Prolog

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„Die Fahrkarten, bitte." - hörte ich da eine Stimme, gerade mal zehn Meter von mir entfernt. Oh, scheiße!
Da entschied man sich einmal mit der Straßenbahn zur Schule zu fahren und dann sowas. Verdammt, ey! Meine Mutter killt mich. - schoss es mir durch den Kopf. Langsam, ganz langsam stand ich auf und versuchte, so unauffällig wie irgendwie möglich, in die entgegengesetzte Richtung zu laufen. Was garnicht so leicht war, da meine bunten, hochgestylten Haare ziemlich auffällig waren und auch meine Springerstiefel nicht gerade zum davonschleichen gemacht wurden. Meine Kleidung war ebenso ungünstig für diese Situation: Eine zerrissene, mit Flicken besetzte Hose, die so aussieht als ob meine Oma sie geflickt hätte und die an manchen stellen nur noch von Sicherheitsnadeln zusammengehalten wird. Ein löchriger alter Pullover, der auch so aussieht als ob er meiner Oma gehören würde und dazu eine Jacke, die der Hose zum verwechseln ähnlich sah. Ein bisschen Schmuck und Ketten, die bei jedem meiner Schritte klackten.
Zugegeben: Der Pullover gehörte meiner Oma. Sie hat ihn mir kurz vor ihrem Tod vor zwei Jahren geschenkt, weil ich ihn immer so schön fand. - Und das tue ich heute noch.
Vorbei an den Leuten, denen quasi die Augen aus dem Kopf sprangen, als ich mich an ihnen vorbei quetschte und mich an die hinterste Tür des Waggons stellte.
Von draußen peitschte der Regen gegen die Scheiben. Kein Wunder, es ist ja auch Mitte November. Kalt ist es draußen außerdem, aber der Regen ist in erster Linie schlimmer. Hoffentlich legt sich das bis zum Nachmittag wieder.
Endlich kündigte die Computerstimme die nächste Haltestelle an, denn der Kontrolleur-Fuzzi war mir wieder gefährlich nahe gekommen. Da hielt die Bahn auch schon an. Die Türen sprangen auf und ich hinaus in den strömenden Regen, meine Tasche auf dem Rücken.
Es waren noch gute zehn Minuten Fußweg von hier zum -Gymnasium, wenn ich rennen würde jeden Falls. Und damit würde ich mit Sicherheit zu spät kommen. Aber immerhin war ich dem Kontrolleur entkommen.
Ich rannte los. In der ersten Stunde hatte ich Geschichte, wo mein Lehrer mich ständig auf dem Kieker hatte. Zuspätkommen war also mehr als nur ungünstig. Der Kerl hasste alles was nicht seinen Normen und Werten entsprach, womit ich und meine Freunde ein gefundenes Fressen für ihn waren.
Ich bog gerade um die letzte Ecke, sah das Gymnasium sogar... und hörte die Klingel. Kurz blieb ich stehen um zu verschnaufen und sah auf meine Armbanduhr: „Oh Mist!" - fluchte ich dann laut und lief weiter.
Ich passierte das Schultor und sprintete über den Pausenhof.
Ziemlich durchnässt durchquerte ich die menschenleeren Flure, vorbei an den Chemiesälen und hoch in den zweiten Stock.
Außer Atem kam ich vor Raum 218 zum stehen. Ich klopfte und nach ein paar Sekunden hörte ich die kratzige, überaus gereizte Stimme von Herrn Brecht. „Herein."

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