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1 | defensive zone

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KADE

Es gibt Tage, die könnte man einfach aus dem Kalender streichen – und heute ist so ein Tag.

Ich will diesen Tag vergessen, ihn ungeschehen machen, denn dann könnte ich vielleicht so tun, als wäre sie noch hier.

Meine Finger schließen sich fester um den Bilderrahmen in meiner Hand, auf den ich bereits seit einer Viertelstunde starre. Meine Mutter ist blass, ihr Körper ausgemergelt, das einst volle, kräftige blonde Haar hängt ihr in stumpfen Strähnen über die Schultern.

Vor fünf Jahren ist dieses Foto entstanden. Vor zwei Jahren ist sie gestorben.

Aber anstatt an ihrem Todestag an ihrem Grab zu stehen und ihr zu sagen, wie sehr ich sie vermisse, sitze ich siebenhundertfünfzig Meilen von Boston entfernt an der Miltan University in Michigan und versuche immer noch, es in die NHL zu schaffen.

Was einmal mein Zuhause war, wird mir immer fremder und manchmal habe ich Angst, es zu vergessen. Nicht mal an Weihnachten war ich dort. Stattdessen saß ich in meinem Studentenzimmer mit meinem Handy vor dem Gesicht, um mit meiner Familie per FaceTime zu feiern.

Die Idee hatte mein vier Jahre jüngerer Bruder Dallas. Er hat es gut gemeint und Dad war sofort begeistert, aber am Ende habe ich es einfach nur gehasst. Und ganz ehrlich, ich glaube, die beiden haben es nicht weniger gehasst. Natürlich haben sie so getan, als würden sie es toll finden, dass ich auf diese Weise mit ihnen feiern kann. Doch eigentlich war es nur ein pausenloses vor Augen führen, dass ich nicht bei ihnen bin. Hätte ich einfach allein in meinem Zimmer gesessen, hätte ich zumindest so tun können, als wäre es ein ganz normaler Tag, wie jeder andere auch.

Es ist genau wie heute. Es ist der Todestag meiner Mom, doch trotzdem wird alles wie immer sein. Ich werde zu meinen Vorlesungen und zum Training gehen, zwischendurch noch eine Schicht im Restaurant arbeiten.

Ein ganz normaler Tag für mich. Denn es interessiert den Professor nicht, dass um die Zeit, in der ich gleich in seiner Vorlesung sitze, vor zwei Jahren der Anruf vom Krankenhaus kam, dass wir kommen sollen, um uns zu verabschieden. Es interessiert die Gäste in dem Restaurant nicht, dass, während ich ihnen ihre Bestellung bringe, meine Mutter vor zwei Jahren ihre Augen für immer geschlossen hat und im Training wird keiner wissen, dass vor zwei Jahren der schlimmste Tag meines Lebens war.

***

Ich bin es seit Jahren gewohnt, in Drucksituationen Leistung bringen zu müssen. Egal, was mit mir los war, ich musste funktionieren. Und genau das tue ich auch heute.

Nach außen hin würde niemand auf die Idee kommen, dass heute kein normaler Tag ist. Doch mich erschöpft es. Es laugt mich aus und als das Training endlich vorbei ist, will ich nur noch auf mein Zimmer verschwinden.

Die anderen Jungs um mich herum unterhalten sich und lachen, während ich still meine Hockeykleidung ausziehe. Obwohl ich mit keinem von ihnen wirklich befreundet bin, mag ich mein Team. Die Jungs sind großartig und hätte ich ein Sozialleben, würde ich einige von ihnen gerne zu meinen Freunden zählen.

Ich isoliere mich nicht komplett. Hin und wieder unternehme ich etwas mit dem einen oder anderen. Leider viel zu selten, als dass sich daraus eine echte Freundschaft entwickeln könnte. Aber ich habe weder die Zeit, um öfter etwas zu unternehmen, noch das Geld für überteuerte Getränke in einer Bar.

Doch auch wenn es heute vielleicht einen anderen Eindruck macht – ich komme klar. Es ist, wie es ist und es macht keinen Sinn, davon zu träumen, dass es anders wäre.

***

Frisch geduscht und angezogen, mache ich mich auf den Rückweg. Mein Zimmer befindet sich in einem der Wohnheime, in denen viele der Studenten leben.

Coast to Coast (Miltan University 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt