1 - Eine stürmische Nacht

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Christian Lindner wusste was er zu tun hatte. Er kannte jeden Zentimeter des Körpers vor ihm so gut wie seinen eigenen und er wusste wie er den Puls seines Gegenübers zum rasen brachte. Jedes Keuchen, jedes Stöhnen, jedes geflüsterte Wort zwischen ihnen war dem Politiker vertraut und doch fühlte es sich so an, als ob er all das zum ersten Mal hörte.

Während sich ihre Lippen wieder trafen, strich Christian sanft mit seiner Hand vom Oberschenkel seiner Liebschaft hinauf über Bauch und Brust, bis er schließlich an ihrer Wange angekommen war. Lächelnd löste er sich aus dem Kuss und sah in das Paar blauer Augen, das ihm jedes Mal, wenn er es auf den Gängen der Bundestagsgebäude erblickte, einen angenehmen Schauer über den Rücken jagte.

"Du siehst glücklich aus", flüsterte Lindner grinsend. "Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sage, aber ja. Ich bin glücklich. Du machst mich glücklich", lautete die Antwort. Die Person in Christians Armen legte ihren Kopf auf seine Brust und schloss zufrieden die Augen. "Auch wenn ich sagen muss, dass ich glücklicher wäre, wenn wir uns nicht jedes Mal in deinem Büro treffen müssten."

Christian seufzte schwer. Jedes Mal kamen sie wieder auf dieses leidige Thema zu sprechen! "Du weißt genau, dass es nicht anders geht. Was wenn uns jemand sieht? Was wenn das hier auffliegt? Die Konsequenzen für uns beide wären-"

"Ja, ja, ja, ich weiß schon", wurde er unterbrochen. "Dein Image, mein Image, das Image der Partei... Christian vielleicht interessiert mich das alles nicht mehr, hast du darüber schon mal nachgedacht? Es ist 2019, die Wähler kommen schon darüber hinweg, dass wir miteinander schlafen. Oder was ist dein Problem?" Christian sagte nichts. Stattdessen fixierte er einen Punkt an der Zimmerdecke und presste die Kiefer fest zusammen.

Die Person neben ihm setzte sich auf und drehte sein Gesicht so, dass sie einander ansehen mussten. "Oder ist es wegen... ihr?" Christian schloss die Augen. "Ja. Nein. Nicht nur. Es ist einfach... das was hier zwischen uns läuft, das macht mir sehr viel Spaß, aber das mit ihr ist eben nochmal eine andere Sache." Lindner spürte, wie die Hand an seinem Kinn verschwand. "Dir geht es doch nicht anders. Außerdem wussten wir beiden von Anfang an zu welchen Konditionen diese Beziehung hier geführt wird, oder?" Lindners Gesprächspartner lachte hart auf und erhob sich.

"Konditionen... als ob ich ein Bausparvertrag wäre!" Wütend griff seine Affäre nach ihrem weißen Pullover, der über Christians Schreibtischstuhl hing und zog ihn sich über. Der FDPler beobachtete das Schauspiel traurig. "Sieh mich jetzt bloß nicht so an mit deinem Hundeblick! Sei lieber mal ein Mann und reiß dich zusammen! Steh' endlich zu dem was da zwischen uns ist, denn du kannst mir nicht erzählen, dass es dir hierbei nur um deinen Spaß geht."

Christian wich den strahlend blauen Augen aus, als er murmelte: "Das ist aber nicht mehr als ein bisschen Spaß. Du und ich... als könnte ich jemals mit dir zusammen sein." Einige Sekunden herrschte Stille im Raum, dann hörte Lindner nur noch wie die Tür zugeknallt wurde. Stöhnend vergrub er das Gesicht in seinen Händen. Scheiße. Diesmal hatte er es wirklich versaut, aber was sollte er denn sagen? Ja, auch er wünschte manchmal, dass sie einfach eine normale Beziehung führen konnten, aber das ging einfach nicht. Wegen seinem Status als Parteichef und vor allem nicht wegen der Frau in seinem Leben.

Nachdem er noch einige Minuten ins Leere gestarrt hatte, begann auch Christian damit sich wieder anzuziehen. Er war vollkommen erledigt und wollte jetzt nach diesem Streit nur noch nach Hause. Außerdem war es schon kurz vor Mitternacht. Sie mussten sich oft so spät treffen, da die Gefahr erwischt zu werden tagsüber einfach zu groß war.

Das Geräusch der Tropfen an seinem Bürofenster ließ Christian aufsehen. Erst jetzt fiel ihm auf, dass draußen ein Gewitter tobte. Hoffentlich würde er bei diesem Sturm gut nach Hause kommen.

*

Annalena klammerte sich an ihren Schreibtisch und zählte langsam bis zehn. Verdammter Mist, sie hasste dieses Wetter! Blitz und Donner jagten ihr schon seit ihrer frühsten Kindheit furchtbare Angst ein.

Sie hatte gehofft, dass es einfach schnell vorbeigehen würde, doch stattdessen schien der Sturm immer schlimmer zu werden. Lange würde sie es hier nicht mehr aushalten. Annalena zuckte zusammen, als ein weiteres Donnergrollen das Jakob-Kaiser-Haus erschütterte. Vielleicht hätte die Vorsitzende der Grünen den Sturm auch irgendwie allein durchgestanden, doch spätestens als ein weiterer gewaltiger Blitz den Nachthimmel erhellte und kurz darauf sämtliche Lichter im Regierungsviertel erloschen, kochte in ihr die blanke Panik hoch.

Sie musste jetzt ganz schnell jemanden finden, der auf sie aufpasste! Natürlich war der Gedanke ein wenig irrational, denn wie sollte sie einer ihrer Kollegen vor einem Blitz retten? Doch Annalena brauchte jetzt jemanden, der ihr die Hand hielt.

Sich mit ihrem Handy den Weg leuchtend verließ sie ihr Büro. Vielleicht war Robert ja noch da oder auch Claudia, aber im Moment war sie so verzweifelt, sie hätte sich sogar zu Andi Scheuer ins Büro gesetzt.

Annalena eilte den Gang zu Roberts Büro hinunter. Jeder Blitz ließ die Fenster entlang des Korridors aufleuchten und jedes Mal erwartete sie, dass jemand - oder etwas - plötzlich vor ihr stand. Ganz wie in einem Horrofilm. Am Büro ihres Kollegen angekommen klopfte Annalena kräftig gegen die Tür - und erhielt keine Antwort. Verdammt. Vermutlich war Robert schon nach Hause gefahren. Auch unter der Bürotür von Lindner, dessen Arbeitsplatz direkt neben dem des Grünen-Parteichefs lag, drang kein Licht mehr hervor.

Annalena atmete tief durch und ging dann weiter Richtung Treppenhaus. Irgendjemand musst doch da sein! Vielleicht wurde sie in den SPD-Büros ja fündig. Andrea Nahles war bekannt dafür öfter mal eine Nachtschicht zu schieben. Sie betrat das offene Treppenhaus und konzentrierte sich darauf, nicht in einer der Wasserpfützen auszurutschen. Durch das Glasdach regnete es jetzt schon seit Jahren herein und niemand unternahm wirklich etwas dagegen.

Als Annalena den Treppenabsatz fast erreicht hatte sah sie von ihren Füßen auf - und erschrak.
Ein Paar weit aufgerissener blauer Augen bohrte sich in ihre. Doch es war nicht die plötzliche Präsenz einer weiteren Person, die Annalena das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Es war vielmehr die Szene, die sich der Politikerin bot. Zwischen ihr und der anderen Person lag niemand anderes als Christian Lindner regungslos auf dem Boden. Ein kleines Rinnsal Blut floß aus einer Wunde an seinem Kopf und sammelte sich auf dem Boden. Es war unmöglich zu sagen, ob er noch atmete. Annalena starrte die neben Christian knieende Person sprachlos an.

"Baerbock... Annalena... Es ist nicht so wie es aussieht", hauchte Linda Teuteberg gerade so laut, dass die Andere es hören konnte. Langsam und mit zitternden Knien stand Linda auf. Erst jetzt fiel Annalena auf, dass ihr weißer Rollkragenpullover voller Blut war.

Erst ein erneuter Blitz, der die Szene erhellte, weckte Annalena aus ihrer Starre auf. Als Linda eine Hand nach ihr ausstreckte wich sie wie automatisch zurück. Nein, das konnte nicht wahr sein!

Annalena sah Lindas flehenden Blick. Dann drehte sie sich um und rannte los.

Here I am, once again...
Willkommen zu meinem kleinen Bundestagskrimi!

Der Hype schien ja vorbei zu sein, aber irgendwann kommen alle Trends einmal wieder. Da braucht man sich ja nur ansehen wie die Kids™️ heutzutage rumlaufen.
Anyway! Ich hab noch eine Geschichte auf Lager und die war für mich gar nicht so einfach zu konzipieren. Jetzt denke ich aber, dass wir anfangen können.

Die Story spielt Anfang 2019 und dabei sind, man könnte es fast so sagen, die üblichen Verdächtigen!

Enjoy <3

Aus unserer Mitte - ein BundestagskrimiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt