Kapitel 1

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"Wir können uns diese beschissene Klassenfahrt nicht leisten Ethan", sagt mein Vater, bevor er seine Lippen erneut an die Bierflasche drückt. Es ist bestimmt schon die Dritte heute. Er setzt direkt wieder ab und wirft einen mürrischen Blick in die grüne Flasche in seiner Hand. "Warum ist die Buddel schon wieder leer?" Er steht auf und geht in Richtung des Kühlschranks, um sich eine Neue zu holen. Ich stehe von unserem roten Sofa auf und gehe langsam zur Tür, die in unseren Flur führt. "Warte nochmal kurz, deine Mutter möchte dich unbedingt noch sprechen. Sie hängt aber gerade noch die Wäsche auf", sagt mein Vater, als er sieht wie ich den Raum verlassen möchte.

"Worum geht es denn?"

"Kein Plan. Sie meinte, sie wollte irgendwas über deine Schule wissen. Frag mich nicht. Sie müsste jeden Moment fertig sein", sagte mein Vater während er den Flaschenöffner aus der Schublade nimmt und sich die nächste Bierflasche öffnet. Das Zischen der Flasche überdeckt die normale Stille, die bei uns im Wohnzimmer herrscht. Seitdem wir die Rechnungen nicht mehr zahlen können, können wir kein Fernsehprogramm mehr empfangen. Dummer Vermieter. Er kennt unsere Lage und setzt uns dennoch unter Druck.

Ich gehe langsam auf und ab um die Zeit zu überbrücken, bis meine Mutter endlich fertig ist und mir sagt, was Sache ist. Warum mein Vater mich nicht einfach fragt, bleibt mir ein Rätsel. Es ist ihm vermutlich eh egal. Wie immer.

"Kirstin! Wo bleibst du verdammt? Der Junge wartet schon die ganze Zeit", ruft mein Vater durch das ganze Haus. Ich erschrecke mich immer zu Tode, sobald jemand etwas sagt, oder sogar ruft. Das Haus ist sonst so ekelhaft still. Außer das Ticken der Uhr und gelegentliche Schritte über den alten, knarrenden Holzboden, passiert nicht sonderlich viel in unserem Haus.

"Ich komme gleich, lass mich nur kurz die restlichen Hosen aufhängen, dann komm ich rüber", hallt es aus unserem Flur ins Wohnzimmer. Meine Mutter klingt, als wäre sie einen halben Marathon gelaufen.

Während ich weiterhin warte, lenkt sich mein Blick auf meine schwere Schultasche, die in der Ecke des Zimmers steht. Ich hab sie erst letztes Jahr geschenkt bekommen und sie sieht jetzt schon aus, als hätte ich mit ihr einen Tiger Angriff überlebt. Schrecklich.

"Ich muss noch Hausaufgaben machen. Mathe", sage ich und richte mein Blick in die Richtung meines Vaters. Er antwortet erst nicht.

"Na dann viel Spaß. Es ist 20:00 Uhr junger Mann. Langsam wird es Zeit. Was hab ich dir gestern denn noch gesagt?" Er sieht immer so böse aus.

"Ich weiß, ich weiß. Ich soll meine Aufgaben nicht so spät machen. Ich schaff das aber schon. Ich schaff es immer." Ich weiß selber, dass es nicht stimmt. Ich musste letztens erst wegen fehlender Aufgaben nachsitzen. Ich hasse die meisten Lehrer. Keiner versteht mich. Keiner versteht was ich durchmache. Naja, nur noch ein Jahr und ich hab den Abschluss eh fertig. Endlich.

Durch das Knallen der Tür auf unserem Flur weiß ich, dass meine Mutter fertig damit ist, unsere Kleidung aufzuhängen. Ich drehe mich zu unserer Tür, die ins Wohnzimmer führt. Meine Mutter betritt rasch den Raum und schreckt zurück, als sie beinahe in mich kracht.

"Oh sorry, war gerade etwas in Gedanken. Du weißt ja."

Ich weiß nicht was sie meint. Aber es wird vermutlich ums Geld gehen. Es geht immer um das scheiß Geld.

"Gut, dass du gerade hier bist..."

Was meint sie? Papa hat mir befohlen, hier zu bleiben. Sie tut so, als wäre ich zufällig im Wohnzimmer.

"Also, wie läuft es momentan in der Schule? Wie sehen deine Noten aus?" Sie ist komplett außer Atem.

"Naja, was soll ich sagen..."

Mask Off - Zeig mir, wer du wirklich bistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt