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Erhobenen Hauptes schritt Sirius durch die Türen und besah die verschiedenen Modelle. Eine rothaarige Frau kam für einen kurzen Moment auf ihn zu und ließ ihn wissen, dass sie gerade mit einem anderen Kunden beschäftigt war, aber ihr Kollege sich gleich um ihn kümmern würde. James schien darüber ziemlich enttäuscht zu sein.

Sirius war es egal. Seiner Meinung nach sollte sie sich sofort 'um ihn kümmern' weil Sirius viel wichtiger war als der andere Kunde.

Und weil er sonst augenblicklich wieder aus dem Laden stürmen würde.

Aber James schien es zu ahnen und reichte ihm gleich zehn verschiedene Brillen, die er anprobieren sollte.

"Und?", fragte er nach der siebten. "Wie findest du sie?"

"Wie soll ich sie finden? Ich kann sie ja nicht sehen."

Ein Lachen ertönte hinter ihnen, sodass sich die beiden Schwarzhaarigen automatisch umdrehten.

Ihnen gegenüber stand ein junger Mann, etwa in ihrem Alter, mit braunen, verwuschelten Haaren und einem Namensschild an seinem gebügelten Hemd.

Jetzt wünschte sich Sirius, er hätte seine Brille schon. Der Mann würde mit scharfen Umrandungen bestimmt noch viel schärfer aussehen. Innerlich lachte er über seinen eigenen Witz.

"Kann ich Ihnen vielleicht behilflich sein?"

"Ja, äh-", Sirius versuchte, den Namen auf dem Schild zu entziffern und hasste sich dafür, dass er es nicht konnte, obwohl er gar nicht so extrem weit entfernt stand.

"Remus", sprang James für ihn ein. "Mein Kumpel hier braucht ganz dringend eine Brille, wie du vielleicht schon gemerkt hast."

"Weitsichtig, nehme ich an", schmunzelte Remus und Sirius schoss die Hitze in die Wangen. Überraschenderweise lag es nicht an dem ausgesprochen süßen Lächeln.

"Nein, äh, ich bin kurzsichtig."

"Oh", machte der Verkäufer. "Aber ich steh direkt vor dir."

"Ist ja nicht meine Schuld, dass die Buchstaben auf dem Schild so winzig sind!", verteidigte sich Sirius.

James, der Verräter, lachte. "Er hat minus drei Komma sieben fünf links und minus zwei Komma fünf rechts."

Selbst ohne Brille konnte Sirius erkennen, wie Remus' Augen groß wurden. "Und das hast du erst jetzt gemerkt?"

"Ich dachte, das wäre normal", behauptete Sirius.

"Er lügt." Vielleicht sollte James auch ein Schild tragen. Mit Verräter. "Er war einfach zu eitel, um sich eine Brille zu holen."

Jetzt war der perfekte Moment, um James unauffällig den Ellenbogen in die Seite zu rammen.

Remus verkniff sich ein Lachen und gab sich alle Mühe, professionell zu bleiben. "Dann suchen wir mal eine Brille, die deiner Eitelkeit nicht schadet. Wer weiß, vielleicht magst du sie am Ende sogar."

Sirius liebte sie am Ende. Nicht, weil er sie wirklich toll fand. Sondern weil Remus ihm sagte, wie attraktiv er mit dem schwarzen Modell auf der Nase aussah. Die drei kleinen, modischen Strasssteine glitzerten in der Sonne, als Sirius die Brille wieder abnahm und Remus überreichte.

"Dann setzen wir uns mal hin und besprechen den langweiligen, aber leider wichtigen Kram."

Wie ein treuer Hund folgte Sirius ihm zu den halbwegs gemütlich aussehenden Stühlen und ließ sich in dem nieder, der näher an Remus stand. James warf ihm einen wissenden Blick zu, sagte aber nichts, weshalb Sirius für eine kurze Sekunde überlegte, ihm den Verräterstatus abzuerkennen.

Dann entschied er sich dagegen.

"Du hast die Papiere vom Arzt dabei?"

"Ja, hier", antwortete James an seiner Stelle, da er Sirius nicht zugetraut hatte, das Blatt heil zu transportieren. Sirius musste ihm da insgeheim zustimmen. Wahrscheinlich hätte er es aus Versehen in kleine Fetzen gerissen.

"Es gibt verschiedene Arten von Gläsern. Du kannst auswählen. Je besser die Gläser, desto teurer wird es natürlich auch. Allerdings würde ich bei minus drei Komma sieben fünf nicht das Günstigste empfehlen. Die Gläser würden dementsprechend dick sein und ein gewisses Gewicht auf die Nase ausüben."

Sirius hatte keine Ahnung, wovon der Typ sprach. Aber er hätte sofort zugestimmt, wenn James nicht wäre.

"Als Verkäufer musst du natürlich versuchen, uns das Teuerste anzudrehen."

Am liebsten hätte Sirius ihm wieder einen Ellenbogen in die Seite gestoßen, aber Remus schien sich nicht angegriffen zu fühlen.

"Die Bedenken verstehe ich. Was für eine Stärke hast du?"

"Minus eins Komma fünf und keine Ahnung was auf dem anderen."

"Da lohnt es sich, das Billigste zu nehmen. Aber ich habe bei beiden irgendwas mit vier. Probier mal."

Sirius war etwas beleidigt, dass die zwei sich ohne ihn unterhielten. Er fühlte sich wie ein Kind bei unter Erwachsenen. Allerdings konnte er nicht mitreden, weil er wirklich keine Ahnung hatte, was die beiden besprachen. Remus hatte es ausführlich erklärt, aber Sirius war viel zu beschäftigt gewesen, ihm dabei auf die Lippen zu starren.

Am Ende übernahm James die Entscheidung und Sirius bekam irgendeine nicht billige aber auch nicht die teuerste Variante. Und was hieß hier billig? Die ganzen Sachen waren fast so viel Wert wie ein Haus. War Brille nicht eine Notwendigkeit? Warum mussten die Dinger so teuer sein?

"Du kannst deine Brille in etwa zehn Tagen abholen. Aber wir schicken dir auch eine Nachricht."

"Okay", sagte Sirius nur. Er wusste, er wollte das Gespräch nicht beenden, aber sein Gehirn war wie leer gefegt. Dabei war er doch sonst so schlagfertig und laut und immer am reden.

"Bis dann", sagte Remus schließlich, als die Stille zwischen ihnen fast unangenehm geworden war.

"Bis dann."

***

854 Wörter

glasses | wolfstarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt