- Prolog • The 1975 -

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Step into your skin?

Sanft streichen seine Finger über den Handrücken seiner rechten Hand. Fahren die kleinen blauen Adern nach und betrachten die schwarz lackierten Nägel. Als er den Kopf hebt und sie ansieht spielt sie gedankenverloren mit einem Stift, den sie noch zuvor aus dem Handschuhfach seines 1975er Ford Consul zu tage gefördert hat. Eine unbeschreibliche innere Ruhe macht sich in ihm breit. Er lehnt sich ein Stück weiter in ihre Richtung und summt leise zur Melodie aus dem alten Autoradio. Sanfte Lofi-Beats lassen sie vergessen wie tief die Nacht bereits angebrochen ist. Als sie den Kopf hebt und ihre Blicke sich treffen verliert er sich in ihren dunklen Augen. Sie bricht als erste das schweigen. „Es ist bereits Mitternacht." Er muss lächeln. „Und nun? Verwandelst du dich in Aschenputtel und ich muss dich wiederfinden?" Sie musste lachen. Als sie wieder still werden und er sie immer noch so von der Seite betrachtete musste er feststellen, wie sehr er ihre Anwesenheit genoss. Wie sehr er es mochte mit ihr zu arbeiten. Wie sehr er es mochte heute hier mit ihr zu sitzen. Ein Lächeln erscheint auf ihrem hübschen Gesicht. Vielleicht liegt es an den Lichtern der vorbeifahrenden Autos, doch er denkt eine leichte Röte auf ihren Wangen gesehen zu haben bevor sie den Kopf abwendet. Sie befördert eine frische Schachtel Zigaretten aus ihrer Handtasche, welche im Fußraum seines Wagens liegt. „Ich bin wohl kein guter Einfluss auf dich." Er muss erneut grinsen. „Wer sagt das die für mich sind." Konzentriert beginnt sie die Plastikfolie der Schachtel abzulösen. Ungeduldig zieht sie zunächst an einer, dann an der anderen Ecke, dreht die Schachtel. Amüsiert beobachtet er sie eine Weile, dann nimmt er ihr die Packung aus der Hand, löst geschickt die Folie darum ab und zieht sich eine Zigarette heraus. „Du kennst mich bereits zu gut." Es sollte belustigt klingen, doch er konnte den leichten Anflug von Unbehagen in seiner Stimme hören. Als er sich die Zigarette anzündet schimmern ihre dunklen Haare im aufflammen des Feuerzeugs. Er schließt die Augen, inhaliert den Rauch und atmet aus während er sich zurück in die Ledersitze des Fords sinken lässt. Der Geruch vom Qualm seiner Zigarette mischt sich mit dem ihres Parfüms und dem Leder der Sitze. Als er die Augen wieder öffnet, kann er sehen das sie sich erneut ihren Notizen gewidmet hat. In einem sanften Rhythmus klopft sie mit dem Kugelschreiber auf das Papier. Sie wirkt so ruhig wie er. Das leise Klopfen mischt sich mit der nächsten Melodie und endlich ist sie soweit ihn teilhaben zu lassen. „Was hältst du hier von?" Sie reicht ihm die Notizen. Acht Zeilen und er erinnert sich weshalb sie sich eigentlich getroffen hatten. Er muss die Worte zweimal lesen, um ihren Sinn aufzugreifen.

Go down
Soft sound
Midnight
Car lights
Playing with the air
Breathing in your hair
Go down
Soft sound

Sie kaut nervös auf ihrer Unterlippe herum während sie ihn beim lesen beobachtet. Seine dunklen Haare fallen ihm in widerspenstigen Locken in die Stirn. Seine Augen huschen noch einmal nach oben, zum Anfang des Blattes und sie fragt sich ob das, was sie geschrieben hat überhaupt einen Sinn für ihn ergibt. Er ist der Künstler, er muss es verkaufen. Sie jedoch, sie ist nur... Ja was war sie eigentlich? Eine verlorene Schriftstellerin ohne Story? Eine Songwriterin ohne musikalisches Talent? Sie muss schlucken um den Kloß in ihrem Hals zu vertreiben und somit auch den Gedanken, ihm das Papier aus der Hand zu reißen. Sie hatte ihn bereits viel zu nah an sich heran gelassen. Hatte die privaten und beruflichen Grenzen weit überschritten indem sie jetzt hier mit ihm saß. Er war nur ihr Klient. Er sollte, nur ihr Klient sein. Doch war er ihr bereits seit dem ersten Tag, dem ersten Treffen im Studio so unter die Haut gegangen, dass es ihr leicht gefallen war über die vergangenen Wochen hinweg immer mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Aus immer mehr Zeit, wurden immer spätere Treffen an immer neuen Orten. Zunächst treffen sie sich auf einen Kaffee am Nachmittag, später in einer kleinen Bar in der Nähe ihrer Wohnung. Heut war der erste Tag an dem er sie spät am Abend anrief und um ein Treffen gebeten hatte. Sie war bereits dabei es sich mit einem Glas Wein und einer Folge ihrer Lieblingsserie auf dem Sofa bequem zu machen als er anrief. Ohne zu zögern war sie aufgesprungen um sich anzuziehen. Erst jetzt fiel ihr auf wie aufgeregt ihr Herz dabei gepocht hatte. Er hatte an seinem 1975er Ford Consul gelehnt und geraucht als sie aus ihrem Hauseingang auf die Straße getreten war. Galant hielt er ihr die Tür auf als sie bei ihm angekommen war und sie ließ sich in die weichen Ledersitze sinken. Eine Weile waren sie einfach herum gefahren, hatten sich über die bereits geschriebenen Lieder für sein neues Album unterhalten und die Zeit war vergangen. Irgendwann hatten sie in der Nähe von Covent Garden auf einem Parkplatz gehalten und den Leuten beim kommen und gehen aus den Bars und Clubs zugesehen. Sie hatten begonnen sich privat zu unterhalten, kennenzulernen bis sie weniger nervös neben ihm war. Er war los gegangen, etwas zum trinken für sie besorgen. Währenddessen hatte sie im Handschuhfach seines Wagens einen Stift sowie Papier zu Tage gefördert und begonnen die ersten Zeilen zu schreiben.
Als er jetzt vom Papier auf sah wusste sie nicht mehr, weshalb sie eigentlich nervös gewesen war, ihm ihre Arbeit zu zeigen. Als sich ihre Blicke begegneten wusste sie, dass er ihr nicht nur unter die Haut gegangen war. Er war mit Anlauf in ihr Leben gesprungen, hatte sich mit seinen dunklen Locken, den Tattoos und dem schiefen Grinsen in ihren Knochen festgesetzt und würde so schnell nicht wieder verschwinden. „Das ist gut." Die Zigarette, welche in seinem Mundwinkel auf und ab wippte während er sprach, hatte eine hypnotische Wirkung auf sie. Er nimmt ihr den Stift aus der Hand und beginnt etwas zu schreiben.

Step into your skin?
I'd rather jump in your bones

Ihre Blicke treffen sich als sie die Zeilen gelesen hat und ein Lächeln bereitet sich auf ihrem Gesicht aus. „Das klingt gut. Jetzt musst du nur noch die perfekte Musik dazu finden." Sie spielt mit dem Stift zwischen ihren Fingern. Als sie ihm diesen wieder weggenommen hat und ihre Finger sich berührten war es wie ein kleiner elektrischer Schlag der ihn Wiederbeleben konnte in der dunkelsten Zeit. Er nickt und schnippt den glühenden Zigarettenstummel aus dem Autofenster. „Auch, wenn ich finde das die letzte Zeile ein wenig nach Serienmörder klingt." Sie kichert. Er hatte nur darauf gewartet, ihr eine Reaktion zu diesem Part zu entlocken. „Entweder das," er schwieg einen kurzen Moment und blicke Gedankenverloren aus dem Fenster in Richtung der Bars. Menschen tummelten sich davor, lachten, tranken und verliebten sich. „Vielleicht klingt es aber auch wie ein erster Kuss."

Taking up your mouth, so you breathe through your nose

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 05, 2023 ⏰

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I LIKE IT WHEN YOU SLEEP (Matty Healy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt