlangen Haare zurück an ihren Platz.

Der Stuhl neben mir ist leer, auf dem Namensschild ist lediglich C+1 zu lesen. Vielleicht hat jemand abgesagt oder der Platz ist als Reserve eingeplant. Ich habe sicher nichts dagegen, ein paar Zentimeter vom wachsamen Auge meiner kleinlichen Mutter abzurücken und dabei mit niemandem zusammenzustoßen.

Während Derricks Trauzeuge eine Ansprache voller schlechter Witze hält und die Gäste willkommen heißt, schaue ich mich unauffällig um. Die Dekoration passt perfekt zu Lilian, denn sie ist stilvoll und dennoch irgendwie verspielt. Mir persönlich wäre es zwar zu viel Glitzer und die Blumenarrangements hätten nicht ganz so üppig ausfallen müssen, aber es passt zum leicht über die Stränge schlagenden Stil meiner Schwester. Ihr Kleid ist ein perfektes Beispiel dafür: ein klassischer Meerjungfrauenschnitt mit Einzelheiten aus Organza, trägerlos und mit langer, geschwungener Schleppe. Sie stiehlt jedem die Show und so sollte es ja auch sein.

Als die Menschen um mich herum simultan klatschen, bemerke ich, dass die Ansprache zu Ende ist und der Abend mit Kellnern, die wie ein Schwarm ausfliegen, um die Vorspeise zu servieren, eingeläutet wird. Während wir den gegrillten Ziegenkäse im Salatbeet verspeisen, fragt mein Vater mich über die Umsätze der Boutique aus. Er war schon immer ein sehr zahlenaffiner Mensch. Und dann taucht auch endlich Asana auf, in einem Traum aus dunkelgrüner Seide und beeindruckend geflochtener Hochsteckfrisur.

»Hallo, ihr Lieben«, ruft sie fröhlich in die Runde und stellt sich hinter meinen Stuhl. »Da an eurem Tisch ja noch ein Platz unbesetzt ist, bin ich so frei und habe ihn für einen Last-Minute-Gast reserviert.«

Ich drehe mich im Sitzen in ihre Richtung und traue meinen Augen kaum, als ich den Mann im schicken Anzug erkenne. Denn dieses Lächeln sehe ich nicht zum ersten Mal.

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