Kapitel 2

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Ich habe meine Augen weit geöffnet, aber erkenne trotzdem nichts außer diese bedrohliche Dunkelheit. Alles verschmilzt mit dem Schwarz der Nacht. Ich kann nicht einmal meine eigenen Hände erkennen. Es ist, als wäre ich über Nacht blind geworden. Ich schlucke einmal stark. Mir steht der Schweiß auf der Stirn. Orientierungslos fühle ich mit meinen Händen die Umgebung ab. Ich spüre meine weiche Wolldecke, welche immer noch um meinen Körper gehüllt ist. Ich spüre mein Bettlaken, die holzige Bettkante und den kleinen Tisch, der neben meinem Bett steht. Sollte hier nicht eigentlich meine kleine Lampe stehen? Jetzt befindet sich hier nurnoch eine leere Fläche. Ich wisch mir mit beiden Händen durchs Gesicht und raffe mich aus meinem Bett auf. Es ist kalt.

Die Luft in meinem Zimmer ist schwer. Ich drücke mich mit beiden Beinen aus dem Bett. Mittlerweile stehe ich mitten im Zimmer, drehe mich, aber erkenne trotzdem nichts von meinem sonst so gewohnten Raum.

"Wo bin ich?", sage ich leise, obwohl ich genau weiß, wo ich mich befinde. Warum frage ich überhaupt?

Ich taumel blind durch mein Zimmer und bewege dabei beide Arme vor meinem Körper in alle Richtungen, in der Hoffnung, die Wand zu erfühlen, bevor ich gegen sie laufe. Irgendetwas wirkt so anders als sonst. Als wäre etwas nicht normal.

Ich merke, dass die Wand langsam näher kommt. Ich setze kaum einen Fuß vor den Anderen, aber ich merke trotzdem, dass ich voranschreite. Als meine Hände zum ersten Mal das kalte Holz meiner großen Zimmertür berühren, atme ich erleichtert auf. Endlich nicht mehr im Dunkeln herumgeistern.

Ich taste die Tür entlang, um entweder den Griff der Tür, oder den Lichtschalter zu finden. Nach einer kurzen Weile finde ich Zweiteres zuerst und drücke den Schalter langsam runter. Das Licht geht an und mein Körper zuckt zusammen. Meine Augen sind komplett geblendet. Automatisch presse ich meine Augenlieder zusammen und kann meine Augen kaum öffnen. Erst nachdem ich mehrmals geblinzelt habe, gewöhnen sich meine Augen langsam an die Helligkeit meiner Zimmerlampe. Ich drehe mich um und erkenne wieder Alles in meinem Zimmer. Mein Bett, mein Schreibtisch, mein Bürostuhl und mein Fenster.

Aber etwas ist anders. Plötzlich läuft mir Schweiß über die Stirn und meine Beine fangen stark zu zittern an. Meine Hände sind rutschig vor Schweiß. Über meinem Bett hängt ein langes Strick von der Decke. Es sieht fast aus wie ein Galgen, welcher auf seinen Einsatz wartet. Ich schlucke schwer.

So schnell wie möglich drehe ich mich um und drücke die Klinke der großen Holztür herunter. Mir ist schwindelig und meine Sicht wird langsam verschwommen. Ist das nur ein blöder Streich? Oder sogar eine Drohung?

"Mama? Papa?", rufe ich durch die ganze Wohnung. Das Echo hallt durch den ganzen Flur. Mir wird immer schwindeliger. Ich laufe an jedem Raum im oberen Stockwerk vorbei. Meine Schritte auf dem knarrenden, hölzernen Boden hallen immer lauter in meinen Ohren. Sie tun fast sogar weh.

Nach mehreren Metern habe ich die Treppe nach unten endlich erreicht und umklammere das Geländer fest mit meiner rechten Hand. Meine Sicht immer verschwommener und mir ist unglaublich schwindelig. Als ich meinen Fuß auf die erste Treppe stelle, ist es so, als würde mir jemand den Boden unter den Füßen wegziehen. Mein Körper fällt nach vorne.

Der erste Aufprall auf meinem Rücken war am schmerzhaftesten. Danach befand ich mich wie in Trance. Immer wieder knallte ich mit meinem Körper auf die kalten Stufen der alten Holztreppe. Bis ich unten angekommen bin. Ich falle mit dem Gesicht zuerst auf den Boden unserer Wohnung. Danach ist alles nur noch schwarz. 


Ich schrecke auf. Auf meiner Stirn steht kalter Schweiß und mein ganzer Körper zittert. Ohne Orientierung schaue ich mich ruckartig im Zimmer um. Diesmal jedoch erkenne ich alles. Es war alles nur ein Traum. Zum Glück.

Das Sonnenlicht des Morgens fließt durch mein Fenster und erhellt mein Zimmer, sodass ich alles erkenne. Ich bleibe kurz liegen und schaue erleichtert nach oben, an die Decke.

"Warum können diese scheiß Alpträume nicht einmal aufhören?", sagte die Stimme in meinem Kopf. Und sie hatte Recht. Fast täglich leide ich mittlerweile unter Alpträumen und sie werden von Tag zu Tag schlimmer. Lange Zeit zum Nachdenken habe ich nicht, da schon der gewohnte Wecker-Ton aus meinem Handy erklingt, welcher ankündigt, dass ich mich fertig machen muss, um zur Schule zu gehen.

"Na, hattest du wieder einen deiner Alpträume?", empfängt mich mein Vater an der Tür zum Wohnzimmer.

Ich entgegne: "Ja, aber woher weißt du das?"

"Ich hab dich schreien gehört. Musst echt was Schlimmes geträumt haben."

"Es ging. Ich kann mich aber jetzt schon nicht mehr daran erinnern." Damit log ich. Ich kann mich noch sehr gut an den kompletten Traum erinnern. Sei es der Galgen, der bedrohlich über meinem Bett baumelte, oder der Sturz, welcher vermutlich alle meine Knochen gebrochen hätte.

"Naja, hast du jetzt alles zusammen?"

"Noch nicht, ich geh nochmal ins Bad."

Ich drehe mich von meinem Vater weg und betrete die Tür, welche sich links neben der Küche befindet. Ich drehe mich zum Spiegel und mustere mich genau. Meine dunkelbraunen Haare hängen einfach runter, über meine Stirn. Ich kümmere mich nicht wirklich darum, ob meine Haare stylisch aussehen, oder nicht. Zudem, wär ich zu faul, jeden Tag Haargel in meine Haare zu schmieren.

Auch sonst sehe ich relativ "normal" aus. Was heißt, dass ich nicht anders aussehe, als die meisten Jungs an meiner Schule. Ich trage oft schwarze T-Shirts und darüber eine schwarze Strickjacke, welche meine Arme bedeckt. Meistens setze ich die Kapuze auf, um nicht zu oft den Blick mit Mitschülern wechseln zu müssen. Meine Hosen waren ebenfalls meistens in sehr dunklen Farben. Sei es dunkelblau, oder ganz schwarz. Darunter jedoch relativ auffällige, helle Schuhe, welche im Kontrast zu meinem restlichen Outfit stehen.

Und so gehe ich jeden Tag zur Schule. Eigentlich ähnlich zu den anderen Menschen an meiner Schule. Dennoch bin ich in ihren Augen scheinbar anders.

Ich blick noch einmal auf die dunkelgraue Armbanduhr, welche ich an meinem linken Handgelenk trage. Sie war ein Geschenk meines Opas, bevor er drei Monate später gestorben ist. Er war einer der einzigen Menschen, die mir etwas bedeuteten. Daher ist sie für mich von unschätzbarem Wert. "7:50", zeigt sie an. Fuck, nur noch zehn Minuten bis zum Unterricht.

Ich öffne die große Doppeltür, welche in den langen Schulflur führte, in denen Schüler gerade auf den Anfang der ersten Stunde warteten. Beim Durchschreiten der ganzen Schüler fühle ich mich immer miserabel. Ich fühle mich, als wäre ich am falschen Ort, als würde ich nicht hierher gehören. Ich hab das Gefühl, als würden mich alle anschauen und mich hassen. Was tatsächlich auch gut möglich wäre, wenn man das Grundklima unserer Schule betrachtet.

Mobbing ist an der Tagesordnung. Das lässt sich gut auf dem Schulhof beobachten. Es gab auch bis jetzt noch kein Jahr, ohne mindestens einen Suizid an dieser Schule. Der jüngste Fall war Marie, welche sich vom Dach des Gebäudes geworfen hat. Ihre Eltern waren komplett zerstört und haben aus Verzweiflung die Schule verklagt, jedoch natürlich ohne Erfolg.

Das war vor circa sechs Monaten und jeder rätselt, wer sein Leben als nächstes frühzeitig beendet. Bei dem Verhalten der Schüler, könnte es jeder sein.

Nach mehreren schweren Schritten durch den Schulflur komme ich an der Klassenzimmertür an, atme noch einmal tief durch und öffne die blaue Tür, welche in den Raum führt. Raum A25 - Willkommen in der Hölle.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 10, 2022 ⏰

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