Als Joyce ihren Namen hörte sprang sie ohne zu zögern auf und folgte dem Anzugträger Richtung Krankenzimmer. Still lief sie hinter ihm her. Sie musterte dabei seine breiten Schultern und bewunderte seinen tadellosen schwarzen Anzug. Die Hosenbeine waren auf die perfekte Länge gekürzt, der Stoff schien edel und schimmerte leicht unter dem Licht der Neonröhren.
Sie fragte sich ob es nicht unbequem sei den ganzen Tag so einen Anzug tragen zu müssen und dabei kam ihr ihre ältere Cousine in den Sinn. Sie arbeitete bei einer Versicherung und lief auch dauernd so professionell gekleidet durch die Gegend.Ihre Gedanken waren aber nur von kurzer Dauer, denn kaum bogen sie um die Ecke ab, kam ihnen schon die offene Tür des Krankenzimmer entgegen. Joyces Herzschlag verdoppelte sich in diesem Moment und sie merkte wie auch ihr Magen sich unruhig meldete. Was war wohl das Gegenteil davon Schmetterlinge im Bauch zu haben? Vielleicht ein Schwarm Wespen? So hätte Joyce nämlich das nervöse Gefühl beschrieben welches sie in diesem Augenblick verspürte. So nervös war sie normalerweise nur bei Vorträgen.
Der Herr der sie im Klassenzimmer abgeholt hatte machte eine kurze Geste mit der Hand in Richtung Stuhl und Joyce setzte sich. Ein seltsames Gerät befestigten sie an ihrem linken Handgelenk, welches einem Blutdruckmessgerät sehr ähnelte, zumindest optisch gesehen.
Die beiden Herren starrten auf den Bildschirm eines Laptops, das mit dem seltsamen Gerät verkabelt war. Notizen wurden gemacht, Werte wurden analysiert und Blicke wurden ausgetauscht. Während all dies geschah war es vollkommen ruhig in dem Zimmer und Joyce wusste nicht ob sie etwas sagen sollte um die Stille zu brechen. Gerne hätte sie gewusst wie dieses Gerät genau funktioniert und auf was für Werte die beiden Männer achten.Sie bemerkte wie sich der Bildschirm in der Brille von einem der Männer spiegelte und versuchte irgendetwas zu erkennen, jedoch war die Spiegelung verkehrt und viel zu klein gewesen. Und selbst wenn sie die Daten auf dem Bildschirm erkannt hätte, so wäre sie mit den ganzen Zahlen nie auf eine logische Schlussfolgerung gekommen.
Die stille Analyse der Daten ging noch einige Minuten so weiter, bis ein kleines Licht am Gerät aufleuchtete. Dies signalisierte das Ende der Messung. Die Herren bedankten sich bei Joyce und entfernten das Messgerät von ihrem Handgelenk. Joyce versuchte irgendetwas an der Gestik oder der Reaktion der Männer zu erkennen, jedoch liess sich aus ihren Mienen nichts herausschliessen. Der gleiche Herr, der sie abgeholt hatte, begleitete sie nun wieder zurück ins Klassenzimmer und der nächste Schüler folgte ihm still zu der Kontrolle.
Prish flüsterte ihr aufgeregt zu und fragte gespannt ob etwas aussergewöhnliches passiert sei, jedoch gab Joyce ihr die gleiche Antwort wie alle anderen Schüler. Eine stille Analyse, nichts aussagende Blicke und das rote Licht, welches das Ende der Messung anzeigt. Niemand wusste woran man eine besondere Messung erkennt, aber alle gingen davon aus, dass die Reaktion der Herren bei besonderen Werten anders sein musste.Joyce konnte dieses Gefühl der Enttäuschung nicht ignorieren. Sie hatte schon einige Kontrollen hinter sich, diese fingen nämlich ab dem zehnten Lebensjahr an. Bei keiner der zuvor durchgeführten Analysen war etwas besonderes passiert aber dennoch hoffte Joyce bei jeder neuen Messung auf eine andere Reaktion. Ihr kindlicher Traum von magischen Kräften erschien ihr in diesem Moment als sehr naiv und unrealistisch. Wie jedes Jahr hatte sie sich falsche Hoffnungen gemacht. Dass sie nichts besonderes war, hätte sie sich denken können.
Der restliche Tag verging nur schleppend voran. Immer wieder schweifte Joyce mit ihren Gedanken ab. So niedergeschlagen fühlte sie sich schon lange nicht mehr. Sie dachte an das Krankenzimmer und versuchte dabei sich an jedes kleinste Detail zu erinnern. Das seltsame Messgerät an ihrem Handgelenk und wie schwer es ihr erschien, ihre eigene Atmung die sie zu kontrollieren versuchte und die beiden Herren dessen Gesichtszüge nur schwer zu lesen waren.
Sie stellte sich vor wie die beiden Herren überrascht auf den Bildschirm zeigten, wie sie ihr mitteilten, dass sie besondere Kräfte besitzt und wie sie mit ihr zurück zum Klassenzimmer liefen um dies sogleich der gesamten Klasse zu berichten. Sie stellte sich vor wie Prish aufgeregt jubelte und wie stolz ihr Lehrer Mr.Brown wohl sein würde. Eine seiner Schülerinnen besitzt magische Kräfte? Dies musste auch sein Traum sein. Bei dem Gedanken hoben sich Joyces Mundwinkel und ihr Herzschlag erhöhte sich leicht. Wenn es doch nur so abgelaufen wäre. Dann könnte Joyce aus ihrem öden Leben ausbrechen. Sie könnte den anderen zeigen, dass mehr in ihr steckte als nur ein zurückhaltendes Teenie Mädchen, doch es wollte wohl nicht so sein. So viel sie wusste war bisher noch nie jemand aus ihrer Schuler entdeckt worden. Joyce musste zugeben, es hätte sie auch überrascht wenn auch nur ein einziger Schüler an ihrer kleinen Schule magische Kräfte besitzen würde.Sie kam aus einer unscheinbaren, ländlichen Gegend. Wo sie wohnte gab es nichts besonderes, mal abgesehen von Maisfeldern, Kornfeldern und so weiter. Sie liebte zwar ihr Dorf, die Berge welche von November bis März mit Schnee bedeckt waren und die Bewohner die sie alle beim Namen kannte. Trotzdem sehnte sie sich nach etwas neuem, nach einer Veränderung in ihrem Leben. Sie gab es nie zu aber innerlich hatte sie das Gefühl anders zu sein. In ihr war diese Unruhe, die nach Veränderung schrie. Vielleicht setzte Joyce deswegen so viel Hoffnung in die jährlichen Kontrollen. Wenn sie magische Kräfte hätte, dann gäbe es wenigstens einen Grund für diese innerliche Unruhe.
Doch Joyce wusste, dass das mit den Kräften reine Zeitverschwendung war. Die Enttäuschung war nach wie vor gross, aber sie musste sich zusammenreissen. Es würde ihr schliesslich nichts bringen einer Version von ihr nachzutrauern, die gar nicht existierte.
Das Ende des Tages war eine willkommene Erlösung für Joyce. Noch lange lag sie in ihrem Bett und versuchte dabei nicht an die Organisation Nova zu denken. Natürlich ohne Erfolg. Immer wieder drehte und wendete sie sich unter ihrer Bettdecke, schüttelte das Kissen auf und kniff ihre Augen fest zu. Es dauerte einige Stunden doch irgendwann wurde sie doch noch von ihrer Müdigkeit eingeholt. Auch in ihren Träumen würde sie Nova nicht entkommen können, doch ihr Unterbewusstsein schuf wenigstens eine Traumwelt, in der sie etwas besonderes zu sein schien. In Ihrem Träumen verwandelte sich ihre innere Unruhe in pure Energie, in Ferninfrarotstrahlen mit denen sie Gegenstände durch die Luft schweben liess und auch sie fühlte sich plötzlich ganz leicht und zufrieden.
Was Joyce am nächsten Morgen nur für einen albernen Traum hielt, würde sich jedoch bald in weitaus mehr entwickeln. Sie wusste es zwar noch nicht, doch hinter ihrer inneren Unruhe stecke noch viel mehr als sie es sich jemals hätte erahnen können.

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Nova - Die Kraft in dir
FantasyMagie, Magier und Hexen. Alles nur Märchen? Was für einige vielleicht nur Geschichten sind, ist für die 17 Jährige Joyce pure Realität. Sie hat vor kurzem erfahren, dass sie magische Kräfte besitzt. Sie muss die Schule wechseln und ihre Familie hint...