"Tschüss!", rufe ich nochmal hinter mich und steige in den Zug ein. Es riecht nach einem männlichen Deo Duft und ich verziehe die Nase. So soll mein neues Lebenskapitel nicht riechen. Ich mache mich ja schließlich auf den Weg in die Natur.
Ich suche meinen Sitzplatz durch den halben Zug. Bis man da erstmal die Ordnung versteht sind ja meistens schon 20 Minuten vergangen. Aber so sitze ich erschöpft auf meinem Platz, lehne mich zurück und freue mich auf 3 Stunden aus dem Fenster schauen und Podcast hören. Ich habe mir eine super interessante Folge runtergeladen in der es um die frühere Bedeutung des Wortes 'queer' geht und wie sich das Wort zu der positiven Selbstbezeichnung verändert hat.
Ich finde es super wichtig sich mit der Geschichte von Aktivismus auseinander zu setzen, wenn man sich aktivistisch engagieren will.
Also, Kopfhörer auf und abschalten.'Nächster Halt Frankfurt Flughafen. Ausstieg in Fahrtrichtung Rechts', höre ich eine Durchsage und daraufhin ertönt ein unangenehmes Quietschen der Zugbremsen. Kurz vergesse ich, dass ich aussteigen muss und springe dann aber noch pünktlich auf und ziehe den Rucksack hinter mir her.
Ich hasse Flughäfen. Ich bin auch erst sehr selten in meinem Leben geflogen und ich blicke an Flughäfen dem entsprechend nie durch. Der ganze Weg bis zum Flugzeug war auch mehr glücklicher Zufall, dass ich an den richtigen Stellen stand, als wirklicher Durchblick.
Kurz atme ich durch, als ich durch die Schwelle ins Flugzeug einsteige. Ein Lächel zieht sich über mein Gesicht und mich erfüllt ein unfassbarer Stolz, dass ich es durch den Flughafen ohne Panikattacke geschafft habe.
So fühlt sich also gesund werden an.Im Flugzeug riecht es angenehm leicht nach Lavendel als wir abheben. Auf in ein neues Land. Ein Neuanfang. Endlich.
Bei der Ankunft in Stockholm, suche ich direkt nach einem Schild oder ähnlichem mit meinem Namen drauf. Ganz groß sehe ich in Regenbogen Farben die Buchstaben M-I-L-A auf einem Pappschild und winke dem großen Mann zu, der es hochhält. Gefunden, damit ist die sichere Ankunft gewiss. Ich werde angelächelt und zum ersten Mal seit langem erfüllt mich eine ungemeine Vorfreude!
Ich kann es kaum erwarten die Tiere kennenzulernen, mehr Englisch zu sprechen, Schwedisch zu lernen, Musik zu spielen, Erfahrungen zu sammeln, neue Freunde kennenzulernen und und und.
"Du bist Mila oder?", fragt mich der Mann, auf den ich lächelnd zu ging und ich nickte freudig. "Super, ich bin Martin. Ich werde dir den Hof in den nächsten Tagen zeigen und dich einarbeiten. Ich habe selber vor Corona mein Auslandsjahr hier verbracht. Da es über Corona ja keine Freiwilligen mehr gab, bin ich kurzerhand hier geblieben. Du wirst es lieben, da bin ich mir sicher!". Es sprudelte förmlich aus ihm raus. Ich lächelte zustimmend. Ich freue mich einfach so riesig.Die meiste Zeit der Fahrt zur Unterkunft saß ich einfach nur im Auto und starrte erstaunt aus dem Fenster raus. Wie schön diese Welt ist... Ich wusste ich muss in den Norden und jede bisherige Sekunde bestätigte dieses Bauchgefühl so ungemein.
Und dann saß ich im Zimmer. Meine Tasche neben mir.
Ich spürte wie meine Wangen nass wurden und ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.
Wie konnte ich nur denken ich kann das hier? Ich bin so weit weg! Niemand kennt mich hier. Die sind zwar super nett, aber ich will doch nur zu ihr... Ich wünschte ich könnte sie anrufen und ihr erzählen wie stolz ich auf mich bin und sie könnte mir eine virtuelle Umarmung geben und mir sagen wie stolz sie auch auf mich ist. Ich weiß, sie wäre super stolz, wenn sie das wüsste.
Ich legte mich aufs Bett und schaute Netflix. Erstmal runterkommen. Verarbeiten. Nicht überfordern. Genau das wollen wir hier ja nicht!
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Healing - Sicher, dass ein Typ so wichtig sein kann?
Roman d'amourSie ist gebrochen. Ihre Augen sind voll Trauer. Ich habe mir versprochen. Wir durchbrechen unsere Mauer. Sie ist voller Feuer. Und eigentlich voller Leichtigkeit. Für ihr nächstes Abenteuer. Vielleicht kann ich dann bei ihr sein. - Wie zwei Mensche...