TW: Selbstmord
Der Himmel war leer.
So wie meine Gedanken, wie meine Gefühle. Und das lange, wie lange kann ich nicht sagen. Je länger aber ich hier saß, desto mehr realisierte ich was geschehen war. Doch immer noch verstrich die Zeit ohne eine Erkenntnis und dabei war das Geschehene unmissverständlich.Ich blickte in den Himmel.
Am Horizont tauchte ein kleiner weißer Strich auf.
Allmählich begannen die letzten Erinnerungen wieder zu kommen. Ein startender Motor, das letzte Geräusch was ganz in mein Ohr drang. Ein silberner Punkt in der Weite, das letzte, was mein Auge vollkommen war, nahm. Der Geschmack von Metall, das letzte, was meine Zunge erreichte. „Ein Sturm wird aufziehen", der letzte Gedanke, den ich klar fassen konnte. Das Gefühl von Verlust, das letzte Gefühl das ich fühlte. Seitdem nur leere. Leere und Einsamkeit.
Während ich langsam die Ereignisse verarbeitete, wurde der Himmel mit weiteren weißen Strichen bedeckt.
Ich zog meine Beine an mich heran und ließ den Kopf darauf sinken. Warum? Warum bist du gegangen?
Der Himmel war inzwischen vollkommen bedeckt.
Werde ich dich je wieder sehen?
Es war nur noch ein helles grau zu sehen.
War ich dir je etwas wert?
Ich spürte einen Wassertropfen.
Doch wo ich ihn spürte, konnte ich nicht sagen. Kam er von oben? Oder kam er von mir? Wie soll man, wenn man nichts mehr sprüren kann, so etwas beantworten? Bin ich schuld, dass du gegangen bis? Und die nächste Frage, dessen Antwort ich nicht kenne.
Weitere Tropfen erschienen.
Immer mehr Gedanken bahnten sich an, immer mehr Fragen. Immer mehr unbeantwortete Fragen. Die letzten Tage, Wochen, Monate, Jahre spieltan sich vor meinem inneren Auge ab. Wieso hatte ich es nie bemerkt? Warum hat niemand je etwas gesagt? Meine Atmung verschnellerte sich.
Der Wind wurde stärker.
Und warum habe ich nie etwas unternommen? Warum habe ich immer nur schweigend daneben gesessen und zugehört?
Ein Schluchzer wurde von einem leisen donnern unterbrochen.
Wieso schaue ich immer nur zu? Warum greife ich nie ein? Ich blickte kurz auf.
Die Welt um mich herum schien ebenfalls zu leiden. Der Himmel war tiefschwarz und die Wellen des Meeres trafen gegen die Brandung. Der Geruch und der Geschmack von Salz war überall.
Ich legte meinen Kopf wieder nieder. Und die Gedanken und Gefühle, die für ein paar Sekunden wieder stillgestanden hatten, drehten sich weiter. War das wirklich alles meine Schuld? Es gab nur eine Antwort für mich: Ja. Doch was dachten andere darüber? Würde das Wissen überhaupt etwas ändern? Denn wer kann mehr wissen, dass man Schuld hat, als man selber? Denn nur ich weis wer ich selber bin. Aber kann ich es wirklich wissen? Mein Kopf war zu voll, die Stimmen zu laut. Sie übertönten alles.
Selbst das schwere Grollen, welches im jenen Moment für den Rest der Welt zu hören war.
Wo bist du nur hin? Werde ich das je wieder erfahren? Werde ich irgendwann deine Stimme
Wo bist du nur hin? Werde ich das je wieder erfahren? Werde ich irgendwann deine Stimme hören, deine Gestalt sehen, deine Umarmung spüren? Ich hoffe ja. Oder wäre es besser, wenn nicht? Wäre es sogar schmerzhafter dich zu sehen? Auch wenn wir wieder beieinander wären, wären nichts wie vorher, es könnte nie wieder so sein wie damals. Damals als ich dachte dich nie zu verlieren. Ob du gerade auch an mich denkst? Ob du es bereust? Ich hoffe nicht. Denn allein ich bin schuld. Allein ich habe Fehler gemacht. Gäbe es mich nicht wärst du noch glücklich gewesen und wärst nie fortgegangen. Alles ist meine Schuld. Und nicht nur diesmal. Auch sonst immer. Wieso kann ich nicht aufhören Menschen zu verletzten? Bin ich ein Monster? Wäre es besser, wenn ich nicht mehr existieren würde? Wen würde es stören mich nicht mehr sehen zu müssen? Denn wer möchte schon mit einem Ungeheuer zu tun haben?
Auf einmal hörte ich noch andere Geräusche, als das Donnern. Stimmen. Stimmen in einem tosendem Sturm. Sie riefen einen Namen. Wen sie wohl suchten? Ich hoffte sie würden die Person finden. Je öfter ich den Namen hörte, je vertrauter kam er mir. Hatte ich ihn schonmal gehört? Langsam realisiert ich woher ich ihn kannte. Wieder hatte ich Schuld. Ohne mich wären sie nicht hier. Warum schadete ich nur allen Menschen? Alles meine Schuld. Die Stimmen wurden immer lauter. Kamen sie näher? Langsam kehrte Kraft in meinen Körper zurück und ich stemmte mich auf. Alles tat weh. Jetzt sah ich sie. Sie kamen immer näher. In mir stieg Panik auf. Was wenn sie mich sehen würden? Was würden sie mir gegenüber empfinden? In dem Moment, als sie nur noch ein paar Meter entfernt waren stoppten sie. Sie sahen mich. Die Gestalten gingen weiter. Mit jedem Schritt, den sie nach vorne machten, machte ich einen von ihnen weg. Ich stoppte, ich konnte nicht mehr weiter, nicht ohne in einen schieren Abgrund zu fallen. Und damit veringerte sich der Abstand immer mehr. Nun waren sie nur noch einen Schritt entfernt. Die Panik stieg in mir auf. Sie sollten nicht hier sein. Nicht meinetwegen. Nicht wegen meinem Fehler. Ich war ein einziger Fehler. Doch warum sollten sie sonst hier sein? Warum sollten sie wegen einem Fehler hier sein? War ich vielleicht doch keiner? Aber ich war doch einer? Was sollte ich jetzt machen? Wohin sollte ich gehen? Nach links ins nichts? Oder nach rechts zu ihnen? Die laute Stille wurde unterbrochen. „Bitte", ein Wort. Ein Wort was mich eine Entscheidung treffen lies. Ein Wort, was alles verändern würde.
Ein Wort das mich einen Schritt zur Seite machen ließ.
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Kurzgeschichten
Short StoryEine wachsende Sammlung an geschriebenen Kurzgeschichten. Also wenn du Lust auf kurze Geschichten hast, kannst du gerne mal reinlesen. Würde mich freuen ^^