prologue

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✩ ✩ ✩

Verwirrt gucke ich Eena entgegen, die mich in diesem Moment so ernst ansieht, als wäre ich eine ihrer komplizierten Matheaufgaben.

„Die in der Apotheke meinten, dass du entweder in den Wechseljahren bist, was mit 19 mehr als schockierend wäre. Oder du bist schwanger", wiederholt sie ihre vorherigen Worte, bei denen ich gehofft hatte sie waren nur ein Spaß.

Ich? Das kann doch nicht sein!
Mein ganzes Leben liegt noch vor mir, ich habe gerade mein Abitur absolviert. Ein unangenehmes Rauschen taucht in meinen Ohren auf, wenn ich an jene Träume denke, die ich mein bisheriges Leben mit mir rumschleppen musste. Denn diese scheinen in diesem Moment allesamt wie große Luftballone zu platzen.
Ein Kind passt mir nicht, vor allem nicht mit 19 Jahren! Ich wollte eine schöne große Familie, wenn ich älter bin und nicht schwanger sein nach einer dummen Party.

„Ich weiß liebes", flüstert meine beste Freundin mit beruhigender Stimme.
Es ist schön, wenn sie so mit mir spricht.
Als würde sich eine warme Decke um meinen vereisten Körper legen, die mich vor allem Grauen abschirmt.
Ich muss wohl laut gedacht haben, denn die Hand von Eena liegt jetzt ebenfalls auf den kühlen Fliesen, direkt über meiner. Das ist meinen Fingern zuzuschreiben, die begonnen haben zu zittern.
Jedoch bin ich mir nicht sicher ob es wirklich an der Angst vor der Zukunft liegt, oder ich nur gestresst bin. Im Moment ist es eher dieses flaue Gefühl im Magen, was man typischerweise bei Rückgaben von Klausuren hat.
Eine kurze Angst, die meist schnell vorüberzieht.

„Hast du einen Test mitgebracht?", frage ich entschlossen darüber die Wahrheit ans Licht zu führen.
Mein Herz klopft immer stärker und die Bauchschmerzen verschlimmern sich um ein Vielfaches. Ich würde jetzt gerne einen Shot trinken oder etwas einnehmen damit diese Aufregung abebbt.
Eena krabbelt über die grauen Fliesen in Richtung Badezimmer Tür.
Ihren selbstverzierten Beutel hat sie in die Ecke geschmissen. Ich beobachte meine Freundin genau wie sie in ihrer Tasche kramt. Zuerst holt sie einigen schnick schnack heraus und legt ihn neben sich, danach scheint sie fündig zu werden und zieht eine längliche Verpackung hervor, an der ein Armband hängt.

„Ups", kommt es von ihr zerknirscht und sie schmunzelt über ihre eigene Unordnung.
Auch wenn sie vor mir immer behauptet ein sehr ordentlicher Mensch zu sein.
Auf allen Vieren krabbelt sie zurück in meine Richtung.
Diesmal setzt sie sich allerdings nicht mehr vor mich, sondern bewegt sich ein Stück weiter nach hinten zur Wand, über der sich das Fenster befindet.
Das ist die einzige Lichtquelle die wir zurzeit haben. Andererseits ist es aber auch mehr als unnötig die Lampen im Sommer einzuschalten. Ich finde gelbliche Sonnenstrahlen viel entspannender.
Eena lehnt sich mit dem Rücken an die Wand und breitet ihre Beine auf dem Teppich aus.

Sie wartet auf meine Reaktion. Ich weiß sie wird mich trösten, wenn ich weine, wiederrum wird sie kein Wort sagen, wenn ich es nicht tue. Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und lese ich mir jedes Detail auf der Verpackung durch. Tief in mir weiß ich genau, dass ich mich eigentlich nur davor drücken will ihn zu machen. Denn es interessiert mich einen scheiß wo die ihre Fabrik haben und ganz sicher bringt es mir nichts die Marke „Clearblue" tausendmal in meinem Kopf auf Deutsch zu übersetzen.

„Okay, zwei Striche bedeutet er ist positiv. Und ich werde ihn dir sofort in die Hand drücken, wenn ich fertig bin. Ich kann das Ding dann nicht die ganze Zeit festhalten", trage ich Eena meinen Plan vor. Mich wundert es, dass sie es überhaupt schafft verständlich zu nicken. Ich hätte mich selber wahrscheinlich nicht einmal verstanden, weil ich die Hälfte der Wörter verschluckt habe, wie ich im Nachhinein bemerke.

„Gib mir vorsichtshalber nochmal die Verpackung", meint Eena leicht grinsend.
Ich weiß genau, dass das eine Anspielung darauf ist, dass ich immer die Hälfte überlese, wenn ich aufgeregt bin.
Deswegen bin ich wirklich unheimlich dankbar dafür, meine beste Freundin bei mir zu haben.
Einen Menschen hier zu haben der mich in und auswendig kennt.

Schnaubend gehe ich auf die Knie und drücke mich mit einer Hand vom Boden ab, so schaffe ich es beim Aufstehen Eena noch die Verpackung in die Hand zu drücken.
Mit wackeligen Beinen bewege ich mich auf die Toilette zu.
Meine verschwitzten Hände wische ich aber mehrmals an meiner Jeans ab, so mache ich es oft in Situationen die mich überfordern.

Es fühlt sich an als würde ich durch die Wüste reisen und mir geht bei einer irren Hitze das Wasser aus.
Dabei ist das Klo vielleicht drei große Schritte von mir entfernt. Es liegt genau neben dem weißen Keramik Waschbecken. Ich diktiere mir die Anleitung des Testes im Kopf, während ich ihn durchführe. Und dabei wundert es mich sehr, wie egal es mir mittlerweile ist Dinge vor Eena zu tun.
Früher war es mir unangenehm meinen BH vor ihr zu wechseln.
Jetzt hingegen ist es mir gleich vor ihr auf Toilette zu gehen, geschweige denn einen Schwangerschaftstest zu machen.
Schade, dass das nicht auf meiner To-do Liste stand.
Dann hätte ich diesen Punkt jetzt mit Bravour abhaken können.
„Fertig", spreche ich zu mir selber.
Ich sammle den Deckel auf und schiebe ihn wieder auf die Spitze. So schnell wie möglich erledige ich meinen Klogang und setze mich wieder zu Eena. Ich überreiche ihr das Teil wie vorhin besprochen und sie hält ihn automatisch kopfüber, anscheinend hat sie die Anleitung wirklich genau durchgelesen.
Alleine hätte ich das total vergessen.

„Es steht 5-10 min warten Gwen, du hättest dir wenigstens noch die Hände abtrocknen können", erwähnt mein gegenüber und zeigt sie auf meine tropfenden Hände.
„Ach", krächzte ich mit tiefer Stimme als Antwort und schüttle meine nassen Hände, damit sie schneller trocknen.

Ungeduldig starre ich meine Socken an und zähle die Donuts auf ihnen.
Es sind 15.
Danach gehe ich zu den orangenen Wänden meines Badezimmers über und zähle wie viele Bilder an der Wand hängen.
Es sind sechs, die Zahlen hätte ich aber auch so diktieren können, denn es ist das Einzige was ich zu tun habe, wenn ich auf Toilette gehe ohne meine tägliche Unterhaltungs-Quelle dabei zu haben.„Und? Steht schon was?", frage ich wippe dabei im Schneidersitz hin und her.
„Drei bis fünf Minuten Gwendolyn", antwortet Eena stöhnend, weil sie ganz genau weiß, dass ich noch öfters fragen werde.
Trotz ihrer Aussage dreht sie den Test in ihre Richtung, um nachzusehen ob sich doch schon etwas gezeigt hat. Ihre Augen gehen von der gelangweilten Position, die aussah als würde meine Freundin gleich vor mir einschlafen, in einen geschockten zustand über.

Ihre aufgerissenen Augen sprechen Bände.
Die Antwort, die Eena mir gleich geben wird, klingelt schon förmlich in meinen Ohren.
Dennoch frage ich mit einem letzten Fünkchen Hoffnung: „Du guckst doch nur so weil er negativ ist, oder?"
Sie sieht langsam hoch zu mir und ihr Gesicht nimmt einen zerknirschten Ausdruck an.
Ihr Mund verzieht sich und sie presst die Lippen zusammen, so stelle ich mir Eena vor, wenn sie jemandem etwas Beichten muss.
Jetzt bin wohl ich an der Reihe.
Sie räuspert sich einmal, um keinen krächzenden Ton hervor zu bringen und antwortet: „Nein süße, du bist ganz klar schwanger."
Eena dreht den Test in meine Richtung, damit ich selber das Ergebnis sehen kann.

Zwei Striche, die meine Augen anteilslos registrieren.
Die sich wie eine Krankheit in meinen Kopf und unter meine Haut brennen.
Zwei Striche die mein Leben verändern und nie wieder meine Gedanken verlassen sollten.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 04, 2023 ⏰

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