Prolog - 365 Tage

231 19 4
                                    

Am Anfang war da die Angst.

Die Angst vor den Schmerzen.

Die Angst vor der Dunkelheit.

Die Angst vor dem, was kommen wird.

Am Anfang waren da die Schreie.

Die Schreie wegen der Schmerzen.

Die Schreie um Hilfe.

Die Schreie nach Erbarmen.

Am Anfang gab es noch Hoffnung.

Die Hoffnung auf Rettung.

Die Hoffnung auf Überleben.

Die Hoffnung auf ein schnelles Ende.

Am Anfang habe ich gefleht, gebettelt, geweint, gebrüllt, gelacht, gekämpft.

Doch hätte ich still in meinen Ketten gehangen, wäre es auf dasselbe herausgelaufen.

Denn egal, was ich versuchte.

Er hatte ein Ziel und er ließ sich nicht davon abbringen.

Jeden Tag wurden die Schmerzen intensiver.

Jeden Tag setzte er das Messer an einer neuen Stelle an und schnitt mich.

Erst vernahm ich die kalte Klinge auf meiner Haut.

Dann den Druck, den er auf sie ausübte.

Wie sie in mein Fleisch drang.

Meine Nervenbahnen zerschnitt.

Ich hörte nichts mehr.

Ich sah nichts mehr.

Ich fühlte nichts mehr.

Ich flehte ihn an, mich freizulassen.

Mich am Leben zu lassen.

Irgendwann flehte ich, mich gehen zu lassen.

Nicht in die Freiheit.

Nicht zurück in mein Leben.

Er sollte mich in die Dunkelheit lassen.

In den Tod.

Doch nichts von alle dem geschah.

Nur eine Frage liebte er zu beantworten.

Die Frage nach dem Warum?

»Weil du es so wolltest. Wir werden es schon finden.«

Irgendwann kam das Ende.

Am Ende gab es keine Angst mehr.

Ich hatte keine Angst mehr vor den Schmerzen, denn ich vernahm sie nicht.

Ich hatte keine Angst mehr vor der Dunkelheit, denn sie war mein Licht.

Ich hatte keine Angst mehr vor dem, was kommt, denn ich kannte es schon.

Am Ende gab es keine Schreie mehr.

Keine Schreie vor Schmerz, denn er hielt mich am Leben.

Keine Schreie um Hilfe, denn es gab keine.

Keine Schreie nach Erbarmen.

Denn dafür benötigte man ein Herz.

Und das hatte er nicht.

Am Ende gab es keine Hoffnung mehr.

Niemand würde mich retten.

Ich würde nicht sterben und auch würde es kein schnelles Ende geben.

Die Klinge, die in meine Haut eindrang, war zu meinem Alltag geworden.

Er hatte mich gebrochen.

Er hatte mir mein Leben genommen.

Er hatte meine Seele getötet.

365 Tage.

365 Schnitte.

365 Versuche es zu finden.

Er fand es.

Aber er hätte nicht erahnen können, was er da fand.




𝑺𝒌𝒂𝒅𝒊 - 𝑳𝒐𝒔𝒕 𝒊𝒏 𝑫𝒂𝒓𝒌𝒏𝒆𝒔𝒔 ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt