Prolog

196 8 0
                                    

Eines Tages, wenn du das hier liest, hoffe ich, dass du etwas machst, was dir gefällt.

Das hoffe ich auch. Ich denke, wenn ich nächste Woche erstmal in der Großstadt lebe, ist das aber auf jeden Fall schon mal ein guter Anfang. Vielleicht.

Du solltest auf jeden Fall hübsch und erfolgreich sein!
Ja, sollte ich.

Ich hoffe, dass du einen Freund hast, den du wirklich liebst. Er sollte groß sein, stark, aber kein Angeber, und heiß, und ein bisschen älter und freundlich und verständnisvoll sein.
Da hat mich ja meine Bescheidenheit bis jetzt echt weit gebracht. Bin ich froh, dass keiner, außer mir, diesen Brief je zu Gesicht bekommt.

Du solltest auf jeden Fall von zu Hause ausgezogen sein und mit deinem Freund in einer schönen, kleinen und schick eingerichteten Wohnung in der Großstadt leben.
Tja. Morgen ziehe ich tatsächlich aus. Zwar nicht mit „meinem Freund", der offensichtlich irgendeiner Boyband angehört, aber wenigstens in die Großstadt. Und ich bin endlich nicht mehr abhängig von irgendwem. Ok, wenigstens nicht mehr abhängig von meinen Pseudo- Super- Eltern, die mir mit meinen mittlerweile 19 Jahren immer noch jeden Schritt meines Lebens vorschreiben wollen.

Die Momente, in denen sie tatsächlich wirklich mal für mich da waren, kann ich trauriger Weise an einer Hand abzählen. Aber damit habe ich schon lange abgeschlossen. Wenn ich ab morgen mehr als 120km weg in meiner eigenen WG mit diesem Mädchen, Fiona, lebe, bin ich frei. Ich glaube, dann fängt endlich mein Leben an.

Aber ganz egal, was in deinem Leben passiert- du darfst Megan niemals aus den Augen verlieren! Ihr lebt am besten direkt in gegenüberliegenden Wohnungen (sie mit ihrem Freund und du mit deinem) und abends trefft ihr euch alle immer bei einem von euch und esst gaanz viel Pizza.
Seit unserem Abschluss vor 3 Monaten hab ich sie nur zwei Mal gesehen. Nachdem Samuel, oder Sääm, wie er sich ja nennt, in ihr Leben getreten ist, ist es nicht mehr dasselbe. Ich hasse diesen Kerl. 8 Jahre waren sie und ich uns so ähnlich und damals hätte ich mir nicht vorstellen können auch nur einen Tag ohne sie auszukommen. Wir sind uns innerhalb kürzester Zeit so fremd geworden, dass mir bei diesem Gedanken fast schon schlecht wird. Und jetzt musste sie ja unbedingt zu IHM ziehen. Er lebt so weit weg von hier, und noch viel weiter weg von da, wo ich hinziehe.

Scheiße. Ich realisiere, wie verloren ich mich eigentlich fühle. Was mache ich eigentlich?

Was stelle ich verdammt nochmal mit meinem Leben an?

Nun weine ich mich doch leise in den Schlaf. Nicht zum ersten Mal. Aber es ist anders. All das Unbekannte, was mir in den nächsten Wochen gegenübersteht macht mir eine Höllen- Angst, die ich mir jetzt erst wirklich eingestehe.

Und ich bin allein. Ich bin nicht gut darin, neue Kontakte zu schließen, oder auch einfach nur sympathisch rüberzukommen. Ich werde nie dieses Leben leben, das ich mir früher so sehr gewünscht habe. Ich kann den Druck in meinem Kopf kaum ertragen.

Panik übermannt mich und ich erdrücke mein Gesicht in meinem Kissen, um meine Hysterie schnell wieder unter Kontrolle zu bringen. Ich beruhige mich wieder. Fast Mitternacht. Meine Familie wird also nichts mitgekriegt haben. Dann fallen mir doch die Augen zu.

Wehe dir, du bist ein Looser. Ich schwöre dir, ich bring dich um, wenn du in ein paar Jahren immer noch ungeküsst irgendwo mit deinen 25 Katzen auf einer Parkbank rumlungerst, weil du pleite und obdachlos bist. Vergeig es einfach nicht. Bitte.

In Liebe, deine May

Hope and DespairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt