Zum dritten Mal innerhalb zwei Tagen stand ich neben Taehyungs Bett, und hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte. Da fiel mir etwas ein: Vielleicht sollte ich mich erst vorstellen, das Denkwerk ein bisschen antreiben. Danach würde das Gespräch bestimmt einfacher fließen.
"Hallo", sagte ich. Taehyung starrte immer noch ins Nichts. "Ich bin Kim Seokjin. Ähm, seit vier Jahren dein Mann. Also, verheiratet. Du weißt doch, was das heißt, oder?"
"Du brauchst mich nicht wie ein Kindergartenkind zu behandeln", erwiderte Taehyung. "Ich weiß, was das heißt, auch wenn ich die Idee dahinter nicht ganz verstehe."
Das war wohl der längste Satz bis jetzt. Ich wagte ein zartes Lächeln.
"Na dann. Du verstehst doch bestimmt, dass ich mir ein bisschen Sorgen gemacht habe. Und ich froh bin, dass du wieder wach bist."
Er schüttelte den Kopf. Mein Lächeln verblasste ein wenig. "Nicht?"
"Wieso das denn?", fragte Taehyung.
"Ich-", setzte ich an und dachte nach. Mir fiel nichts Passendes ein - wie sollte ich sowas denn bitteschön erklären? "Wieso denn nicht? Immerhin bist du eine der wichtigsten Personen auf der ganzen Welt für mich."
Er sah wieder verwirrt aus, aber in seinem Gesicht regte sich nicht viel. Er richtete sich auf und sah mich lediglich an. "Wieso das?"
Wie war das nochmal mit dem einfacher fließendem Gespräch?
"Naja, weil ich dich liebe. Oder halt, dich sehr arg mag."
Taehyung schüttelte den Kopf und lehnte sich gegen sein Kissen. "Sprechen wir verschiedene Sprachen?"
So würden wir nicht weiterkommen. Ich sah Dr. Kim verzweifelt an, der das Ganze von der Seite beobachtet hatte. Dieser nickte und trat näher ans Bett heran.
"Als der Unfall passiert ist", erklärte er mit ruhiger Stimme, "hat ein Stoff namens GF-675 Ihr Gehirn beeinträchtigt und-"
"Das hat mir die Krankenschwester schon erzählt", unterbrach Taehyung mich. Etwas, was er sonst nie tat.
Dr. Kim nickte. "Also, das Gehirn hat einen Teil, in dem bestimmte Erinnerungen gespeichert werden, sowie reflexartige Hormone. Diese speichern etwas, was nicht unbedingt in Wörtern ausgedrückt werden kann - nämlich die innere Reaktion, nicht die äußere, zu bestimmten Situationen. Sie wissen zwei Dinge nicht: Erstens, wie ihre Gefühle und Emotionen alle heißen, und zweitens, wie sie so reflexartig zu den Situationen reagieren wie die meisten Menschen auch. Verstanden?"
Taehyung starrte ihn einen Moment lang an. Und siehe da - er nickte, wenn auch zögerlich. Kein Wunder, es war besser erklärt, als ich es jemals könnte.
"Dieser Mann ist hier, um Ihnen zu helfen, diese Emotionen zu verstehen und beizubringen. Das wird nicht einfach, und es wird sich manchmal frustrierend - das heißt schwer - anfühlen, aber das hier ist mein Job. Wir werden Ihnen helfen, sich wieder zurechtzufinden. Komme, was wolle."
Ich bemerkte, dass er nicht "wieder normal" gesagt hatte, sondern "zurechtfinden". Das war's wohl: Keine Medizin, die ihn wieder normalisierte, sondern nur eine Anpassung. Trotzdem ließen mich Dr. Kims zuversichtlichen Worte etwas hoffnungsvoller fühlen, wenn auch nur ein bisschen.
Taehyung nickte. "Verstanden", sagte er, wobei er mich ansah. Und zum ersten Mal sah ich in seinen Augen etwas: Zweifel, Verwirrung, Angst und - ein kleines bisschen Hoffnung.
Dr. Kim sah erleichtert aus. "Ich verspreche Ihnen, mit ihm an Ihrer Seite werden Sie alles ein wenig besser verstehen."
Dann sah er mich direkt an und fragte: "Könnte ich Sie kurz sprechen?"
・draußen vor 122・
"Sollten wir nicht bei Taehyung sein und ihm... helfen, wie auch immer ich das machen soll?"
Dr. Kim nickte. "Ich wollte Ihnen nur zwei Dinge mitteilen. Erstens, ich habe jede Menge Druck auf Ihre Schultern gelegt, was heißt, dass Taehyung Ihnen möglicherweise anfangen wird, zu vertrauen. Sie dürfen dieses Vertrauen nicht brechen, und nicht aufgeben, wenn Sie frustriert sind. Immer geduldig sein, und Schritt für Schritt die Sache angehen. Fragen Sie mich, wenn Sie Hilfe brauchen, frustriert sind, oder einfach mal reden wollen."
Mein Bewundern für Dr. Kim stieg mal wieder. Er war so ruhig und geduldig, was nicht viele Menschen waren - mich eingeschlossen. Mit ihm an der Seite, dachte ich, kann ja wohl kaum etwas schiefgehen. Ich nickte. "Und zweitens?"
"Zweitens kann man Emotionen nicht in Worten ausdrücken", fuhr er fort. "Man könnte keine Wärme zu einem empfindungslosen Mann beschreiben. Anders als Wärme sind Emotionen allerdings zu Erinnerungen verbunden. Man muss nur diese Erinnerungen wiedererwecken. Wie Sie das machen, ist ganz Ihre Sache. Jeder Mensch geht anders vor - zumindest die, denen ich geholfen habe."
Ich versuchte, mir das alles zu merken. Mein Kopf schwirrte davon, dass alles so schnell ging, obwohl ich erst gestern von der ganzen Situation erfahren hatte. Der alte Taehyung hätte wahrscheinlich gelacht und mir zugeflüstert, dass ich gefälligst alles aufschreiben sollte. Bei dem neuen war ich mir nicht ganz so sicher.
Wie sollte ich das machen, Erinnerungen erwecken? Dr. Kims Worte schallten in meinem Kopf herum: "Jeder Mensch geht anders vor."
"Sagen Sie mal, Doktor", fragte ich, "haben es diese Leute denn geschafft, ihre Geliebten wieder... ins Normale zurückzubringen?"
Bitte, sag ja.
"Das kommt auf die Perspektive an", antwortete er. "Genauso wie früher? Ich fürchte nicht." Mein Herz rutschte in die Hose. Das war's dann wohl. "Allerdings...haben sie oftmals ein neues Normal erschaffen. Es kommt nie sofort, alles braucht Zeit. Aber irgendwann werden Sie's schaffen, wenn ihr beide euch genug anstrengt. Und das wird irgendwann schon."
Ich nickte. Irgendwie wirst du es schaffen, Kim Seokjin. Wehe, wenn nicht.
"Na dann. Können wir anfangen?"
Ich hab das Gefühl, dass die ganzen Gespräche sich ständig nur wiederholen...hoffentlich wirds bald interessanter
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ੈ♡˳ Desunt Motus Animi - Die Krankheit, die Emotionen raubt (VJin)
Fanfiction"𝔍𝔢𝔱𝔷𝔱 𝔴𝔞𝔯 𝔢𝔰 𝔷𝔲 𝔰𝔭ä𝔱. 𝔍𝔢𝔱𝔷𝔱 𝔴ü𝔯𝔡𝔢 𝔢𝔯 𝔫𝔦𝔢 𝔴𝔦𝔰𝔰𝔢𝔫, 𝔴𝔞𝔰 𝔦𝔠𝔥 𝔪𝔢𝔦𝔫𝔱𝔢. 𝔖𝔢𝔩𝔟𝔰𝔱, 𝔴𝔢𝔫𝔫 𝔦𝔠𝔥 𝔢𝔰 𝔦𝔥𝔪 𝔱𝔞𝔲𝔰𝔢𝔫𝔡𝔪𝔞𝔩 𝔰𝔞𝔤𝔢𝔫 𝔴ü𝔯𝔡𝔢." -Auszug aus dem Prolog Kim Seokjin war mit seinem...