Verlust

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Das schönste Gefühl ist, wenn man in diesem Zwischenstadium vor oder nach dem Schlafen schwebt. Weder wach, noch wirklich eingeschlafen.
Alles ist so schön warm, man fühlt sich leicht und geborgen. Und die Gedanken driften unheimlich schnell in Erinnerungen ab. Das mag manchmal ungelegen kommen und unnötige negative Gefühle hervor rufen, doch in meinem Fall dachte ich an den vergangen Tag. Sowie die Nacht.

Ich fühlte, wie mein Körper einen Schwall an Glückshormonen freisetzte und vermutlich lächelte ich sogar ein wenig. Klar, wer wäre in meiner Situation nicht glücklich?

Gestern Nachmittag noch ging es mir unheimlich schlecht. So schlecht, dass ich kurzer Hand beschloss, meinen besten Freund Tim anzurufen.

In letzter Zeit hatten wir für unsere Verhältnisse sehr wenig Kontakt. Das mag auch daran liegen, dass ich mich selbst für mein niedrigen Bedarf an Sozialkontakt deutlich zurückgezogener Verhalten habe.
Ganz besonders gegenüber Tim.

Gestern hatte ich aber keine Lust mehr. Verstecken zu spielen, gegenüber meinem Umfeld und meinen Gefühlen.

Von beinah unheimlicher Kraft getrieben, rief ich ihn an. Das muss wohl ziemlich verwirrend gewesen sein, weil ich mich selbst nicht mehr genau an den Austausch erinnern kann.

Ebenso wenig an das, was Tim auf meine plötzliche Liebeserklärung gesagt hat, die ich ihm unmittelbar nachdem ich ihm die Tür geöffnet habe, an den Kopf geworfen habe.

Von diesem Moment an schien alles so verschwommen und dennoch erinnere ich mich klar und deutlich an das Gefühl von warmer Haut auf meiner eigenen, die unglaubliche Vorsicht in den Berührungen, die mir Tim schenkte und die Wärme, die sich ausbreitete und die Leere mit einem längst vergessenen Gefühl von innerlichem Frieden vertrieb.

Durch das Bohren meiner Nachbarn in der Wand, die wir uns teilten, wachte ich schließlich ganz auf. Das plötzliche Gefühl von Kälte ließ mich neben mich schauen. Das Bett war leer, Tim musste wahrscheinlich zur Arbeit.

Ein Blick auf meinen Funkwecker werfend, bestätigte sich meine Vermutung. Es war 10 Uhr morgens an einem Mittwoch.
Ich hatte aktuell Semesterferien, genauso wie Tim auch. Allerdings hat er sich einen Ferienjob besorgt und war dementsprechend zumindestens nicht ganz so pleite wie manch andere Studierende. Dafür musste er aber früh aufstehen und verschreckte mit seiner extremen morgenmuffeligen Art wahrscheinlich den ein oder anderen Café Gast.

Über diesen Gedanken grinsend raffte ich mich auf und ging ins Bad. Tim hat heute morgen wohl geduscht aber danach nicht gelüftet, denn ein Schwall Wasserdampf kommt mir entgegen, sobald ich die Tür öffnete.

Ich nahm noch eine schnelle Dusche und konnte es nicht lassen über das Gefühl von Tims Fingern an meiner Wange nachzudenken und selbst über die empfindliche Haut in meinem Gesicht zu fahren.

Mit einem Handtuch um die Hüfte tapste ich vorsichtig Richtung Spiegel.

Ich sah mir das erste Mal an diesem Morgen in das Gesicht und erschauderte. Gedanken schossen mir durch den Kopf und in den Tiefen meines Unterbewusstseins setzten sich verschiedene Teile zusammen. Ich fühlte mich wie gelähmt, während sich meine Hände auf vergeblicher Suche nach Halt am Rand des Waschbeckens verkrampften. Eine unerträgliche Wahrheit bahnte sich schlangenartig einen Weg Richtung Oberfläche, immer weiter bis ich sie beinahe greifen konnte. Beinahe.
Bevor ich verstehen konnte, was gerade mit mir geschah, war der Moment auch schon vorbei. Und die Wahrheit verschwand genauso schnell, wie sie sich mir präsentiert hatte

Verwirrt, warum ich mich gerade so lange im Spiegel angestarrt habe, zog ich mich an.

Da ich sowieso nichts anderes zu tun hatte, beschloss ich Tim auf der Arbeit zu besuchen und meine Koffeinsucht mit etwas besserem Kaffe als dem Billigen in meinem Schrank zu stillen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 25, 2022 ⏰

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