✵☽︎ NACHT 1 ☾︎✵

21 2 0
                                    

Ein Schrei ertönte aus dem Haus der Bürgermeisterin. Ich fuhr aus meinem Bett. Voller Angst, nahm ich die Petroleumlampe und meinen Mantel und lief hinaus auf die Straße. Albertine, die Vertreterin der Bürgermeisterin, schrie angsterfüllt aus dem Fenster. Ich lief zu ihrem Haus und stürmte die Treppe hoch, zum Schlafzimmer. »Was ist passiert?«, rief ich, kurz bevor ich den zerfleischten und blutüberströmten Körper der Alice de Chagny sah. »Die Frau Bürgermeisterin, Alice, sie... Sie würde angegriffen. Von einer Bestie.«, antwortete sie mit Tränen in den Augen, während ich vorsichtshalber nach Alice' Puls tastete, welcher nun jedoch nicht mehr vorhanden war. Ich nahm ihre Decke und legte sie über den verunstalteten Körper. »Du sagtest eine Bestie. Was hast du gesehen?«, fragte ich sie nun.
»Ich weiß es nicht. Es sah aus wie ein Wolf, aber es war so groß, wie ein Mensch. Ich kam ins Zimmer, nachdem ich merkwürdige Geräusche hörte und da sah ich diese Gestalt.«
»Beruhige dich erstmal! Ich werde nun den Abbé aufsuchen und herbestellen, um die Aussegnung durchzuführen. Wenn du möchtest, kannst du die Nacht über bei mir bleiben. Dort ist es sicher. Und ich würde dir empfehlen, direkt morgen früh eine Dorfversammlung einzuberufen.«
»Mach ich. Und dein Angebot nehme ich gerne an.«, flüsterte sie, immernoch schluchzend.
Ich nahm sie in den Arm, um sie vorerst zumindest ein wenig zu trösten, griff nach der Lampe und brachte Albertine in das Gästezimmer meines Hauses, wo sie sich direkt in das Bett legte.

Nun nahm ich mir meinen Mantel, da es doch recht kalt draußen war und ging - immer meine Lampe vor mich haltend - zum Pfarrhaus, direkt neben der Dorfkirche am Ende der Straße. Ich klopfte gegen die Tür, doch nichts passierte. Einen Moment später versuchte ich es erneut und nun ertönte ein müdes Stöhnen hinter der Tür. Der alte Abbé Michel schaute schlaftrunken durch den schmalen Spalt, der sich nun zwischen Tür und Rahmen gebildet hatte. »Monsieur Dumont, wie kann ich ihnen zu solch später Stunde helfen?«, flüsterte er.
»Könnte ich vielleicht drinnen mit ihnen weiterreden? Hier draußen sind wir nicht sicher« Zuerst sah er mich verdutzt an, doch dann bat er mich hinein.
»Also, was kann ich für sie tun?«, fragte er erneut, diesmal jedoch deutlich wacher und angespannter.
»Madame de Chagny ist tot! Sie wurde auf brutalste Weise ermordet!«
»Oh, Herr erbarme dich. Haben Sie bereits den Doktor benachrichtigt? Die arme Frau!«
»Die Aussegnung; könnten Sie sie durchführen?«
»Natürlich! Die Aussegnung. Ich werde mich sofort auf den Weg machen!« Zutiefst verstört stand der Abbé auf und sammelte alle wichtigen Dinge zusammen. Zuletzt nahm er seinen Mantel vom Haken und begleitete mich, vollgepackt mit seiner Bibel und noch einigen andere Dingen, nach draußen. Gemeinsam gingen wir die Hauptstraße entlang, bis wir an der kleinen Gasse ankamen, in der das Haus des Doktors lag.

Wie bereits beim Abbé, klopfte ich an die Tür des Doktors, doch dieser war scheinbar bereits wach. »Monsieur, ist etwas passiert? Ich hörte vor kurzem einen Schrei.«, sagte er, nachdem er seine Tür öffnete.
    »Die Bürgermeisterin wurde ermordet. Der Abbé ist bereits auf dem Weg.«
    »Was? Sind Sie verrückt? Die Leiche darf nicht berührt werden.«, fuhr er mich an. Er nahm seinen Koffer, der direkt neben der Tür stand, und rannte an mir vorbei, auf die Straße.

Das DorfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt