2. Kapitel

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Thomas stupst mir mit dem Finger sanft in die Rippen.

„Gehen wir später was trinken?"

Er fragt definitiv nach einem Date.

„Heute habe ich leider den ganzen Tag Kurse. – Morgen?"

Ich sehe das Thomas sich freut. Er ist wirklich ein toller Kerl. Ich hätte es nicht besser treffen können, ein gut aussehender Mann, der genau wie ich eine Faible für Literatur hat. Ich weiß das meine Großeltern ihn lieben würden, würden sie ihn treffen, und Ben wäre froh dass ich mir keinen Traumtänzer wie mich selbst ausgesucht habe. Aber so weit sind wir noch nicht. Noch lange nicht. Erst einmal müssen wir uns kennen lernen. Doch ich glaube ich könnte mich in Thomas verlieben, solange er sich nicht völlig verändert.

Unser erstes Gespräch war hingegen nicht besonders vielversprechend. Er hatte seinen Stift vergessen, am ersten Unterrichtstag, und wollte wissen ob ich ein Leihmodel für ihn parat hätte. Froh das er mich endlich angesprochen hat schlug meine Stimmung sogleich wieder ins Negative. Ich hatte keinen zweiten Stift! Vorbereitung war noch nie meine Stärke. Geistesgegenwärtig bot ich ihm an er könne meine Notizen nach der Stunde kopieren. Doch da zückte bereits eine dickliche Blondie vor uns einen Stift und grinste ihn an wie ein Pferd.

Die restliche Stunde saß er schweigend neben mir, während ich fieberhaft überlegte wie ich ein erneutes Gespräch anfangen könnte. Nach hundert grauenhaften erdachten Szenarien beschloss ich meinen Gesprächsversuch auf nächstes Mal zu verschieben. Besser überlegt handeln als völlig planlos.

Thomas und ich beschlossen uns bezüglich der Uhrzeit noch zu mailen und verabschieden uns in unterschiedliche Kurse. Mein Tag zieht sich in die Länge. Es kommt mir vor als hätte das Universum zwanzig Stunden zwischen mich und meinen Schlaf geschoben.

„Wie war dein Tag?" will Karen wissen als ich unser Zimmer betrete.

„In Ordnung."

„Das ist wahre Begeisterung. – Wie steht es um Thomas?" Sie fragt nach ihm als kämpfe er grad um sein Leben.

„Wir treffen uns morgen."

„Wenn er nur halb so nett bleibt wie er aussieht solltest du ihn behalten."  

Ich schlafe ruhig. Immer. Ich habe nie Albträume. Manche Träume fangen düster an. Ein stürmisches Meer, ein dunkler Wald. Doch sobald ich in meiner Traumwelt verschwunden bin lasse ich die Sonne scheinen, ich lasse das Wasser ruhig werden und aus den dunklen Schatten werden zwitschernde Vögel.

Eigentlich müsste ich am folgenden Tag schläfrig sein von einem achtstündigen Spaziergang durch Wiesen. Doch das bin ich nicht. Schlaf wirkt auf meinem Körper wie bei jedem anderen. Nur meine Träume unterscheiden sich. Mir kommen Träume nicht vor wie kurze Sequenzen an welche man sich kaum erinnern kann. Meine Träume sind eine Parallelwelt in die ich mich jede Nacht flüchte. Wobei eine Flucht nicht nötig wäre. Ich führe ein gutes Leben. Mein Aussehen ist sehr passabel, ich habe eine gute Schulausbildung und besuche das Collage. Familiäre Probleme haben wir keine, ich habe einige gute Freunde und date, seit kurzem, einen anständigen Mann.

Dennoch freue ich mich jeden Abend auf mein zweites Leben. In einem kleinen Büchlein vermerke ich die schönsten Szenen meiner Träume, so kann ich zurückkehren.

Träume bauen sich physisch spürbar in meinem Kopf auf. Der Boden unter meinen Füßen erzittert, die Luft um mich herum vibriert. Ich verhalte mich still bis alles um mich herum Farben und Formen angenommen hat.

Während ich in dieser Nacht den ersten Schritt machen beginne ich meine Welt zu ändern.

Um mich herum ragen große Tannen in den schattigen Nachthimmel. Nebelschwaden wabern um meine Beine. In der Luft hängt der feuchte Duft von Moos. Ich stehe mitten in einem Wald. Während ich mich um meine eigene Achse drehe schiebe ich in Gedanken die dunklen Wolken beiseite und stelle mir Sonnenschein vor. Bedächtig ändert sich das Licht und der Nebel zieht sich zurück. Ich atme durch, der Duft von Blumen liegt nun in der Luft. Sie drücken ihre bunten Köpfchen durch den Waldboden als ich mich auf den Weg mache. Ich will an einen See wandern und durchforste meine Erinnerungen nach einem passenden Bild.

Es dauert nicht lange bis ich eine passende gefunden habe, ein kleiner See mit Steg und Seerosen. Ein Lichtung tut sich in einiger Entfernung auf. 

Plötzlich erzittert der Boden unter meinen Füße erneut. Wolken schieben sich vor die Sonne und innerhalb weniger Herzschläge ist es Nacht um mich herum.

Das ist nicht die Erinnerung die ich vor meinem inneren Auge sehe.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 29, 2017 ⏰

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