4.Kapitel

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"Hast du die Stelle bekommen?" fragte Charlotte aufgeregt. Meine Geschichte, hatte sie vollkommen in den Bann gezogen. Die ganze Zeit hatte sie mir schweigend zugehört und mit großen Augen starrte sie mich an. Ihr Blick verriet wie aufgeregt sie war und aus Nervosität wickelte sie eine ihrer langen Haarsträhnen um ihre Finger.

"Am besagten Tag, machte ich mich sehr früh am Morgen auf den Weg nach Highclere Castle. Noch vor Sonnenaufgang, lief ich über die nebeligen Wiesen ins Dorf. Es war schwierig, dabei nicht mein bestes Kleid zu beschmutzen. Denn die Wiesen waren an vielen Stellen schlammig und sumpfig. Oft war ich am frühen Morgen, noch bevor meine Mutter aufstand spazieren gegangen. Über Wiesen, Felder und durch die Wälder. Deshalb kannte ich jeden Baum, jeden Strauch und jede noch so schlammige Pfütze.

Meine Mutter hatte einen Platz in der Postkutsche für mich gebucht. Deshalb lief ich bis zur Poststation, wo schon zwei andere auf die Kutsche warteten. Eine alte Dame, die anscheinend in Begleitung ihres Ehemannes, einem komischen, alten Kauzes reiste.

Wie beinahe immer, kam die Postkutsche zu spät, sodass wir noch eine ganze Weile in der eisigen Morgenluft stehen mussten. Unsere Hände würden taub und wir begannen schon zu bezweifeln, dass die Kutsche überhaupt eintreffen würde.

Als sie endlich ankam, war sie schon beinahe voll. In der Kutsche war es sehr eng, da alles mögliche darin befördert wurde. Ich erinnere mich nur zu gut an eine alte Dame, die einen Käfig mit gackernden Hühnern in der Kutsche transportierte. Während der ganzen Fahrt gackerten und scharrten sie in ihrem engen Käfig und von ihrem Theater bekam ich Kopfschmerzen.

Die Fahrt in der Kutsche dauerte lange und war alles andere als angenehm. Es holperte, schaukelte und die Kutsche ächzte so laut, dass ich dachte, sie würde entzwei brechen.

Die Kutsche brachte mich bis zu einem kleinen Dorf in der Nähe von Highclere. Von dort aus suchte ich meinen Weg zu Fuß.

An diesem Tag erblickte ich zum ersten Mal in meinem Leben die wunderschönen Parkanlagen von Highclere. Von diesem Moment an, fühlte ich mich in Highclere wie zu Hause.

Staunend lief ich auf das große wunderschöne Haus zu. Und ehrfürchtig betrachtete ich die vielen Türme, Erker und Fenster. Noch nie zuvor in meinem Leben hatte ich solche Pracht und solchen Reichtum gesehen.
Langsam Schritt ich auf das Haus zu und ging währenddessen noch einmal alles durch, was ich mir an antworten für das Bewerbungsgespräch zurecht gelegt hatte. Dies würde das erste Bewerbungsgespräch meines Lebens werden. Weshalb ich unbeschreiblich nervös war.

Ich Schritt über den breiten Sandweg auf den Haupteingang zu. Bevor ich hinein ging, stand ich noch einen Moment zögernd vor dem Haus. Ich war fest entschlossen, ich wollte diese Stelle unbedingt haben.

Mit festen, entschlossenen Schritten betrat ich zum ersten Mal in meinem Leben Highclere Castle. Schon in der Eingangshalle sank mir der Mut. Eine Reihe von mindestens zwanzig jungen Mädchen stand schon bereit. Sie alle wirkten auf mich sehr viel erfahrener, als ich es war. Wie sollte ich gegen all die Mädchen bestehen? Am liebsten wäre ich gleich wieder umgekehrt, doch mein stolz hielt mich davon ab. Ich reihte mich hinter dem letzten Mädchen ein.

Während ich wartete, betrachtete ich die ganze Pracht, die mich umgab. Alles war luxuriös, wunderschön und prunkvoll. Ich stellte mir vor, wie es wohl wäre, wenn ich hier als Dienstmädchen arbeiten würde. Von mehr wagte ich nicht zu träumen. Um ehrlich zu sein träumte ich niemals davon. Denn ich wusste, dass dieser Traum niemals in Erfüllung gehen würde."

Charlotte sah mich aus ihren großen, grauen Augen an. "Und jetzt bist du die Gräfin...." murmelte sie. Bedächtig nickte ich, aus mir ist Lady Bentley von Highclere Castle geworden. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich nie damit gerechnet, dass ich jetzt da wäre wo ich bin.

"Wie sahst du damals aus?" fragte Charlotte und wendete den Blick vom Fenster ab. Ich seufzte, "du wirst es dir wahrscheinlich schlecht vorstellen können, doch ich war nicht immer diese vertrocknete Hülle, die ich jetzt bin." Charlotte lachte und auch ich musste schmunzeln. "In meinem Nachtschrank, ist in der obersten Schublade ein Metallkästchen. Würdest du mir das bitte bringen?" Bat ich Charlotte.

Sofort stand sie auf, und tat worum ich sie gebeten hatte.
Als sie wieder neben mir saß, reichte sie mir vorsichtig das Kästchen. Als ich es öffnete strömten all die lang vergessenen Erinnerungen wieder auf mich ein.

Ich suchte nach einer ganz bestimmten Fotografie und reichte sie Charlotte. Die Fotografie zeigte ein wunderschönes achtzehnjähriges Mädchen. Mit langen blonden Haaren, großen, grauen Augen und einem engelsgleichen Gesicht.

"Das warst du?" Charlotte betrachtete das Photo lange und genau. Sie konnte sich kaum davon lösen. "Du warst wunderschön" sagte Charlotte. sie begann noch mehr zu lächeln und hauchte: "und ich habe deine Augen!" Ich nickte, "meine Eltern hatten diese Fotografie anfertigen lassen, kurz bevor ich den Dienst in Highclere antrat." "Wie kam es dazu" fragte meine Enkelin ganz begierig darauf, zu erfahren wie es weiter ging.

"Ich wartete eine gefühlte halbe Ewigkeit. Vom stehen taten mir die Beine weh, ich war müde und hungrig.
Endlich wurde ich Aufgerufen. "Clara Carson" rief eine tiefe Stimme, aus dem Raum, in den bereits alle Mädchen vor mir verschwunden waren. Einige hatten den Raum freudestrahlend verlassen, andere völlig in Tränen aufgelöst. Ich hatte keine Ahnung, was mich jetzt erwarten würde.

Das Gespräch fand in der Bibliothek statt. Als ich den Raum betrat, wurde ich noch ehrfürchtiger. Der ganze Prunk und all die Bücher schüchterten mich unglaublich ein. Damals sah die Bibliothek schon genauso aus wie heute. Es ist nur das eine oder andere Buch und einige hässliche Erbstücke dazugekommen.
Der alte Lord Bentley saß an seinem Sekretär. Neben ihm saß der Butler Johnson.

Ich knickste, so wie sich das gehörte

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Ich knickste, so wie sich das gehörte. Die beiden begrüßten mich und begannen mir Fragen zu stellen. Leider kann ich mich kaum noch daran erinnern...
Ich hatte das Gefühl, dass ich jede der Fragen nur unzureichend beantwortet hatte. Ich fühlte mich in dieser Situation äußerst unwohl. Und je länger das Gespräch dauerte umso stärker wurde das Gefühl, dass ich diese Stelle niemals erhalten würde.

Mit gesenktem Kopf trat ich aus dem Raum. Dabei rannte ich in einen jungen Mann hinein. Verwirrt blickte ich auf. Das Gesicht des Mannes war schön, schöner als ich je eines gesehen hatte. Das Gesicht hatte etwas eigenes und jede Menge Charakter. Seine Nase hatte einen leichten Buckel, der sein Gesicht noch vollkommener machte. Sein Haar war braun und strubelig. Aber am beeindruckendsten waren seine Augen. Zuerst dachte ich, sie wären grün. Doch als er zurück trat änderten seine Augen die Farbe und wurden braun.
Er war gut gekleidet, offensichtlich ein Bewohner dieses Hauses. Ich knickste und entschuldigte mich mit gesenktem Haupt.

"Ich muss mich entschuldigen" sagte er. Seine Stimme war wohlklingend und hatte die Kraft mein aufgewühltes Gemüt zu beruhigen. Er strahlte eine unglaubliche Macht, Kraft und Sicherheit aus.

"Ich muss jetzt gehen" stotterte ich und stolperte ganz verwirrt aus dem Haus.

Lady Bentley von Highclere Castle Teil IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt