21.Kapitel

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Mit meinen welken Händen durchsuchte ich die Schachtel nach dem Telegramm. Als ich es endlich gefunden hatte, reichte ich es Charlotte. Die es aufmerksam, beinahe ehrfürchtig betrachtete. Offenbar hatte es ihr die Sprache verschlagen.
Nachdem sie das Telegramm mehrmals von allen Seiten betrachtet hatte reichte sie es mir vorsichtig.

"Wer hat das Telegramm damals geschickt" fragte sie. "Ich weiß es nicht" murmelte ich, "ich vermute, dass es einer der Londoner Freunde des Lords war."
Charlotte nickte bedächtig, "gab es eigentlich noch Ärger wegen eurer Verlobung?"
Als ich Charlottes Augen vor Neugier glänzen sah, konnte ich einfach nicht anders, als weiter zu erzählen:

"Die Verlobung schien vergessen zu sein. Der Lord schickte auf der Stelle alle Gäste nach Hause, auch wenn dies alles andere als höflich war. Und die Familie kehrte auf dem schnellsten Weg nach Highclere Castle zurück.

Den ganzen restlichen Tag hörten wir, wie der Lord über den Fernsprecher mit Gott weiß welchen Leuten telefonierte. Wir Bediensteten taten mehr oder weniger unsere Arbeit. An diesem Tag viel es uns allen schwer uns zu konzentrieren. In wessen Gesicht ich auch blickte, sie sahen alle schockiert aus.

Der Lord hatte als er nach Hause kam in seiner Wut geschrien, dass wir sofort die Dekoration wegbringen sollten.

In den nächsten Tagen und Wochen waren die Zeitungen voll mit Nachrichten über den Krieg. Und es gab kaum noch ein anderes Gesprächsthema, oben wie unten. Die Männer waren dazu aufgefordert sich freiwillig als Soldaten zu melden. Viele der Männer sprachen davon in den Krieg zu ziehen und wirkten dabei so euphorisch, als gingen sie auf ein Fest.
John der Diener sprach nur noch davon sich freiwillig zu melden und in den Krieg zu ziehen. Damit ging er allen anderen ziemlich auf die nerven. Eines Abends hatte die alte Köchin die Schnauze voll und brüllte: "du weißt doch nicht worauf du dich da einlässt! Wenn ich du wäre würde ich mich mit allen Mitteln vor der Einberufung drücken."

Daraufhin verstummte John für eine Weile. Doch wir alle wussten, dass er sich niemals von einer alten Köchin von seinem Entschluss abbringen lassen würde. So dass alle es sehen konnten, schrieb er noch am selben Abend nach London und meldete sich freiwillig.

Auch oben wurde viel darüber diskutiert, ob man sich freiwillig melden solle oder nicht. Denn auch viele Adlige zogen in den Krieg.

Sir Leigh der Verehrer, denn Lady Sophie nicht heiraten wollte, war einer der ersten, die sich freiwillig meldeten. Für Lady Sophie war dies ein Segen, denn dadurch war das leidige Thema Ehe erstmal vom Tisch.

George war einer derjenigen, die nicht mit in das Kriegsgeschrei einstimmten. Wir trafen uns wieder öfter, wahrscheinlich aus einer unterbewussten Angst, dass wir nicht mehr viel Zeit haben könnten. Dabei wusste ich allerdings nicht, ob es heimlich war oder nicht. Wir mussten uns nicht mehr verstecken, doch wir trafen uns auch nie, wenn andere dabei waren.

"Ich will nicht in den Krieg" murmelte George, "ich kann keinen Menschen töten..."
"Du musst doch auch nicht in den Krieg" flüsterte ich, und schmiegte mich an ihn. Einen Augenblick schwiegen wir und dann sagte George: "mein Vater meint, es ist feige, nicht in den Krieg zu gehen. Und dass es unsere Pflicht als Adelige ist, den unteren Schichten ein Vorbild zu sein."
"Aber dein Vater kann nicht von dir erwarten, dass du dich meldest. Das ist deine Entscheidung."

Ich hatte immer geglaubt, dass George als Adliger sich aus dem Krieg raushalten könnte. Denn seine Familie hatte Geld und gute Beziehungen. Dies war anscheinend doch keine Freikarte um sich aus allem rauszuhalten.

Wir lagen noch eine Weile im Gras vor der alten Mauer und versuchten den Krieg zu vergessen. Wir sprachen über unser zukünftiges Leben, wenn wir verheiratet wären und der Krieg vorbei wäre...

Lady Bentley von Highclere Castle Teil IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt