Weißt du was?

18 2 0
                                    

"Ich liebe dich", schrieb ich auf ein Blatt Papier. "Ich liebe dich so sehr, dass ich mir manchmal wünsche, ich könnte auf dich zulaufen, dich umarmen und nie wieder loslassen. Klingt das komisch? Ich liebe dich. So sehr, dass ich jedes Mal, wenn ich dich sehe, deinen Kopf in meine Hände nehmen und meine Lippen auf deine legen will. Das klingt noch viel merkwürdiger, oder? Und weißt du warum? Du kennst mich nicht. Du hast mich vermutlich noch nie zuvor bemerkt.

Ich heiße Adam. Ja, der Adam. Adam aus deinem Spanischkurs. Adam mit dem du gemeinsam nach Spanien geflogen bist. Der, der neben dir im Flugzeug saß. Der, mit dem du noch nie zuvor ein Wort gewechselt hast.

Aber weißt du was? Ich liebe dich.

Und das nicht erst seit diesem Moment an, wo du in den Spanischraum gekommen bist und "Hola" gerufen hast, nein. Seit dem Moment, als ich zum ersten Mal das Schulgebäude betrat, in der 5. Klasse. Weißt du, du warst das eine Mädchen aus meiner Parallelklasse, was ich von meinem Tisch in der Mensa aus, heimlich beobachtete.

Im Gegensatz zu mir saßt du immer mit mindestens 4 weiteren Personen am Tisch mit denen du dich auch immer unterhalten hast. Es kam nie vor, dich irgendwo alleine zu sehen. Aber warum auch? Warum sollte ein so schönes Mädchen auch alleine auf dieser Welt sein? Das macht doch gar keinen Sinn.

Nun, seit der 5. Klasse, sind 5 Jahre vergangen. 5 Jahre, in denen ich nie den Mut gehabt hatte dich anzusprechen. In den 5 Jahren hattest du 2 ernsthafte Beziehungen. Ich mochte weder Josh, noch Alan. Ich hätte dir gleich sagen können, dass die beiden dich niemals so hätten lieben können, wie du es verdient hättest.

So wie ich dich geliebt habe und das auch immer noch tue.

Zu deinem 16. Geburtstag, trugst du dieses wunderschöne, blaue Kleid mit dem Blumenmuster drauf. Du sahst wirklich jeden Tag in den 5 Jahren umwerfend aus, aber dein 16. Geburtstag legte noch einen drauf und ehrlich, ich war drauf und dran, dich endlich anzusprechen.

Aber, mal im Ernst, was hätte ich sagen sollen? 'Hi. Hi, Yana. Ich bin Adam. Der Typ aus deinem Spanischkurs. Letzte Reihe, hinten rechts. Ach, und ich liebe dich. Tschüss.'

Ja, vielleicht hätte ich das tun sollen, denn hätte ich gewusst, dass das die letzte Chance in meinem ganzen Leben sein wird, dann wäre mir alles egal gewesen.

Doch nach deinem 16. Geburtstag kamst du nicht mehr zur Schule. Auch nicht an dem Tag danach, auch nicht eine Woche später, einen Monat später, auch nicht im nächsten Schuljahr. Nein, du wirst nie wieder kommen.

Du bist tot.

Ich wollte immer, dass du mich irgendwie bemerkst, dass ein Wunder geschieht, du dich zu mir setzt und sagst: 'Hi Adam. Ja, ich weiß wie du heißt.'

Und Yana? Weißt du was? Ich habe dich jede Pause angesehen und es gab kaum eine, in der du nicht ein Lächeln auf den Lippen hattest. Dein Lächeln war übrigens umwerfend. Auch das habe ich geliebt. Leider galt es nie mir.

In den 5 Jahren habe ich nie wirklich wahrgenommen, was mit dir los ist, dass es dir nicht gut ging. Alle wussten es. Alle wussten, dass Yana Easton Krebs hatte und natürlich wusste auch ich es.

Vor circa einem halben Jahr haben diese kleinen Veränderungen begonnen. Deine Haare waren anders, sie waren immer noch so schön wie vorher, aber das blond wirkte anders. Ich wusste, dass es eine Perücke war.

Mir ist auch aufgefallen, dass du dünner wurdest. Klar. So etwas entgeht einem ja auch nicht, aber ich fand dich auch trotzdem wunderschön.

Auch wenn deine Kleider immer größer wurden, wenn deine Haare jeden Tag etwas anders aussahen, dein Lächeln irgendwann auch immer matter wurde, du warst trotzdem wunderschön. Deine Schönheit blieb, egal wie du aussahst.

Wenn es eines gibt in meinem Leben, dass ich wirklich bereue, dann ist es, dass ich nie mit dir geredet, dich nie berührt und dich nie wissen lassen habe, was du mir eigentlich bedeutest.

Die Vorstellungen dich zu umarmen, dich in meinen Armen zu halten und meine Lippen vorsichtig auf deine zu legen, werden immer nur eine Vorstellungen bleiben.

Weißt du was mich am meisten beeindruckte an dir? Du hast nie aufgehört zu lachen. Selbst an deinem 16. Geburtstag, der letzte Tag an dem du zur Schule kamst, hast du gelacht. Du bist sogar lachend aus dem Schulgebäude gelaufen.

Dein 16. Geburtstag war gleichzeitig der Tag, an dem du dich ohne Perücke gezeigt hast. Und du warst wunderschön."

Ich stockte für einen kurzen Moment und betrachtete meine zu Papier gebrachten Zeilen. Der Druck, der sich von Satz zu Satz in meiner Brust ausbreitete, bereitete mir Schmerzen und ich spürte wie die Tränen langsam in meine Augen schossen. Ich weinte, während ich meine letzten Worte schrieb.

"Du warst wirklich wunderschön. Und ich habe dich wirklich geliebt, jede Sekunde in den 5 Jahren und jede weitere Sekunde nach deinem Tod.

Ich liebe dich, Yana. Ich vermisse dich. Ich will bei dir sein.

In ewiger Liebe,

Adam."

UncompletedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt