Finde mich!

1. Kapitel

Es schmerzt immer noch ihn mit dieser Frau zu sehen. Und ich weiß genau, warum es dieses Mal mehr schmerzt als die anderen Male – es ist die Endgültigkeit, die ich spüre. Ich habe ihn so noch nie mit einer Frau gesehen.

Schnell lasse ich meinen Blick weiterschweifen und sehe James, der sich mit einer jungen Frau unterhält oder sollte ich besser flirten sagen. Von einer Frau kann auch nicht die Rede sein, denn sein Gegenüber schätze ich auf gerade einmal 15 Jahre. Ich schüttele leicht den Kopf, als James und mein Blick sich treffen. Er schiebt die Augenbrauen herausfordernd in die Höhe. Ich antworte ihm mit einem Augenverdrehen. James ist der typische Vertreter von -arroganter, verwöhnter und mittlerweile auch völlig übersättigter Sprössling aus reichem Hause. Er kann alles haben, was er will, ohne sich dafür sonderlich anstrengen zu müssen. In Grunde genommen muss er sich gar nicht anstrengen. Ist er deswegen so abgehoben?

Ich nippe an meinem Prosecco-Spritz und wünsche mich weit weg. Aber ich bin immer eisern und bleibe. Vermutlich werde ich sogar bis zum Schluss bleiben, auch wie immer.

Ich seufze und frage mich, warum ich dieses Mal nicht eine Ausnahme machen kann. Die Antwort kenne ich jedoch. Da ist irgendetwas, das mich immer dazu drängt auf jeder Party zu bleiben. Und dieses Irgendetwas ist vermutlich nichts anderes als Hoffnung. Die Hoffnung auf ein außerordentliches Erlebnis wie zum Beispiel ein Kuss, der mich schweben lässt oder ein ungewöhnlich anregendes Gespräch. Leider ergibt sich für gewöhnlich weder das eine noch das andere, so dass meine Hoffnung immer weiter genährt wird, ganz nach dem Motto – auf zu einer neuen Chance.

Heute ist jedoch wieder so ein Abend, bei dem ich insgeheim genau weiß, wie er enden wird. Und zwar weit nach Mitternacht mit einer Packung Eis auf meiner Couch.

„Ja, jetzt ist er endgültig vom Markt, wie es aussieht", reißt mich eine Stimme dicht hinter mir aus meinen Gedanken.

Als ich mich umsehe, erblicke ich zu meinem Leidwesen James. Ist sein Flirt mit diesem Mädchen etwa bereits beendet?

Ich zucke nur mit den Schultern.

James lacht.

„Dein sehnsuchtsvoller Blick in Richtung Adam Donovan ist mir nicht entgangen. Sieh es endlich ein, du bist für ihn immer nur der Kleine-Schwester-Typ gewesen."

„Auf die Mitteilung deiner Erkenntnisse bezüglich zwischenmenschlicher Beziehungen habe ich nur gewartet, James. Und im Übrigen will ich dich davor warnen, eine Straftat zu begehen. Wie alt ist bitte diese Mädchen, das du derart intensiv angräbst? Ich hoffe, dass du sie später nicht nötigst an deiner hauseigenen Poledance-Stange zu tanzen."

„Geschickt vom Thema abgelenkt. Und keine Sorge, Amber ist bereits 18 Jahre alt und ich werde sie auch nicht zu irgendetwas nötigen. Bist du jetzt wirklich eifersüchtig?"

„Auf was sollte ich denn deiner Meinung nach eifersüchtig sein? Und wo ist diese Amber überhaupt? Sind deine Flirtkünste etwa eingerostet? Aber nein, eingerostet sind sie sicherlich nicht, sondern nur mittlerweile zu routiniert und daher zum Gähnen."

„Vielleicht bist du darauf eifersüchtig, dass ich im Gegensatz zu dir nicht irgendwelchen unrealistischen Vorstellungen von romantischer Liebe hinterherjage und unglücklich bin, sondern durchaus viel Gefallen an einem kurzen Flirt für einen Abend und eine Nacht finde. Amber ist gerade auf der Toilette. Du kannst das natürlich gerne überprüfen, wenn du willst."

„Bin ich froh, nicht derart in Klischees zu denken wie du. Und auch ein James Bancroft sehnt sich nach Liebe, genau wie sich eine Grace Crichton hin und wieder nach unverfänglichem Spaß sehnt."

„Kann schon sein, dass ich mich nach Liebe sehne. Möglicherweise definiere ich Liebe jedoch anders als du. Und Sex ist nicht gleich Liebe oder?"

„Sex im Sinne von Intimität hat sehr wohl etwas mit Liebe zu tun, findest du nicht?"

„Wenn du es nicht wärst, Grace, dann würde ich jetzt gerne fragen, ob ich dir beweisen dürfte, dass Sex ohne Liebe sehr angenehm sein kann."

„Das weiß ich auch ohne irgendwelche Beweise deinerseits."

Statt einer Antwort, sieht James in Richtung dieser Amber, die über den Rasen in unsere Richtung läuft und wie eine irre strahlt. Ich glaube, mir wird gleich schlecht.