Wo Licht die Dunkelheit bricht

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Die zwei Stunden außerhalb meines Zimmers gingen wie im Fluge rum.
Erstaunlicherweise muss ich zugeben, dass es mir tatsächlich gefallen hat. Wir haben über alles und die Welt gesprochen und vor allem, wie es mit meiner Zukunft weitergehen soll.
Immerhin bin beziehungsweise war ich aktuell im dritten Semester meines Studiums, welches ich aber sicher wiederholen kann wegen der langen Abwesenheit durch den blöden Unfall.

Pünktlich vier Uhr kommt Ben mein Pfleger ins Zimmer und holt mich zur Physiotherapie ab.

"Hey Ben, na wie stehts? Habe ich denn heute keine Therapie auf meinem Zimmer?"

"Na du bist ja gut gelaunt, das freut mich sehr. Heute ist alles total entspannt und zu deiner Frage, du hast einen neuen Therapeuten und dieser hat veranlasst, dich ins Therapiezentrum zu bringen."

Neuer Therapeut? Ich habe mich so sehr an Stan gewöhnt und auch seinen Abläufen vertraut. Naja vielleicht hat er auch nur die Vorarbeit geleistet für einen weiterführenden Therapeuten. Hoffentlich quält der Typ mich nicht, immerhin kann ich froh sein dass ich meinen Fuß und Zehen wieder allein bewegen kann. Es ist eher ein leichtes Wippen, doch Dr. Heights meinte dass dies ein großer Fortschritt wäre. Die Rippenbrüche sind mittlerweile komplett verheilt, was natürlich die Therapie erleichtert.

Ben rollt mich den Gang entlang zu den Fahrstühlen. Eins muss man dem Krankenhaus lassen, denn die Einrichtung ist zwar in Weiß gehalten, doch wurde es mit vielen Bildern ausgestattet das es so wirkt als würde man durch eine Galerie laufen. In den Sitzgruppen sind bequeme Kissen verteilt und man glaubt es kaum aber es gibt auch etliche Palmen welche das Klima hier sehr ruhiger wirken lässt.

Das Therapiezentrum ist genau unter meiner Station. Wie praktisch denke ich mir und schon stehen wir vor dem Eingang. Ben öffnet die Tür und fährt mich herein.

"So Sarah, darf ich dir Mister Liam Martinez vorstellen? Er ist dein neuer begleitender Therapeut. Ich hol dich dann in einer Stunde wieder ab, viel Spaß euch."

Wie Ben die Tür hinter sich schließt, kommt Liam auf mich zu. Er ist nicht riesig, ich schätze so 1,80 Meter, aber auch nicht größer und dazu hat eine recht normale bis sportliche Figur, was sich auch nur grob beurteilen lässt, da ich ihn nur in Shirt und Jogginghose sehe. Aber ehrlich? Der Anblick ist schon sehr angenehm.

Je näher er kommt, umso besser kann man sehen, dass er intensiv türkisfarbene Augen hat. Sein Haar ist kurz an den Seiten und wird nach oben etwas länger, geradeso perfekt um reingreifen zu können.
Karamell, genauso würde ich seine Haarfarbe bezeichnen und passend dazu hat er auch noch sonnengebräunte Haut.

"Miss Rivers? Hallo?"

Mist, was wird er denn jetzt von mir denken? Ich hab ihn sicher angegafft, aber man kann doch gern mal anschauen mit wen man jetzt auf Dauer zusammenarbeitet.

"Sorry ich war ganz in Gedanken, es tut mir leid. Sagen sie doch einfach Sarah zu mir, wenn es ihnen nichts ausmacht."

"Ich dachte schon sie wären weggetreten. Freut mich sie kennenzulernen und du kannst auch gern Liam zu mir sagen, immerhin werden wir jetzt einige Zeit miteinander verbringen um dich wieder auf die Beine zu bekommen."

Er lächelt mich an und der Ton seiner Stimme ist so angenehm, dass ich mich sofort wohl fühle. Meine Bedenken, als Ben mir sagte ich würde einen neuen Therapeuten haben, sind wie vom Erdboden verschwunden.
Also reiche ich ihm die Hand und er ergreift sie.

"Schön dich kennenzulernen. Also was ist dein Plan? Ich will nicht ewig hier bleiben."

"Da ist aber wer hochmotiviert. Also nachdem ich deine Akte studiert habe, ist das Hauptaugenmerk, dass wir dein rechtes Sprunggelenk mobilisiert bekommen und deine Feinmotorik wieder komplett herstellen. Zusätzlich machen wir etwas Muskel- und Bewegungstraining, dass auch die anderen Muskeln, welche durch das lange liegen verkümmert sind, sich wieder regenerieren. Das wichtigste hierbei ist, dass du das Ganze auch möchtest und daran teil nimmst."

Irgendwie macht mir das ganze Angst. Was wenn ich versage? Nein, ich muss Dave beweisen das ich kein Elend bin. Doch am meisten muss ich es mir selber beweisen.
Also nicke ich ihm zu und er weist mich an, das ich bitte zur Liege mit dem Rollstuhl komme, aber so viel Kraft habe ich leider noch nicht in den Armen. Als er das merkt, schiebt er mich hinüber.

Der Raum ist so groß, hier würden sich locker zehn bis fünfzehn Rollstuhlfahrer frei bewegen können. Hier ist auch alles in freundlichen Farben gestrichen und ist mit allen möglichen Trainingsgeräten ausgestattet. Am Fenster ist eine große orangene Liege wie man sie aus Massagestudios kennt und genau davor befinde ich mich gerade und fühle mich so hilflos, da ich noch keine Kraft habe um mich allein aus dem Rollstuhl ins Bett und wohin auch immer zu kommen.

Liam stellt sich vor mich, erklärt mir kurz das er mich nun auf die Liege setzen wird. Also greift er unter meinen Armen durch, drückt mich an sich und hebt mich anschließend auf die Liege wo ich nun sitze.

"So ich möchte mit dir also erstes deinen Oberkörper trainieren damit du wieder Kraft in die Arme bekommst."

Wir machen verschiedene Übungen mit Gewichten. Sei es die Gewichte in der Luft zu halten, bis hin zu Beweglichkeitsübungen wie die Windmühlenarme und das in den Himmel greifen.
Ich bin verdammt stolz auf mich, weil ich endlich einen Fortschritt sehe. Zusätzlich bin ich über die Therapiemethode     von Liam dankbar, denn immer nur im Krankenbett ist furchtbar. Als Sahnehäubchen hab ich wenigstens etwas zum angaffen, was natürlich meine Motivation steigert.

"Prima Sarah, du wirst sicherlich morgen Muskelkater haben, deswegen werden wir uns morgen deinen Faszien und der Muskelentspannung widmen, deswegen wäre es vielleicht vorteilhaft, wenn du keine langen Klamotten morgen tragen würdest.
Zusätzlich muss ich dich sehr loben das du so gut mitziehst. Oftmals versinken viele Komapatienten in eine Depression und sind daher nicht vollkommen zur Therapie bereit."

Nach der ganzen Schinderei, hebt mich Liam so hoch als würde er mich nach der Hochzeit über die Schwelle tragen wollen und setzt mich wieder in meinen Rollstuhl.

"Danke für alles Herr Therapeut und ich werde dann morgen passend gekleidet erscheinen."

Plötzlich klopft es an der Tür und Ben streckt seinen Kopf rein.

"Na fertig?"

"Ja wir haben heute alles geschafft, die Dame darf sich jetzt gern ausruhen Ben."

"Na dann werden wir ihr ein wenig Ruhe gönnen. Bis morgen Liam."

Liam lächelt noch kurz worauf ich ihm winke und schon sind wir auf den Weg nach oben.

If it's not youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt