Kapitel 44 - Misstrauen

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Skàdi trat einen Schritt näher an das große Bett, in dem eine alte Frau mehr lag, als saß. Deren stahlblauen Augen waren fest auf sie gerichtet und musterten jede ihrer Bewegungen. Skàdi suchte nach Anzeichen von Angst, die ihr eigentlich entgegentreten sollten. Doch es gab keine. Ihr Blick war kalt, emotionslos und so, stand es außer Frage. Es waren dieselben Augen, in die sie 365 Tage gestarrt hatte. Dieselben Augen, die ihr diese Narben und Fähigkeiten verpasst hatten.

In dem Moment, als Skàdi den Mund öffnete, tauchten Milano, Alice, Silas und Tamo wieder in dem Raum auf und stellten sich im Halbkreis hinter ihr auf. Alle starrten auf die Frau, die scheinbar bewegungsunfähig in einem Krankenbett vor ihnen lag. Skadi ignorierte das Eintreffen und so sprach sie.

»Wer bist du?«, fragte Skàdi.

Die alte Frau lachte. Leise, aber dennoch zeigte es, dass sie tatsächlich keinerlei Angst hatte. Auch sie ignorierte die anderen und konzentrierte sich nur auf Skàdi. Ihr faltiges Gesicht zeigte, dass das Leben sie mehr als gezeichnet hatte. Sie sah müde und abgekämpft aus und dennoch, in ihren Augen funkelte der Wille des Lebens.

»Du kennst die Antwort doch schon lange«, gab sie zurück.

»Du bist seine Mutter. Die Mutter, die dieses Monster von Mensch, auf die Welt gebracht hat.«

Milano und Alice schluckten und auch Tamo und Silas verstanden es diesmal sofort. Vor ihnen lag die Mutter von Nobody und so war das Nicken, der alten Frau nur noch belanglos.

»Das bin ich wohl, wobei er ein normales Kind war, als er auf die Welt kam.«

Skàdi lachte auf, bei der Vorstellung, dass Nobody jemals normal gewesen sein konnte. Aber das würde eine Diskussion hervorrufen, die zu keinem Ergebnis kommen würde. Es gab andere Fragen, die dringend eine Antwort benötigten.

»Was willst du von uns? Warum sind wir hier? Und vor allem, wo steckt diese Ansammlung von Müll? Ist er hier?«, fragte Skàdi.

Wieder lachte die alte Frau und schob sich ein kleines Stück nach oben, während sie ihr Gesicht schmerzhaft verzog. Schwer atmend sah sie wieder zu Skàdi.

»Du redest nicht gern um den heißen Brei, oder?«

Der wütende Blick von Skàdi war wohl Antwort genug.

»Ich will euch helfen. Ihr seid hier, damit ich euch diese Hilfe geben kann. Und nein, mein Sohn ist nicht hier und ich weiß auch nicht, wo er sich aufhält.«

Skàdi fand keine Anzeichen von Lügen in ihrer Stimme oder in ihrer Mimik, trotzdem hatte sie kein gutes Gefühl dabei. Sie ließ ihren Blick zu Alice und Milano schweifen und sie zeigten ihr dasselbe.

»Wir sollten verschwinden«, sagte Milano.

Alice nickte.

»Seh ich genauso.«

Skàdi sah zurück zu der alten Frau.

»Ja, ich schließe mich den beiden an. Danke für nichts und ein fröhliches Lebensende.«

Damit wandte sie sich ab von ihr und sofort liefen alle in Richtung der Tür, als die ältere Frau erneut das Wort ergriff.

»Ihr wollt keine Antworten? Und keinen Weg, um meinen Sohn aufzuhalten? Gut, dann viel Spaß beim Sterben.«

Natürlich trafen ihre Worte genau da, wo sie treffen sollten. Sie suchten alle schon seit Jahren nach Antworten. Sollte ausgerechnet sie, diese haben? Alice und Milano sahen sich an. Skàdi starrte an die Wand vor sich und nur Tamo brachte ein paar Worte über die Lippen.

»Ihr sucht doch nach Antworten. Na, und wenn es sich als Fehler herausstellt.«

Er sah zu Skàdi.

»Du kannst sie doch ohne Probleme töten. Ich meine, sie sieht nicht aus, als hätte sie irgendwelche Mächte.«

𝑺𝒌𝒂𝒅𝒊 - 𝑳𝒐𝒔𝒕 𝒊𝒏 𝑫𝒂𝒓𝒌𝒏𝒆𝒔𝒔 ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt