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Was hatte ich mir eigentlich nur dabei gedacht?!

Ich stand vor meinem großen Spiegel und betrachtete darin eine Gestalt, die meiner – nicht-existierenden – äußerst stylischen und modebewussten Zwillingsschwester, die die Klamotten, die Tante Isa immer aus Paris mitbrachte, wertschätzte und zu ihrem Alltag gehörten. Mein Körper war von Kopf bis Füßen in elegantem schwarz gehüllt. Enge Strümpfe umfassten meine Beine, die von einem nicht allzu langem Rock ab einem gewissen Punkt versteckt wurden. Passend zudem Rock trug ich ein kurzes Jackett und darunter einen leichten, cremefarbene Rollkragenpullover, das von einer teueren Perlenketten – ein Geschenk meiner Mama – geziert wurde. 

Mein Outfit war auf keinen Fall passend für die heißen Sommertemperaturen, doch wie Tante Isa sagen würden, sollte das Wetter kein Hindernis sein, das einem davon abhielt, in seinem Outfit zu glänzen. Deshalb hatte sie auch nicht besonders wintertaugliche Kleidung zum Weihnachtsessen letztes Jahr angehabt. Das war natürlich nur ein Vorfall von vielen, die ich nur allzu gern aufzählen würde.

Als ich wieder zu mir kam, begriff ich, dass ich immer noch vor dem Spiegel stand und mich selbst schon lange anglotzte. Ich schnappten nach meiner kleinen Handtasche – auch Chanel und schwarz – und meinem Handy, das ebenfalls auf meinem Bett lagen. Ein einziger Blick auf die Uhr und ich wunderte mich, warum mich Theo – ich kannte nun immerhin seinen Namen – immer noch nicht angerufen hatte. Denn wir hatten ausgemacht, dass er mich vorher anruft anstatt zu klingeln, damit meine Eltern nicht ebenfalls in diese Lüge reingerieten.

Ich tippte seinen Namen auf das Display und rief an. Es dauerte einige Sekunden, bis er abnahm. "Wo zum Teufel bist du?"

"Unten." Die Gelassenheit in seiner Stimme ließ mein Blut rasen. Wie konnte er nur meine Worte so sehr missachten?! 

Ich sprintete aufgebracht die Treppe hinunter, um zu sehen, wie Theo – wie auch immer sein Nachname war – auf unserem Sofa saß und mit meinen Eltern plauderte. Der Griff um mein Handy verstärkte sich, doch ich hielt eine entspannte, gleichgültige Miene aufrecht.

„Mama?", fragte ich vorsichtig und näherte mich dem Wohnzimmer zu.

„Liebes, du hast gar nicht erwähnt, dass du heute ein Date hast!"

Natürlich nicht, weil das ja auch kein scheiß Date ist. Ich zwang diese Worte in ein Kräuseln meiner Lippen.

„Es ist nicht so wie-" Ich wollte meine Eltern unter keinen Umständen anlügen, doch noch ehe ich die Situation berichtigen konnte, schnitt mir Theo das Wort ab.

„Rosie, wir müssen uns beeilen, wenn wir nicht zu spät kommen wollen", sagte er mit meinem Blick auf seine luxuriöse Armbanduhr und zwinkerte mir kaum merklich zu. Ich stöhnte innerlich. Warum habe ich nochmal ja gesagt?

„Hättest du mich sofort angerufen, als du gekommen bist, anstatt mit meinen Eltern zu plaudern, dann hätten wir dieses Problem nicht", sagte ich mit einem zähneknirschenden Lächeln, während sich Theo endlich dazu errungen hatte, seinen Kadaver von unserem Sofa zu erheben.

Mit ihm erhoben sich auch meine Eltern aus höflicher Etikette von ihren Sitzen. Ganz der Charmeur drückte er meinen Eltern zum Abschied die Hand und stolzierte eleganten Schrittes auf mich zu.

Er nahm meine Hand in seine, drückte mir einen sanften Kuss auf die Stirn, wobei ich fast aus Reflex zurückgewichen wäre, und versprach meinen Eltern, dass wir zu einer angemessenen Zeit zurück wären. Diese lächelten uns beide nur verzückt an. Was war denn mit ihnen los?

Kaum waren wir aus der Haustür in die Altstadt hinausgeschlüpft, wandte ich meinen Kopf zu ihm, um ihn anzumotzen, doch er kam mir mit dem Reden zuvor.

„Und? Bist du schon nervös, Liebes?"

„Ha, wie lustig du doch nur bist!" Das Glas war gerade zum Umkippen voll. „Hatte ich dir nicht strengstens verboten zu klingeln? Geschweige denn meine Eltern ebenfalls von dieser Lüge zu überzeugen?"

„Ich habe ihnen nicht gesagt, dass wir ein Paar sind!", protestierte er, doch ich konnte nur mit dem Kopf schütteln. Es war einfach zu dumm, diese Unterhaltung fortzuführen. Vor allem, wenn er nicht verstehen konnte, dass mich meine Eltern heute über mein angebliches 'Date' ausquetschen würden. Denn für meine Eltern waren auf einen Date zu gehen und ein Paar sein praktisch Synonyme.

„Nehmen wir einen Taxi?", fragte ich schließlich und ließ seine Hand los.

„Nein", sagte er mit einem Grinsen, „Ich fahre."

„Du was??"

Dieser Typ war nach meinen Berechnungen 17 und erst in einem Monat 18 und auch wenn er volljährig war, dürfte er nur mit Begleitung fahren. Also was zur Hölle bitte will er fahren? Ein Fahrrad? Shit-

„Ich steige auf diesem Ding nicht drauf", protestierte ich, die Arme vor der Brust verstärkend.

„Dann kannst du gerne laufen", sagte er mit einem zuckersüßen Lächeln, ehe er sich den Helm aufsetzte.

rosie's number 13Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt