Denver
Mit dem Rücken lehne ich mich gegen die Theke. Zed gestikuliert wild mit den Händen und erzählt mir irgendwas, aber ich nehme ihn überhaupt nicht mehr wahr. Mein Körper ist wie erstarrt. Alles scheint taub zu sein. Mein Blick ist unentwegt auf die blonde Frau gerichtet, die mit überschlagenen Beinen an einem der Tische sitzt und dankbar lächelt, als der Kellner ihr einen Weißwein serviert. Ein enges, dunkelrotes Kleid bedeckt ihre Haut, eine flauschige Strickjacke ihre Schultern. Sie hat zugenommen, wirkt weniger dürr und zerbrechlich - und glücklich.
In meinem ganzen Leben habe ich diese Frau niemals glücklich gesehen.
Doch hier sitzt sie. Annabelle Lewis. Im verdammten Chicago, in genau der Bar, in der Zed und ich gelandet sind. Tausende Kilometer entfernt von Heatherstown und lacht herzlich mit ihrer Freundin.
Schlagartig nehme ich einen tiefen Atemzug, beobachte, wie sich ihr Blick innerhalb von Sekunden verhärtet. Anscheinend hat sie nichts von ihrer Reizbarkeit verloren. Angestrengt presst sie die Lippen zusammen, bemüht sich offensichtlich, nicht an die Decke zu gehen. Leise zischt sie irgendwas, bevor sie sich mit einem Ruck erhebt und mit so viel Selbstbewusstsein durch die Bar schreitet, dass ich überrascht eine Augenbraue hebe.
Belle ist zwar immer überheblich gewesen, hat jedoch nie ein derartiges Vertrauen in sich selbst ausgestrahlt. Ihr fester Gang, der wilde Blick, die gekräuselten Lippen, all das verleiht ihr eine faszinierende Eleganz, die ich vorher noch nie bei ihr bemerkt habe. Sie ist derart in sich selbst vertieft, dass sie einfach an mir vorbeistürmt, ohne mich auch nur ansatzweise wahrzunehmen.
»Denver?« Zed stößt mich ungeduldig mit dem Arm an. »Was meinst du?«
»Bin begeistert«, knurre ich und sehe mit schnell schlagendem Herzen zu, wie Belle in der Damentoilette verschwindet.
Zed schnaubt verärgert. »Du hast mir überhaupt nicht zugehört, Mann.«
Genervt verdrehe ich die Augen und wende mich ihm zu. »Wie gesagt, ich bin begeistert.«
»Dich begeistert rein gar nichts«, erwidert mein Freund trocken und lehnt sich über die Theke. »Können wir sofort bestellen?«
»Einen Moment.« Der schlaksige Kellner läuft rot an und beginnt, wie wild mit den Gläsern zu hantieren.
Langsam beuge ich mich zu ihm, senke die Stimme, sodass sie keinen Widerspruch duldet. »Zwei Bier. Jetzt.«
Nervös nickt er, stellt die Gläser beiseite und betätigt rasch den Zapfhahn. »Klar.«
Zufrieden nehme ich den Kopf wieder zurück. Zed schüttelt nur amüsiert mit dem Kopf. »Keine Ahnung, warum die Menschen auf dich immer besser hören.«
»Autorität«, ist meine einzige Antwort.
Im nächsten Moment reicht der Kellner uns schon die Biergläser, zwingt sich zu einem Lächeln, wobei er es vermeidet, mir in die Augen zu sehen. Feigling.
»Auf den Tod«, raune ich und erwidere die Geste, ohne mit der Wimper zu zucken.
Zed grinst und hebt die Schultern. »Wie man es nimmt.«
Doch anstatt meine Aufmerksamkeit weiterhin ihm zu schenken, drehe ich mich wieder um. Gerade noch erhasche ich einen kurzen Blick auf Belle, die die Toilette mittlerweile wieder verlassen hat. Mit gesenktem Kopf rauscht sie an der Theke vorbei, zieht die Strickjacke so eng um sich, dass der Stoff sie zu ersticken droht. Ihr Gesicht ist plötzlich leichenblass. Fast ist es, als würde ich ihren schnellen Atem in meinen eigenen Ohren hören. Ohne sich von ihrer Freundin zu verabschieden, verlässt sie Hals über Kopf die Bar.
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To Be Saved By You
RomansaBEI AMAZON ALS EBOOK UND TASCHENBUCH ERHÄLTLICH ⚡️ Jahrelang hat Annabelle Lewis in Chicago für ihren Neuanfang gekämpft und sich ein neues Leben aufgebaut. Doch ausgerechnet Denver Lockheart lässt die Blase ihres Glücks platzen. Ohne Vorwarnung sch...