Kapitel 4

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Aurora

Nach der Dusche entscheide ich mich zu frühstücken und dann etwas die Natur bewundern zu gehen.
Gedacht getan. Ich sitze jetzt mit einem Toast vor mir in der kleinen Küche, in der ersten Hütte. "Ah, Ms. Lys, wie ich sehe haben sie meinen Rat befolgt." kommt Mr. Willsons auf mich zu und setzt sich mir gegenüber. Da ich noch einen vollen Mund habe nicke ich nur. "Ich weiß, so was fragt man eigentlich nicht, aber es sieht so ungewöhnlich aus. Ist der blaue Fleck in ihren Haaren gewollt? Oder sind die Duschen bei uns kaputt?" Bei seiner letzten Vermutung werden seine Augen groß und er wirkt leicht panisch. Ich lächle ihn beruhigend an und erkläre den blauen Fleck. "Nein, alles gut. Ihre Duschen sind nicht dafür verantwortlich. Eher ein Junge, der meinte, dass man mit Paints herumwerfen kann. Dummerweise hat er mich getroffen und dabei ist die Kugel geplatzt. Leider geht die Farbe nicht so einfach aus den Haaren." Mr. Willson nickt verwirrt und fragt dann doch "Paints?" "Oh, verzeihen sie. Ich spiele ab und zu Paintball. Paints ist unter uns Spielern die Bezeichnung für die kleinen Farbkugeln. Ich hoffe nur, er hat eine genommen für draußen und nicht drinnen." "Was ist denn der Unterschied?" "Die für Drinnen leuchten, da dort mit Schwarzlicht nur gespielt wurde, um den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen. Und die für draußen eben nicht."

Verstehend nickt Mr. Willsons. "Das können wir heute herausfinden. Es ist Party-Time heute Abend. Das heißt die Getränke kosten heute Abend nur die Hälfte und es kommen auch ein paar Einheimische, die mitfeiern. Ist immer ganz lustig. Kommen sie doch auch." lädt er mich ein. "Mal schauen, ob ich dafür dann noch Lust habe. Ich will jetzt erst mal etwas spazieren gehen." Mr. Willsons steht auf und sagt dabei "Dann wünsche ich ihnen viel Spaß. Hier hinterm Haus beginnt ein schöner Wanderweg. Bei dem kommen sie automatisch nach 2 bis 3 Stunden wieder hier auf dem Campingplatz an." "Danke, das klingt gut. Dann werde ich den wohl nehmen." "Sehr schön. Dann bis heute Abend." "Bis heute Abend." Verabschieden wir uns voneinander. Ich schiebe mir den letzten Bissen in den Mund und räume dann auf.

Als ich gehe kommen mir auch ein paar andere Gäste entgegen, welche ich freundlich grüße. Beim Bus angekommen, tausche ich meine Schuhe und überprüfe nochmal den Markierer, ob er Zugriffs-sicher verwahrt wird. Ich gebe die Zahlenkombination ein und öffne den Koffer. Dann schaue ich, dass der Markierer entladen und gesichert ist, was er ist. Ich lege ihn wieder zurück und verschließe den Koffer wieder. Noch einmal dran gerüttelt, ob er wirklich zu ist und schon schiebe ich ihn wieder zurück ins Regal. Bevor ich gehe, schnappe ich mir noch meine Kopfhörer und mein Handy.

Wenig später stehe ich schon vor dem Wanderweg, der kaum benutzt aussieht und starte meinen Spaziergang.
Ich gehe schon seit einer Stunde und mir ist noch niemand begegnet. Aber die Natur ist wunderschön. Obwohl schon Herbst ist, blühen hier und da noch Blumen. Zwischen den Tannen stehen Laubbäume in den unterschiedlichsten rot und gelb Tönen. Von weitem habe ich auch schon einen Elch gesehen. Gerade ändert sich das Lied welches ich höre und ich muss grinsen. Das Lied animiert mich immer zum tanzen. Da mir hier noch keiner begegnet ist, fange ich an über den Wanderweg zu tänzeln.

(Oder das. Kann mich nicht entscheiden, sucht euch eins aus.)

Es macht Spaß, sodass ich Lachen muss. Wenn mich jetzt jemand sieht, denkt er bestimmt auch, die spinnt.
Als das Lied endet bin ich zwar nur ein paar Meter weiter gekommen, aber das hat sich gelohnt. Leicht schwerer atmend spüre ich das weiche Moos unter meinen Füßen und lasse mich einer Eingebung einfach nieder fallen.

So liege ich hier im weichen Moos, genieße die Musik und die Natur. Durch die Äste der Bäume kann ich ab und zu die Sonne sehen. Mein Herzschlag und meine Atmung beruhigen sich wieder.
Bevor sie aber wieder ihren Ruhepol erreicht haben, stolpert auf einmal ein großer schwarz-weißer Wolf über mich. Panisch setzte ich mich auf und nehme die Kopfhörer vom Kopf, sodass sie um meinen Hals liegen.

Der Wolf rappelt sich auch wieder auf und schüttelt sich, ehe er sich vor mich hinsetzt und mich anschaut. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass er peinlich berührt ist, so wie er mich anschaut. Aber Wölfen ist nichts peinlich, das kann gar nicht sein. Der Wolf macht einen Schritt auf mich zu, panisch bewege ich mich, immer noch sitzend rückwärts. Der Wolf winselt und legt sich flach auf den Boden. Als er sieht, dass ich sitzen bleibe, robbt er vorsichtig etwas näher und dreht sich dann auf den Rücken. Er zeigt mir seinen Bauch. Ist das nicht ein Zeichen von Unterwerfung? Was wurde in der Doku mal erzählt? Ach ja genau, der Bauch ist die verwundbarste Stelle.

Neugierig bewege ich mich auf ihn zu. Mein Verstand schreit mich an, dass ich rennen soll und nicht noch auf ihn zugehen. Aber irgendetwas sagt mir, dass der Wolf mir nichts tun wird. Also strecke ich langsam meine Hand aus und reiche sie ihm zum schnüffeln. Macht man das nicht so bei fremden Hunden? Mensch Aurora das ist kein Hund, das ist ein verdammter Wolf, ruft mein Verstand. Ihn ignorierend halte ich meine Hand vorsichtig hin. Der Wolf schaut mich verwundert an, bis er sich wieder auf den Bauch rollt und meine Hand beschnüffelt, er leckt sogar einmal darüber. "Ihhh, du solltest schnüffeln und nicht lecken." Winselnd liegt der Wolf vor mir, als hätte er meine Worte verstanden. Oh man, dass ist herzzerreißend, wie er da liegt und mich anschaut. Ich seufze und bewege meine Hand langsam zu seinem Kopf. Der Wolf beobachtet mich genau. Sein Fell ist super weich. Begeistert fahre ich öfter über seinen Kopf, erst recht als er sich gegen meine Hand lehnt und anfängt zu schnurren. Über sich selbst überrascht öffnet er wieder seine Augen. Lächelnd spreche ich "Du schmuse Katze." und streichle ihn weiter. Der Wolf gibt ein Schnauben von sich, sobald ich aber aufhöre ihn zu streicheln, kommt er mir näher und bettelt förmlich nach mehr.

So kommt es, dass der Wolf fast vollständig auf mir liegt und ich ihn streichle. Erst als mein Handy einen Ton von sich gibt, fällt mir auf, wie viel Zeit vergangen ist. Der Wolf ließ sich von dem Geräusch nicht aus der Ruhe bringen, einzig sein Ohr welches zuckt, zeigt dass er noch wach ist. Ich kraule ihm hinter eben jenem Oh und sage "So gerne ich dich weiter streicheln will, aber ich muss langsam wieder zurück." Der Wolf gibt ein Grummeln von sich, erhebt sich aber und lässt mich aufstehen.

Als ich stehe, schaue ich nochmal zum Wolf, welcher traurig seinen Kopf hängen lässt. Einem Instinkt folgend gehe ich auf ihn zu und küsse ihn auf den Kopf. "War schön dich kennengelernt zu haben. Auf Wiedersehen." Damit drehe ich mich um und gehe den restlichen Wanderweg, ohne mich nochmal umzudrehen.

(Aus dem Leseabend wird ein Lesenachmittag, da ich total vergessen habe, dass ich heute Abend kein Internet habe🙈 Trotzdem viel Spaß heute beim lesen.)

Strahle mein PolarlichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt