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„Quinsi, wo ist das Bier?", mault Marten schlecht gelaunt und wirft mir einen auffordernden Blick zu. Widerwillig tapse ich zum Kühlschrank und hole drei Bierdosen aus der Schublade, während irgendwelche drill-rap-Musik im Hintergrund läuft.
Das Leben hier ist in Ordnung, auch wenn es jeden Tag aufs Neue eine Herausforderung ist, in diesem Gefüge zu überleben.
Still stelle ich ihnen das Bier auf den Tisch und versuche ihren Gestank von Alkohol zu ignorieren.
„Hey, QuinQuin, wo ist Big Bro?", fragt Benji mich ungeduldig und flippt einen Schachtel Kippen auf den Tisch, an der sich alle direkt bedienen.
Ich bin an ihre grobe Umgangsweise gewöhnt, und daran, dass jeder zweite hier eine Waffe mit sich trägt, aber trotzdem lässt es mich immer wieder ein kleines bisschen nervös werden.
Nennt es Instinkt.
„Bin hier", hören wir Jay vom Eingang aus rufen und er knallt die Tür zu.
Endlich.
„Hey Jay", begrüße ich ihn erleichtert, als er in die Küche, bzw. ins Wohnzimmer kommt. „Hey Queens", murmelt er lässig und zerstört absichtlich meine Frisur im Vorbeigehen, um meine Laune etwas zu lockern. Konzentriert sortiere ich meine Haare wieder an die richtige Stelle und er greift kurzerhand seitlich über mich zum Kühlschrank, um sich auch eine Bierdose zu nehmen. Dabei fällt mir mal wieder auf wie riesig und muskulös er mittlerweile ist.
Neben ihm sehe ich aus wie ein kleines Kind, und dass unser Alters-Abstand fast fünf Jahre beträgt hilft dabei nicht wirklich.
„Wir war's in der Schule?", fragt er mich interessiert, während er in den oberen Kühlschrankfächern weiter herumkramt. „Ganz gut, das Stipendium krieg ich hin", antworte ich zuversichtlich und er nickt zufrieden. Er will, dass ich aus diesem Stadtteil rauskomme und etwas aus mir mache, weil er keine Chance dazu hatte auf legalem Weg an genug Geld zu kommen. Außerdem habe ich realistische Chancen, weil ich fleißig und sehr gut in der Schule bin.
Jay schließt nun die Kühlschranktür und wirft mir einen warmen Blick zu, dann setzt er sich zu Marten, Benji und seinen anderen Freunden an den Tisch.
„King Jay, was läuft?", fragt Benji lautstark und sie fangen zu Trinken an. Meistens höre ich ihnen gar nicht mehr richtig zu, weil es immer um dieselben Sachen geht. Geschäfte, Schlägereien oder Frauen.
Unauffällig tapse ich Richtung Treppe, um Zeit für mich alleine zu haben.
„Quins, bleib doch hier", ruft Marten plötzlich angetrunken und ich bleibe ertappt stehen. Benji grinst mich voller Schadenfreude an und ich seufze genervt. „Queeni muss lernen", kommt es von Jay und er zwinkert mir zu. Dankbar flüchte ich nach oben und ignoriere Martens und Benjis Gemeckere.

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