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Die riesige Masse an angehenden Studenten wirkte eingeengt im Versammlungsraum noch gewaltiger. Der Raum an sich war zwar gigantisch, aber all die drängelnden Menschen um mich herum lösten in mir trotzdem fast schon Platzangst aus.

Wenigstens musste ich nicht lange nach Nia suchen. Kaum hatte ich den Raum betreten, sprang mich auch schon von hinten ein vertrauter wasserblonder Schopf an, wobei sie Geräusche machte, die einen an ein Meerschweinchen erinnerten.

„May! Auch schon da? Ich hab mir schon voll die Sorgen um dich gemacht!" ihre aufbrausende Art brachte mich irgendwie ständig zum Lächeln. Keine Ahnung warum.

„Jaaa" im Gegensatz zu Nia wirkte ich wie eine Selbstmord-Hotline. Wie konnte sie nur immer so gut drauf sein? „War viel Verkehr auf dem Weg."

„Ach was, egal. Jetzt bist du ja hier. Sag mal, kennst du eigentlich schon Max?" Nia drehte sich mit einem Mal um und zerrte einen großen, schmal gebauten Typen an seinem Arm nach vorne. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass er hinter ihr stand. Mit seinen auffällig schwarzen Klamotten, zusammen mit seiner umgedrehten Käppi auf dem Kopf wirkte er auf mich irgendwie, als käme er gerade von einem Hip Hop - Shisha Treffen. Komplett asozial . Ein hoch auf die Vorurteile.

„Hallo, äh ... May? Du bist dann wohl Nias neue Mitbewohnerin." Ohne, dass ich auch nur ein Wort rausbringen konnte, drückte er mir seine Faust in den Oberarm und wandte er sich direkt wieder Nia zu. „Sorry, ich würde ja gerne noch ein wenig bleiben, aber ich muss los zu meinem Kollegen. Der wird echt aggro, wenn ich den warten lasse."

Irgendwie passte er komplett in dieses Konzept von einem „Bad Boy". Allerdings nicht so ein unfreundlicher, tiefgründiger Mädchenschwarm, wie in diesen ewigen zutiefst romantischen Bad Boy Geschichten, sondern eher ein Bad Boy im Sinne eines ekelhaft schmierigen Vollidioten, der eine Vorliebe für Nutten und Drogen hat.

Wow, warum findet May Hagen nur keine neuen Freunde?

„Na klar, wir sehen uns ja dann am Wochenende." sie nahm ihn einmal fest in den Arm und drückte ihm einen Kuss auf die Wange, knapp neben dem Mund.

Moment mal, war DER Typ etwa Nia's Freund?

Ich wartete kurz bis Max in der Menge verschwunden war und platzte überraschter, als ich klingen wollte heraus „War Das etwa dein Freund, Nia?!"

Der Lärm um uns herum erstickte meine Frage zwar zu einem Flüstern, aber Nia schien dennoch jedes einzelne Wort genau studiert zu haben.

Schnell bereute ich mich meine Frage, als sich Nias Grinsen schlagartig in einen verstörten Blick verwandelten.

„Was!?" sie schaute mich an, wie eine Erstklässlerin, die gerade das Alphabet falsch aufgesagt hatte.

„Nein, ich meine wie kommst du denn darauf?" verdammt, warum war ich nur immer so ein Magnet für Fettnäpchen?

Nia bemerkte wohl meinen dämlichen Gesichtsausdruck und erlöste mich von ihrer Frage. „Nein. Max ist nur ein guter Freund, den ich von ein paar Partys kenne. Aber wo wir gerade schon dabei sind, ich würde zu gerne wissen, wo mein Löwe steckt. Er wollte eigentlich vorbei kommen."

Nia hat bei Kosenamen wohl gar keine Hemmungen. Okay, manchmal ist es ja noch ganz süß, aber Nia macht auf dem schmalen Grat zwischen süß und peinlich echt schon Radschläge. Ich entschließe mich aber für ein anderes Gesprächsthema.

„Oh, du bist also so ein Partygirl?" neckte ich sie, obwohl ich es mir kaum leisten konnte. Auf einer richtigen Party war ich eigentlich noch nie, wobei ich es aber auch ziemlich dämlich finde sich zum Spaß zu betrinken und seine Körper beim Tanzen an andere zu reiben. Vielleicht sollte ich meinem Stock im Hintern mal überdenken.

„Ja, ab und zu. Wieso denn nicht? Oder warst du etwa noch nie auf einer?"

Mist. Ein Volltreffer.

„Ähm... naja eigentlich war ich noch nie so richtig auf einer. Ich finde sowas eigentlich ziemlich bescheuert."

Nias Erstauntheit steigerte sich anscheinend mit jeder meiner Antworten.

„Wow, May, Schatz da haben wir ja doch mehr Arbeit vor uns als ich dachte!" wie konnte Nia nur ständig so selbst- überzeugt sein? Aber dummerweise hatte sie wohl Recht. Ich war schon von Kindheit an immer zurückhaltend und schüchtern. Ich hatte mich ständig an Megan gehängt bis sie sich an ihre große Liebe gehängt hatte. Vielleicht ist der Umzug hier hin wirklich eine Art Neuanfang für mich. Die Chance auf ein echtes Leben.

Grinsend versuchte ich Nia möglichst ironisch ab zunicken. Endlich betrat der Direktor der Universität zu seiner Ansprache die Bühne.



Hope and DespairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt