Kᴀᴘɪᴛᴇʟ 2

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Gedankenverloren tippte ich auf der Tastatur meines Computers herum und genoss das Gefühl der glatten Tasten an meinen Fingerkuppen. Eigentlich wollte ich für die praktische Informatikprüfung, welche nächste Woche anstand und 30% unserer Gesamtnote ausmachte, üben, doch jedes Mal, wenn ich erst am Computer saß, schweiften meine Gedanken automatisch zu Jake ab.

Sobald ich etwas am Computer erledigte, fühlte es sich so an, als ob Jake wieder bei mir wäre und er niemals weggewesen wäre. Zurückgesetzt in die Zeit, in der ich alles in meiner Macht stehende getan hatte, um Jake bei der Suche nach seiner Halbschwester zu helfen.

Nicht, weil ich Hannah mochte - schließlich kannte ich sie zu diesem Zeitpunkt nicht einmal - , sondern wegen ihm. Obwohl ich ihn damals genauso wenig gekannt hatte. Doch irgendwie hatte er mich von Anfang an in seinen Bann gezogen.

Seine unbeholfene Art, wenn er mit mir geschrieben hatte, seine unendliche Liebe zu seiner Halbschwester, zu der er nicht einmal wirklich Kontakt hatte, seine Opferbereitschaft für seine Familie und Freunde...

Und genau deshalb war er gestorben. Weil er um jeden Preis hatte verhindern wollen, dass mir irgendetwas zustößt.

Das Schlimmste neben meinem Schuldanteil an Jakes Tod war es zu wissen, dass wir sogar eine gemeinsame Zukunft hätten haben können. Jake hatte die ganze Zeit meine Gefühle erwidert, sie mir sogar gestanden, als ich am wenigsten damit gerechnet hatte. Er hatte mir versprochen, dass er danach nicht abhauen würde, dass wir mehr oder weniger eine Beziehung führen könnten.

Und was war jetzt daraus geworden?

Innerhalb weniger Minuten hatte sich mein ganzes Leben verändert, meine Welt ist damals für mich zusammengebrochen. Ich hatte noch wirklich lange geglaubt, dass Jake noch leben würde, doch nachdem ich Tag für Tag vergebens auf ein Lebenszeichen von Jake gewartet und keines erhalten hatte, war mir klar geworden, dass es nichts brachte, sich an der Hoffnung, dass Jake noch lebte, festzuhalten.

Erst meine verzweifelte Hoffnung hatte mich zu dem gemacht, was ich heute war: Ein Schatten meiner selbst, der nicht mehr wirklich lebte, sondern nur noch versuchte, wenigstens zu funktionieren.

Meinem Vater zuliebe, der sich so viel Mühe mit meiner Erziehung gegeben und alles für mich getan hatte. Nachdem sich mein Vater von meiner Mutter getrennt hatte, weil diese Drogenprobleme hatte, und ich sonst in ein Kinderheim gekommen wäre, war mein Vater die erste Zeit sehr überfordert gewesen.

Davor war es immer meine Mutter gewesen, die sich trotz allem um den Haushalt und die Erziehung gekümmert hatte, während mein Vater sich hart das Geld erarbeiten musste, nur damit meine Mutter es wieder für Pillen aus dem Fenster warf.

Nach der Scheidung hatte sich alles verändert: Mein Vater ließ seine Schichten auf die Nacht verschieben, verbrachte den ganzen Vormittag damit, neue Kochrezepte auszuprobieren, und half mir nachmittags bei den Hausaufgaben.

Obgleich ich das Essen, das mein Vater damals gekocht hatte, nicht gerade als genießbar bezeichnen würde und er künstlerisch genauso wenig begabt wie ich war, hatte er es geschafft, mir eine dennoch ziemlich schöne Kindheit ab meinem elften Lebensjahr zu ermöglichen. Und ich war ihm unendlich dankbar dafür.

Genau aus diesem Grund durfte ich nicht einfach aufgeben. Ich wollte nicht, dass mein Vater meinen Tod bewältigen müsste und in dasselbe tiefe Loch fallen würde, in welches ich nach Jakes Tod gefallen war.

Aber gleichzeitig fiel mir alles ohne Jake so... so schwer. Es kostete mich viel Anstrengung, überhaupt nur morgens aufzustehen. Den ganzen Tag fühlte sich mein Körper bleischwer an und nach jeder Kleinigkeit war ich bereits erschöpft.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 30, 2022 ⏰

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Dᴜsᴋᴡᴏᴏᴅ - Dᴇsᴘᴇʀᴀᴛᴇ HᴏᴘᴇWo Geschichten leben. Entdecke jetzt