Hinab in die Grube

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Es waren Männer, Frauen und sogar Kinder, die sich mit entschlossenen Schritten in ein riesiges, bodenloses Loch stürzten.

Begleitet wurden sie dabei von choralen Gesängen der vermummten Gestalten auf den Rängen links und rechts dieser gigantischen Höhle, in der wir uns befanden. Überall flackerten Kerzen hektisch hin und her und warfen gespenstische Schatten an die Wände.

Die Auserwählten, wie der Hohepriester sie nannte, traten vor eine Greisin, die mit knochigen Händen ihre Köpfe zu sich heranzog und sie auf die Stirn küsste. Dabei murmelte sie für mich unhörbare Worte, während einige andere in tiefe Gebete versunken zu sein schienen.

Dann trat einer nach dem anderen über den kleinen Vorsprung und verschwand in der Dunkelheit.

Niemand zögerte, niemand versuchte dieses grauenhafte Spektakel aufzuhalten. Im Gegenteil, sie trieben sich regelrecht gegenseitig an.

Ich saß auf einem Stuhl auf einer Art Podium zur rechten Seite des Hohepriesters. Die Fesseln waren so fest geschnürt, dass meine Hände und Füße zu kribbeln begannen. Doch selbst wenn ich gekonnt hätte, hätte ich mich nicht bewegt. So sehr war ich von diesem schrecklichen Alptraum, der sich hier abspielte, geschockt.

Auf der linken Seite saß meine Kollegin. Auch sie war eine Gefangene wie ich. Den Kopf auf der Brust, hörte ich sie schluchzen. Ihre Schultern bebten auf und ab und Tränen hatten ihren Mascara verschmiert. Zwischen uns saß der Hohepriester dieses schrecklichen Kultes und zelebrierte den Massensuizid seiner Anhänger.

Mit in die Höhe gereckten Händen trieb er die Menschen weiter an.

„Bald ist es soweit. Bald ist unser Gott stark genug, um aufzuerstehen und diese Welt von allen Lastern und Frevlern zu befreien. Mit jedem eurer Opfer wird er stärker und ihr beweist damit, dass ihr das Gute, das Richtige für diese Welt wollt. Weiter! WEITER!"

Wie auf einem Fließband stürzten sie sich, ohne ein Geräusch von sich zu geben, in die Schwärze.

Als der letzte fiel, verstummte der Chor und eine gespenstische Stille breitete sich in der Höhle aus.

Ich wagte kaum zu atmen. Für einen Moment hoffte ich, dass das alles nur ein böser Traum war, als der Priester sich erhob und seine sonore Stimme durch die Höhle hallte.

„Es ist beinahe vollendet. Ein kleines bisschen noch und der Herrscher wird aus der Finsternis auferstehen und diese Welt reinigen. Es bedarf nur noch eines einzigen weiteren Opfers. Eines speziellen..."

Ein hässliches Grinsen zog sich durch sein Gesicht, während sein Blick über seine treuen Anhänger glitt.

„Sie!"

Sein ausgestreckter Zeigefinger schien sich förmlich in die Alte zu bohren.

Ihre Augen weiteten sich vor Schreck. Sie fiel auf die Knie, die Hände schützend vor das Gesicht und flehte um Gnade.

Doch niemand reagierte.

Teilnahmslos verfolgte die Menge, wie sie von zwei kräftigen Männern zum Rand der Grube geschleift wurde.

„Unsere höchste Schamanin soll das letzte Opfer werden. Dann ist es geschafft. ER. WIRD. SICH. ERHEBEN."

Mit diesen Worten hoben die Männer die Frau hoch und warfen sie in die dunkle Grube.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 03, 2022 ⏰

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