Die Sonne ließ das Wasser hell aufglitzern, als das Brummen eines Motorbootes die friedliche Ruhe durchschnitt. Die eben noch glatte Oberfläche kräuselte sich und weiße Schaumkrönchen schwabten hin und her.
"John...", versuchte Lisa es noch ein letztes Mal, doch der Braunhaarige hob lediglich die Hand, um ihr das Wort abzuschneiden.
Seine sonst warmen, blauen Augen hatten die ganze fünfunddreißigminütige Fahrt apathisch an irgendeinen für Lisa unsichtbaren Punkt gestarrt. Mitten im Nirgendwo brachte er den Motor zum Schweigen. Sofort drang wieder unangenehme Stille an Lisa und nagte an ihrem Herzen, welches noch nie so schwer gewesen war. Angst? Schlechtes Gewissen? Ungewissheit? Alles zusammen?
Für ein paar Sekunden saßen sie einfach stumm im Boot, bis John endlich die Plane in der Ecke wegzog. Augenblicklich drang wieder der faulige Gestank in ihre Nasen. Lisa blickte hoch in Johns blasses Gesicht. Sie schauderte, als sie seinen klaren Ausdruck der Entschlossenheit sah.
Ohne auch nur eine Emotion zu zeigen, band er die Ziegelsteine an und zog die Gestalt unter der Plane an die Kante.
"Schmorr in der Hölle", flüsterte er und stieß ihn hinunter ins tiefe Blau der Geheimnisse, was es, so hoffte Lisa, auch immer bleiben würde. Geheim.
Beklemmnis drang in sie ein, als sie das laute Platschen vernahm. Neue Wellen verzerrten die Spiegelung ihres Gesichtes zu einer Schreckensmaske. War das ihr wahres Ich?
Wieder Stille. Wieder Schweigen.
"Jetzt ist es vorbei, Lisa. Jetzt ist es vorbei", murmelte John eher zu sich selbst, als zu seiner Freundin.
"Nein", sagte Lisa und schloss wehlleidig die Augen. "Dieses Geheimnis wird immer wie ein Schatten auf unseren Seelen liegen."
John startete den Motor, kein Blick mehr zurück ins Blau der dunklen Geheimnisse.
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Kurzgeschichten
Short StoryDas ist eine Sammlung von Kurzgeschichten und Gedichten, die ich schreibe, wenn mir mal langweilig wird. Viel Spaß! ;)