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Pov: Mio

Schon den ganzen Abend beobachte ich den Rand des Sees, von der Seite kommt eigentlich niemand, also ist die Chance den Kürbiskopf zu sehen relativ hoch.
Die Sonne steht mir zum Glück im Rücken, so kann ich sorge los durch mein Fernglas sehen.

Dann sehe ich einen Reiter, der erst schnell auf den See zureitet und dann aprupt stehen bleibt.
Vermutlich ist er völlig überwältigt von der Aussicht auf die Stadt.
Als ich das erste Mal meinen Vater zum Handeln in die Stadt begleitet habe, hat mir das goldene Antlitz der Stadt für Minuten die Sprache verschlagen.
Aber wo gibt es auch schon so eine Stadt?

Mitten im See, umgeben von kristallklarem, seichten Wasser, in dem sich gerade jetzt in der Dämmerung die Abendsonne gold-rot spiegelt und mit Häusern aus so weißem Stein, dass es blendet.
Trotzdem trügt der glanzvolle Schein, das, was von weitem so strahlt ist nur für die reiche Minderheit vorgesehen.
Der Kern von Pliseta, es dauert ein wenig um ihn zu erreichen, ist verkommen, so wie seine Bewohner.
Dort kenne ich mich am besten aus.

Ich wende mich von dem See ab und mache mich auf den Weg in Richtung Stadtkern.
Hier, hoch oben auf den Dächern darf ich mir keinen Fehltritt erlauben, ein falscher Schritt und ich stürze 20 Meter in die Tiefe.
Aber ich kenne mich hier aus,  ich kann die Bewegungen wie im Schlaf, geschmeidig und unsichtbar wie ein Schatten gleite ich über die glatten Dächer.
Der kalte Wind hier oben bedeutet für mich Leben.

Bald schon werden die Häuser höher und die Fassaden schmutziger, gezielt klettere ich auf eines der höchsten Häuser in ganz Pliseta zu, der Mittelpunkt der Stadt.
Offiziell steht es leer, aber so bald sich die Dunkelheit über die Stadt legt, wird es lebendig.

Aber ganz oben, auf dem Dach des Hauses habe ich meine Ruhe.
Für die Händler in den unteren Geschossen des Hauses ist das Dach zu riskant, ich habe schon Tage hier verbracht und keine Menschenseele gesehen.
Dieses Dach kann ich stolz meinen Schlafplatz nennen.

Ich werde das Kreuz leicht finden, selbst in der Menge der Stadt.
Schon von weitem, auf der anderen Seite des Sees zeichnete ich eine unverkennbare Statur aus, er steht aufrecht, mit breiten Schultern, wie es sich kaum einer leisten kann. Gegen ihn bin ich mickrig, er ist sichtlich dafür geschaffen, Schwerter zu schwingen. Meine langen arme sind dürr, nicht mit den großten Mühen könnte ich sein Schwert heben. Aber das muss ich auch nicht und das wird er bald auch gut erleben.

die JagendenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt