Die Tränen der Nacht

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Ich rannte, rannte so schnell mich meine Beine tragen konnten. Dort, in den dunklen, verlassenen Gassen stand sie, in dem Regen, in ihren durchnässten Klamotten. Ihr Blick war leer, lebslos, ohne jegliche Hoffnung. Ihr Augenlicht wandte sich dem Boden zu. Ihre Augen waren durchnässt, sie hatte geweint. Doch durch den Regen war ihr ganzes Gesicht ein Wasserfall. Sie blickte auf und ihr kalter, undschuldiger Blick traf mich. Ich stoppte mit meinen schnellen Schritten. Tränen liefen mir über die Wangen. Ohne auch nur einen klaren Gedanken zu fassen holte ich mit meiner durchnässten Hand aus und traf sie an ihrer schon geröteten Wange. Bevor sie ihre Finger über die schmerzende Stelle streichen konnte, breitete ich meine Arme auf und schließ sie in eine große Umarmung. Sie war schwach. Tat gar nichts, ließ alles zu. Mehr Tränen überschwammen meine Sicht. Ich schluchzte, weinte so viel wie ich es nie getan hatte. Ihre kleinen, dünnen Arme erwiderten zögerlich die Umarmung.

Es gab nur uns zwei in diesem Moment. Sie war so zerbrechlich, ängstlich, zerstört. Nicht so wie ich sie kannte. Sie war immer stark, ohne Furcht und taff. Ich kenne sie nicht. Ich kenne nur das, was ich kennen will. Meine Arme umschlungen ihr dünnes Dasein und ich drückte ihren leblosen Körper immer näher an mich. Ich weinte einen Wasserfall. Doch sie, sie verzog keine Miene mehr. Sie war zu schwach um irgendeinen Gesichtsmuskel zu bewegen.

Ihre kleinen dünnen Arme sanken langsam von meinem Körper hinunter, bis sie schlaff an ihrem Körper hangen. Meine Arme lösten sich langsam von ihren durchnässten Klamotten. Ihr steifes, taffes Gesicht war zurückgekehrt. Keine Emotionen, keine Liebe, rein gar nichts konnte ich in ihren Augen erkennen.

"Lass es zu." flüsterte ich. Meine Worte waren von dem lauten Regen kaum zuhören, der Wind heulte. Sie sagte nichts, verzog keine Miene. Ich sank vor ihr auf die Knie, war zu schwach zum stehen, war zu schwach das alles zu verkraften. Meine Knie schmerzten, doch ich spürte einen anderen Schmerz, einen viel größeren, der mein Herz beraubte und es zusammenzog.

"Bitte." flehte ich sie an. Meine Stimme klang heulend, traurig und zerbrechlich. Ihre Lippen öffneten sich, als wolle sie etwas sagen, doch aus ihrem Mund kam nur ihr leiser Atem. Ich kann nicht mehr, kann es nicht ertragen sie so zu sehen. Sie spielt mit mir, mit meinen Gedanken, mit meinen Gefühlen. Das ist nicht fair. Niemals war etwas fair.

Sie streckte ihre Hand aus und tätschelte mir leicht auf meinen Kopf.

"Lebe wohl. Ich liebe Dich." dann drehte sie sich wie in Zeitlupe um und verließ die dunklen Gassen.

Meine Vanessa.

8 Wörter für den TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt