Es wurde langsam dunkel und sie hatten seit mehreren Stunden nichts mehr gegessen. Nachdem sie es aus der Eishöhle herausgeschafft hatten, versuchten sie, nach Spuren von den Anderen zu suchen, aber durch den Schneesturm waren keine Spuren mehr über. Deshalb gingen sie den Weg zurück und versuchten, das Grasland unterhalb des Gletschers zu erreichen, wo die Temperaturen etwas wärmer waren und sie ihr Lager für die Nacht aufschlagen konnten.
Der Abstieg war schwierig wegen Zeds Verletzung, aber bei Sonnenuntergang erreichten sie die flache Ebene und ließen das Eis hinter sich. Hier war es spürbar wärmer, aber der Boden war trotzdem gefroren und Dourc hatte deshalb Probleme, sein Zelt aufzustellen und es in der Erde festzumachen. Nach dem anstrengenden Tag machte er es nur provisorisch und in Fellen eingehüllt schliefen die beiden schnell ein.
In der Ferne war das Trompeten eines Mammuts zu hören.Zum Frühstück hatten sie nur etwas getrocknetes Fleisch und ein paar Knollen, die sie als Proviant auf der Expedition dabeihatten, aber an eine Jagd war jetzt nicht zu denken, sie hatten Dringenderes vor. Wenn die anderen weiterziehen, kommen sie auf dem Rückweg hier überhaupt wieder vorbei? Werden sie nach ihnen suchen, oder wurden sie schon für tot erklärt? Sollten sie hierbleiben und abwarten, oder auf eigene Faust das Tal im Norden erreichen und dort auf ihre Leute stoßen?
In der Nähe von einem Fluss wuchsen viele kleine Beerensträucher und sie verbrachten den Vormittag damit, Blaubeeren zu sammeln sowie Birkenrinde und Holzstücke, um ein Feuer zu machen. Mittlerweile waren sie weiter vom Gletscher weggezogen und sie konnten die hellblaue Wand aus Eis nur noch von weit weg sehen. Die Landschaft wandelte sich ebenfalls und es gab mehrere kleine Wälder, in denen sie genug Feuerholz finden und auch Früchte und Pilze sammeln konnten. Sie hatten die Entscheidung getroffen, den Aufstieg nicht noch einmal zu machen, sondern zu versuchen, den Rückweg zu ihrer Höhle anzutreten und dem Jagdtrupp dabei eventuell zu begegnen.
Anhand von markanten Felsformationen und Flussläufen versuchten sie sich zu orientieren, aber es war nicht so einfach, da die beiden jungen Männer erst einmal die Wanderung zu den Gletschern gemacht hatten und bald kam ihnen nichts mehr bekannt vor. Frustriert setzten sie sich und machten eine Pause. Es war gefährlich, wenn sie den Weg nach Hause nicht mehr fanden und ganz auf sich allein gestellt waren. Wenn Zeds Bein nicht mehr verletzt wäre, könnten sie wenigstens auf die Jagd gehen...
Dourc nahm seinen Speer und ging in ein kleines bewaldetes Tal, um wenigstens einen Hasen oder einen Riesenhamster für das Abendessen zu erlegen. Zed passte auf das Feuer auf und bearbeitete sein Messer, das an der Klinge leicht gesprungen war.
Ein Riesenhamster hockte vor seinem Bau und bemerkte den Jäger mit dem Speer nicht. Dourc schlich sich leise näher an und war noch einige Meter entfernt, als der Hamster plötzlich aufgeschreckt in seinen Bau flüchtete. Dourc wunderte sich, da er gar kein Geräusch gemacht hatte. Aus den umliegenden Bäumen flogen Vögel auf, was Dourc unsicher machte. Er versteckte sich im Dickicht und beobachtete seine Umgebung.
Ein Brüllen ließ seine Nackenhaare aufstellen. Nicht weit entfernt auf einem Felsvorsprung stand ein Höhlenlöwe und hatte sich im Nacken eines Hirschs festgebissen. Wie gebannt starrte Dourc auf die Szene, die sich ihm darbot. Nach ein paar Sekunden riss er sich los und schlich leise durch das Unterholz. Auf gar keinen Fall wollte er jetzt den Höhlenlöwen auf sich aufmerksam machen.
Als er den Wald verlassen hatte und die heideähnliche Landschaft erreichte, stand ihm plötzlich eine Löwin gegenüber. Für eine Sekunde starrten sie sich an, dann legte die Höhlenlöwin die Ohren an und knurrte. Instinktiv baute Dourc sich auf und fuchtelte mit seinem Speer. Die Löwin schlich um ihn herum, aber Dourc schrie laut und holte mit dem Speer in ihre Richtung aus. Sie wich zurück, aber verlor nicht das Interesse an ihrer Beute. Sie machte einen Satz nach vorne und ihre Krallen verfehlten Dourc nur um einige Zentimeter. Auch ein kleiner Kratzer wäre fatal, weil die Keime an den Krallen zu einer schlimmen Entzündung führen können. Durch das Adrenalin wurde Dourc aggressiver und er griff die Löwin an. Mit dem Speer traf er sie an der Schulter und sie fauchte.
Schließlich gab sie auf und zog sich in den Wald zurück, wo auch ihr Partner war.Schwer atmend stand Dourc da.
Er konnte froh sein, dass es gut ausgegangen war. Aber in dem Löwenrevier sollten sie lieber nicht mehr lange bleiben. Er rannte zurück zu ihrem Lagerplatz und war froh, dass es Zed gut ging und das Feuer sie hier vor Wildtieren schützen würde. Zed sah, wie aufgeregt Dourc war. "Was ist denn los? Du bist ja völlig außer Atem!""Im Wald hab ich einen Höhlenlöwen gesehen und als ich wieder zurückkommen wollte, hat mich eine Löwin angegriffen, aber ich konnte sie vertreiben." Zed konnte es kaum glauben. Dourc erzählte ihm alle Details und sie beschlossen, ihre Sachen zu packen und weiterzuziehen, bevor sie den Höhlenlöwen noch einmal begegneten.
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Das Tal im Norden
Historical FictionEuropa, 30.000 Jahre vor heute. Der junge Steinzeitmensch Dourc wird bei einem Unfall von seiner Gruppe getrennt und muss sich von nun an mit seinem Freund Zed fern seiner Heimat durchschlagen...