Das Leben besteht nicht nur aus Glückund Genuss, sondern eben auch aus Leid und Schmerz. Diese Erkenntnisist zwar nicht ganz neu, aber für den richtigen Umgang hiermit gibtes leider immer noch keine Patentlösung. Die Lösungsansätzenamhafter Philosophen (Sokrates, Platon, Aristoteles, Epikur, Kant,Kamlah) findet man von der Antike bis in die Moderne. Letztlich gehtes um die Frage: Wie kann man Glück finden und Leid vermeiden, alsoeinen Zustand der Glückseligkeit erlangen?
Von allen guten Geistern
Aber allen philosophischen Konzeptengemeinsam ist die Entwicklung einer Ethik der Glückseligkeit, dieman mit dem Begriff der Eudaimonieaus der griechischen Antikegleichsetzen kann. Die Eudaimonie meint wörtlich „mit einem gutenDämon (Geist) verbunden (beseelt)". Die antiken Lehren gehen davonaus, das die Glückseligkeit das definierte Ziel aller Menschen sei.Dabei gehen natürlich bis heute die Meinungen auseinander, wie dieszu erlangen ist. Ich möchte im Folgenden den Ansatz von Epikurherausstellen, da er mir am vielversprechendsten im Hinblick auf dieaktuellen Probleme erscheint.
Raus auf's Land
Man muss man sich zunächst einmal diedamaligen Lebensverhältnisse 341 – 270 v. Chr. vergegenwärtigen,um Epikurs Konzept von Glückseligkeit „Eudaimonie" zu verstehen.Das Leben war hart und grausam. Kriege, Krankheiten und Kastrophengehörten zum Tagesalltag. Die meisten Menschen waren sehr arm undihr Schicksal ungewiss. Um dieser Misere in der Stadt zu entfliehen,zog Epikur mit seinen Kumpels auf das Land. Dort wollte er ein Lebenin Selbstgenügsamkeit (Autarkie) und Sorgenlosigkeit (Ataraxie)führen. Klingt irgendwie modern, wenn man an die heutigen,zahlreichen Kommunen auf dem Land denkt, die auch ein alternativesLeben in Selbstversorgung und Freiheit suchen.
Schluss mit den Sorgen
Epikur wird gerne mit einem besonderslustvollen und ausschweifenden Leben in Form des Hedonismus inVerbindung gebracht. Das dies nicht richtig ist, versuche ich inmeinem nächsten Blog Genusstrainingdarzulegen. Das Gegenteil ist derFall. Es ging Epikur um Selbstgenügsamkeit durch die einfachenGenüsse und Freuden. Der ausgeglichene Gemütszustand, frei vonSorgen, Ängsten und Nöten war ihm und seinen Schülern das höchsteGut. Diesen Zustand nannte er "Ataraxie" (frei aus demgriech. „ohne Emotionen"), was unserem heutigen Begriff von„Coolness" wohl am nächsten kommen würde. Das Konzept derAtaraxie lässt sich mit folgenden Kernpunkten umschreiben:
1. die Götter kümmern sich nicht umdie Welt,
2. der Tod spielt für Menschen keineRolle, denn wenn er eintritt, sind sie nicht mehr da,
3. natürliche Bedürfnisse, die Unlustvermeiden, wie z. B. Hunger, Durst, Freundschaft sind erfüllbar,
4. die meisten Schmerzen sind geringausgeprägt und dauern nur kurz.
Das kann man wohl so unterschreiben.Nur wie kommt man zu dieser „Coolness" und ist diese überhaupterstrebenswert?
Her mit der Freude
Diese Ataraxie erreiche man durch dieSteigerung der Lust und Freude durch Verzicht auf Schmerz und Leiddurch die vernünftige Einsicht und der Verzicht auf schädlicheBegierden. Diese asketische Tugendhaftigkeit deckt sich absolut nichtmit der allgemeinen Vorstellung von epikureischen Hedonismus. Siebesitzt allerdings keinen moralischen Eigenwert, sondern dient nurzur Steigerung der Lust am eigenen Seelenfrieden. So erfreut sich derGerechte durch seine Tugendhaftigkeit einer inneren Seelenruhe. DerUngerechte muss sich mit seinem schlechten Gewissen plagen. Dieskönnte man so auch als „Seelenhygiene" bezeichnen, sein Gewissenschön rein zu halten.
Aber auch die Furcht besonders vorunvorhersehbaren Ereignisse wie Naturkatastrophen sei unbegründet,da sie sich durch die vernünftige Einsicht in die Unabänderbarkeitder Abläufe aufgrund der willkürlichen Eingriffe höherer Mächte(Götter) erklären ließe. Selbst der Tod hat keinen Schrecken mehr.Da der Mensch keinen Einfluss auf ihn hat, habe es ihn auch nicht zuinteressieren. Denn wenn man Tod ist, juckt es einen ja auch nichtmehr.
Wenn da nicht die Sache mit dem Schicksal wäre
Epikur ist ein Vertreter desatomistischen Materialismus. Aus diesem Grunde kann man ihn alsVordenker der modernen Naturwissenschaft bezeichnen, da er sich vonden mythologischen und religiösen Vorstellungen seiner Zeitgenossenabgrenzt. In einer Welt, die aus Atomen zusammengesetzt ist, könnensich diese frei anordnen. Somit bleibt kein Platz für Götter undIrrationales. Es herrscht der Determinismus der Naturgesetze. Damitist Epikur fein raus. Wenn der Mensch nicht „seines GlückesSchmied" ist, kann er es sich wenigstens in seinem Leben gemütlichmachen. Also seinen Frieden mit dem Unabänderlichen machen und zuinnerer Seelenruhe gelangen. Das hat schon was, aber solcheblasphemischen und ethisch-verwerflichen Lehren konnten natürlichnicht unbeantwortet bleiben. Einer der schärfsten Kritiker desEpikureismus wurde natürlich Immanuel Kant:
"Das "Bewußtsein des Verlassens desgegenwärtigen Zustandes", nicht "der Prospekt desEintretens in einen künftigen", erweckt in uns die "Empfindungdes Vergnügens", welches also die "Aufhebung einesSchmerzes und etwas Negatives" ist. "Vergnügen ist dasGefühl der Beförderung, Schmerz das eines Hindernisses des Lebens".Leben ist ein "kontinuierliches Spiel des Antagonismus vonbeiden". "Also muß vor jedem Vergnügen der Schmerzvorhergehen; der Schmerz ist immer das erste." "Auch kannkein Vergnügen unmittelbar auf das andere folgen; sondern zwischeneinem und dem anderen muß sich der Schmerz einfinden." "DerSchmerz ist der Stachel der Tätigkeit, und in dieser fühlen wirallererst unser Leben; ohne diesen würde Leblosigkeit eintreten."(Immanuel Kant:"Gefühle - Gefühlsphilosophie" IV 154 f.).
Aber wie dies zu konkreten"Glücksmomenten" im Leben führen kann, habe ich in einemweiteren Aufsatz versucht zu beschreiben(https://philosophies.de/index.php/2020/09/04/gluecksmomente/).
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Glückseligkeit - Lösungsansätze der Philosophie
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