Kaminzimmer

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Viel zu lange schon starrt er in sein Weinglas; beobachtet wie die Eiswürfel langsam schmelzen und ihm seinen edlen Cognac verwässern. Er bewegt das Glas ein wenig hin und her. Die Eiswürfel schlagen leicht gegen die dünne Wand des Glases. Das klingende Geräusch welches dabei entsteht lässt ihn kurz hoffen, dass das Glas zerrspringt. Vielleicht würde eine Scherbe ihm in den Finger schneiden und ein wenig Blut auf den weißen Teppich tropfen. Dann hätte er wenigstens einen Grund ihn mal wieder reinigen zu lassen. Seit Wochen ist er schon sauber, kein einziger Fleck verschandelt das perfekte Bild eines Kaminzimmers. Und auch der Rest des großen, und doch recht leeren Zimmers ist ordentlich. Vor dem Kamin stehen zwei dunkelrote Armlehnen Sessel, an den Wänden stehen einige Regale mit den Büchern, die nicht mehr in die Bibliothek passten, über der Tür hängt ein großes Hirschgeweih - eine alte Trophäe seines Vaters - und eben der Teppich. Manchmal scheint es ihm, als würde seine Farbe das Licht des Feuers, welches im Kamin knistert, reflektieren und ihn blenden. Endlich blickt er doch von seinem Weinglas -->beschreiben der Flucht aus der perfekten Welt! auf und schaut neben sich auf den leeren Sessel. Niemand hat dort je gesessen. Lange schon hat er vergessen für wen er ihn eigentlich gekauft hatte. Vielleicht weil es ästhetischer als ein Sessel ist. Oder aber er hoffte damals, dass eines Tages mal eine geliebte Person dort an seiner Seite sitzen würde. Seine Miene verzieht sich ein wenig. Gehässig schaut er auf den leeren Sessel. Diese Hoffnung hatte er schon lange verloren. Liebe passt nicht in sein Leben, würde sie doch nur seine Ordnung zerstören. Was hat Liebe ihm schon jemals gebracht? Sie bringt dich nicht weiter, sondern festigt dich im status quo, oder schlimmer noch, sie bringt durcheinander, was man sich durch harte Arbeit aufgebaut hat. Und er hatte sich doch so viel aufgebaut. Nur ihm allein und seinem ständigen Streben hatte er es zu verdanken, dass sein Leben ein einziger Erfolg ist. Wie früh schon verdiente er seine erste Millionen, kaufte das große Anwesen und erfreute sich an teuren Autos und dem schönen Flügel im Wohnzimmer. Klavier spielen hatte er nie gelernt, würde es doch zu viel seiner kostbaren Zeit einnehmen. Wieder starrt er in sein Glas. Die Eiswürfel waren inzwischen vollständig geschmolzen. An der glatten Oberfläche des Cognac spiegelt sich sein Gesicht. Kurz mustert er sich selbst. Seine Gesichtszüge sind hart. Als wären seine Wangen und Kinn aus Stein gemeißelt. Seine Haare hängen ihm ein wenig vor die Augen wenn er sich so über sein Glas beugt. Als er dieses hin und her bewegt und der Cognac mit schwingt und die Spiegelung verzerrt huscht ein leichtes Lächeln über seine Lippen. Er schaut wieder von seinem Glas auf. Es schien ihm fast, als würde das Kaminzimmer mit seinen hohen Decken und  Wänden über ihm einstürzen und ihn in seiner Leere begraben. Um ihn herum war es still. So still, dass er das Rauschen seines Blutes hören konnte. Er hasste dieses Geräusch, war es doch sein stetiger Begleiter. Es erinnerte ihn immer daran, dass auf dem Sessel neben ihn nach all den Jahren noch nie jemand saß. Seine Kollegen und Geschäftspartner saßen stets im Arbeitszimmer auf einem weichen grauen Schreibtischstuhl. Von der Türklingel wird er aus seinen Gedankengerissen. Das Blut hört auf in seinen Ohren zu rauschen. Behutsam stellt er das Weinglas auf den hölzernen Beistelltisch, bevor er sich erhebt und langsam durch den Korridor zum Eingang geht. Vor der Tür steht ein Mann, ebenfalls mittleren Alters, in einem grauen Anzug. In seiner Hand eine elegante schwarze Aktentasche. Passend zum Anzug trägt er dunkle Lackschuhe und eine Brille. Auf seinem Gesicht sitzt ein gezwungenes Lächeln. Nur ein weiterer Mensch, den er auf den weichen, grauen Schreibtischstuhl im Arbeitszimmer setzen wird, während sein Cognac im Kaminzimmer langsam warm und ungenießbar wird.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 09 ⏰

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