Kapitel 11 - Hinatas POV

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Die warme Sommersonne schien durch das große Fenster direkt in mein Gesicht. Beinahe automatisch griff ich mit meinem linken Arm zur anderen Betthälfte. Leer. Mit halb geschlossenen Liedern blickte ich um mich. Dann hatte ich das alles tatsächlich nur geträumt. Blieb nur die Frage offen, wieso es ausgerechnet Milian war. Klar, wir hatten in der letzten Zeit viel zusammen erlebt und sind schnell zu superguten Freunden geworden. Aber das wars. Oder? Ich meine, schließlich gehörte Tobio mein Herz...

Aber selbst wenn das nur ein Traum war, wieso bekam ich eine angenehme Gänsehaut, wenn ich daran dachte? Kopfschüttelnd drehte ich mich von meiner Position auf den Rücken. Genau in dem Moment machte sich der Alkohol vom gestrigen Abend bemerkbar. Mein Kopf drohte zu platzen und etwas übel war mir auch.

Langsam richtete ich mich auf, doch da schoss plötzlich ein scharfer Schmerz durch meinen Unterleib. War es etwa doch kein Traum? Wenn nicht, wieso war er dann nicht hier? Sofort übermannte mich eine Welle der Traurigkeit. Es hatte sich so richtig angefühlt...

Unter Schmerzen stand ich aus meinem Bett auf und schlang eine dünne Decke über meine Schultern. Die leise Hoffnung in mir sagte, dass er in einem anderen Raum war und dort auf mich wartete. Doch diese Hoffnung wurde direkt wieder zerstört, als ich auch im letzten Raum keine Spur von ihm fand. Mein Herz verkrampfte sich. Es fühlte sich an, als wäre ich hintergangen worden.

Klar, wir waren eigentlich nur Freunde und das heute Nacht war möglicherweise nur ein Ausrutscher und eine einmalige Sache, aber trotzdem verletzte es mich, dass er, ohne etwas zu sagen gegangen ist. Milian war ein unglaublich toller Kerl, keine Frage, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass er einfach so ohne Grund fort ging. Wer weiß, vielleicht war es auch lediglich Frühstück holen.

Aus einem Impuls heraus holte ich mein Handy aus dem Schlafzimmer und wählte Mils Nummer. Das Tuten dran aus dem Lautsprecher. Doch statt das der Besitzer ran ging, hörte ich, wie ein Telefon im Wohnzimmer klingelte. Sofort lief ich zurück in den Raum. Es war tatsächlich das Handy des Braunhaarigen, welches auf dem Couchtisch lag.

Wenn sein Handy hier war, dann kam er doch sicherlich bald zurück. Aus Erfahrung in den letzten Wochen und Monaten, konnte ich sagen, dass Milian nirgends ohne sein Handy hin ging. Er dokumentierte alles und schrieb meist mit irgendjemanden. Oder besser gesagt, er schickte Bilder. Immer wenn wir nicht gemeinsam etwas unternahmen, bekam ich stündlich ein Update von dem, was er tat. Das war eine wirklich seltsame Macke von ihm.

Ich hatte beschlossen mich einfach zu beruhigen und abzuwarten. Doch mittlerweile saß ich seit zwei Stunden auf der Couch und starrte abwechselnd vom Handy zur Tür. Keine Nachricht, kein Anruf, kein Schlüssel im Schloss. Nichts.

Diese Tatsache verletzte mich mehr, als es eigentlich sollte. Schließlich war das nur so etwas wie ein One-Night-Stand. Nicht mehr, nicht weniger. Aber trotzdem wollte mein Herz nicht darauf hören. Es verkrampfte sich bei jedem Gedanken immer mehr. Wieso tat er das? Das passte überhaupt nicht zu dem Bild, was ich von ihm hatte. Er lief nicht einfach so vor etwas davon, das war nicht seine Art. Naja, außer vielleicht vor dem Gespräch mit Hiroto. Aber was, wenn ihm die Nacht nicht so sehr gefallen hat wie mir, wenn er es bereute?

Egal wie sehr ich mir den Kopf darüber zerbrach, es machte einfach keinem Sinn. Im härtesten Fall müsste ich bis Montag warten, wenn wir wieder Training hatten. Aber ich wollte nicht warten. Ich wollte wissen, was los war.

Kurzerhand entschied ich zu Hirotos Wohnung zu gehen, in der Hoffnung, dass er dort war. Ich zog mich in Windeseile an und eilte zu dem Gebäude, ein paar Straßen entfernt.

»Hinata? Mil ist nicht hier, falls du zu ihm willst«, kam es verwundert von dem anderen. Shit. Aber wo war er denn dann? »Hey, ist alles okay? Du siehst gar nicht gut aus«, merkte er an. »Hast du vielleicht eine Idee, wo er sein könnte?«, fragte ich mit letzter Hoffnung.

Hiroto schüttelte seinen Kopf. »Nein, tut mir leid. Er redet in letzter Zeit fast gar nicht mehr mit mir, ich weiß nicht, wo er sich immer rumtreibt.« Dieser Satz war eigentlich ganz normal, zumindest wenn man nicht wusste, was ich wusste. »Achja? Und bestimmt hast du nicht mal eine Ahnung, wieso das so ist! Ist dir überhaupt nicht klar, wie sehr du ihn mit Inunaki verletzt?! Er trainiert sich zu Tode, nur um euch zwei Turteltauben aus dem Weg zu gehen!« Mit diesen Worten drehte ich auf dem Absatz kehrt, ohne auf eine Antwort seinerseits zu warten.

Etwas orientierungslos blickte ich um mich. Ich hatte noch zwei Möglichkeiten, wo er sein könnte. Wenn er da nicht war, würde ich Verzweifeln.

Unruhig rutschte ich auf meinem Platz in der Bahn hin und her. Die Fahrt zu unseren Trainingsgebiet kam mir doppelt so lange vor wie sonst. Doch als endlich die richtige Haltestelle kam, vergaß ich beinahe auszusteigen, weil ich so sehr in meinen Gedanken vertieft war. Mit schnellen Schritten lief ich zur Halle.

Abgeschlossen. Also war er zumindest nicht drinnen. Ich suchte auch den restlichen Platz ab, doch von dem Beachvolleyballer gab es keine Spur. Seufzend hockte ich mich auf den Boden, vergrub meinen Kopf in meinen Armen. Wo zur Hölle bist du?

Mit einer letzten Priese Hoffnung, richtete ich mich wieder auf und verließ das Gelände. Erneut fuhr ich einmal quer durch Osaka, nur um den letztmöglichen Platz zu gelangen.

Das Rauschen der Wellen drang mir entgegen. Drei Mal lief den Hafen auf und ab, wo ich ihn das letzte Mal gefunden hatte. Doch auch hier war weit und breit kein Anzeichen seiner Existenz. Ich blickte sicher eine halbe Stunde stumm aufs Wasser hinaus, ehe ich mich wieder auf den Weg nach Hause machte.

Stundenlang, zerbrach ich mir den Kopf darüber, wieso es mich so sehr mitnahm. Mittlerweile war es Mittagszeit am nächsten Tag. Anfangs dachte ich noch, dass ich lediglich Angst hatte, dass ich einen wundervollen Freund verloren hatte. Aber mittlerweile kam ich zu der Erkenntnis, dass da mehr hinter steckte. Ich hatte Gefühle für Milian und das scheinbar nicht gerade wenig.

Allerdings war auch mit der Zeit die Trauer in Wut umgeschwungen. Ich war rasend vor Zorn. Dieser Mistkerl hatte mich sitzen lassen, nachdem ich ihn so nah an mich herangelassen hatte! So wie es aussah, war ich wohl nur Mittel zum Zweck. Vielleicht war er mit den Gedanken auch nicht bei mir, sondern bei Hiroto.

Grummelnd verschränkte ich meine Arme vor der Brust und ließ mich tiefer in die Lehne der Couch einsinken. Eigentlich wollte ich so nicht denken. Ich wollte ihm vertrauen, darauf, dass es sicherlich einen guten Grund gab, dass er untergetaucht war. Wo auch immer er sein mochte.

Gerade als ich dabei war endlich weg zu dämmern - schließlich war ich schon eineinhalb Tage wach -, klingelte plötzlich mein Handy. Wie von einer Tarantel gestochen, sprang ich auf und griff nach dem Gerät. Enttäuschung überflutete mich, als ich sah, wer mich anrief. »Pedro? Lange nichts mehr von dir gehört! Wie geht es dir?«, begrüßte ich ihn.

»Shoyo, mein liebster Mitbewohner, den ich je hatte! Tut mir leid, ich hatte in letzter Zeit nicht so viel Zeit. Ich habe dir ja erzählt, dass ich jetzt mit dem Beachvolleyball angefangen habe«, erwiderte er und ich hörte das Grinsen förmlich raus. Scheinbar machte es ihm doch mehr Spaß, als er dachte. Zu der Zeit, als ich in Brasilien war und bei ihm gewohnt habe, hatte er kein Interesse an Volleyball, doch das hatte sich wohl geändert.

»Stimmt ja! Wie läuft es mit deinem Mentor? Unterrichtet er dich so gut, wie er spielt?«, hinterfragte ich. Pedro hatte mir vor einer Weile erzählt, dass ein alter Freund von ihm ein professioneller Spieler war. »Ehrlich gesagt rufe ich genau wegen ihm an.« Okay? »Du hast mit einem gewissen Milian geschlafen, hab ich recht?«, stellte er mit trockener Stimme fest.

Einige Sekunden setzte mein Gehirn aus. »Was?! Woherzur Hölle weißt du davon?«, rief ich aus. Das konnte doch nur ein dämlicherScherz sein. Aber woher sollte er davon wissen? »Milian ist gerade in Brasiliengelandet.«

Accidentally in Love - Hinata x male OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt