Tür 21

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Aufgabe: Heute wird gegen die ganzen Plätzchen und Kekse gekämpft. Du drehst eine gemütliche Runde um den Block, mindestens eine halbe Stunde solltest du unterwegs sein.
Unter deinem Mantel trägst du statt einem Slip ein Seil, welches du dir wie einen Slip um den Körper bindest. Wichtig ist dabei, dass das Seil zweimal zwischen deinen Beinen entlangläuft, auf Höhe deines Kitzlers soll ein Knoten rein und der Rest des Seiles wird dann rund um die Hüfte verschnürt damit das ganze hält.

Eintrag: Uff. Das war mein erster Gedanke als ich die heutige Aufgabe gelesen habe. Seile auf meiner Haut sind großartig, im kalten eine Runde spazieren gehen ebenso. Das Geräusch von Schnee unter den Schuhen, kalte Wangen, wenn man wieder in die beheizte Wohnung kommt und im Anschluss ein heißes Bad. Es gibt nichts was mich zu dieser Jahreszeit besser entspannen könnte! Draußen ohne Unterwäsche unterwegs zu sein? Dann noch mit einem Seil zwischen den Beinen? Das ist eine Überwindung! Weniger eine körperliche Herausforderung, eher mental. Da kommen plötzlich jedmögliche Gedanken und Ängste in mir hoch, meistens unbegründet. Wer soll mir denn etwas davon ansehen? Im selben Gedankengang kommt dabei die Frage auf: Und was, wenn doch? Die heutige Aufgabe wäre relativ rasch erledigt gewesen. Das Verknoten des Seils hat zwar etwas länger gedauert, da stell ich mich immer noch sehr tollpatschig an, doch als ich dann meinen Dicken Wintermantel über mich geworfen hatte stand ich wie angewurzelt vor der Wohnungstür. Meine Gedanken kreisten. Ständig ploppten neue Fragen vor meinem inneren Auge auf. Ich wollte die Aufgabe erfüllen, daher habe ich krampfhaft jeden Gedanken mit einer Begründung zu Nichte gemacht. Irgendwann, kurz bevor meine Finger an den Mantel fassen wollten, meine Beine kehrt machen wollten, ich wieder zurück ins Wohnzimmer gestapft wäre und mich unter der Decke verkriechen wollte, klatschte ich mir gegen die Schläfe, sprach mir Mut zu und stand plötzlich im Freien und stampfte durch den Schnee. Die kalte Luft drang in meine Atemwege und ein kühler Wind blies mir ins Gesicht. Dicke Schneeflocken landeten vor mir auf dem Gehweg und es knackte bei jedem Schritt, mit dem ich einen weiteren Schuhabdruck im frischen Schnee hinterließ. Erst da wurde mir bewusst, wie weit ich bereits von Zuhause entfernt war und mein Körper drang wieder in mein Bewusstsein. Der Knoten in meiner Hose scheuert an meiner Haut. Meine Finger zittern vor Kälte und in meinen Wimpern fangen sich Schneeflocken. Die kalten Hände wurden erst wieder warm als ich zurück in meiner Wohnung war. Dort wurde mir dann erst bewusst, dass mir bei meinem Spaziergang keine Menschenseele begegnet war. Meine Angst war absolut unbegründet und dennoch haben mich meine Gedanken viel zu lange von diesem Schritt raus aus der Türe abgehalten. Jetzt liege ich zufrieden, glücklich und Stolz im Bett und schreibe diese Zeilen nieder. Das heiße Bad habe ich danach wirklich gebraucht, ansonsten hätte ich nicht einmal den Stift festhalten können, so taub waren meine Finger bereits. Danke für diese einfache sowie fordernde Aufgabe.


Adventskalender 2022Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt