2. Kapitel: Lass mich los

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~1 Monat später~

Jessica P.o.V.

Meine Augen brannten und krampfhaft versuchte ich, die Tränen zurückzuhalten. Panik kroch meinen Körper hoch und nur stoßend konnte ich Luft holen.

Warum?

Warum hatten sie mich gerettet?

Ich wollte nicht gerettet werden und trotzdem hatten sie es getan.

Meine Finger umfassten die abgenutzte Jacke und meine Beine trugen mich immer weiter fort. Ich hatte kein Ziel.

Der Regen prasselte unbarmherzig auf mich herab.

Und wieder schoss mir dieses eine Bild in den Kopf.

Grüne Augen.

Ich stoppte und atmete tief durch. Diese Erinnerung beruhigte mich und langsam kam ich wieder zu Atem. Meine Gedanken ordneten sich wieder und mein Gehirn fing an zu arbeiten.

Was nun?

Mein letzter Versuch, alles zu beenden, war gescheitert auch wenn er gut angefangen hatte und nun brauchte ich einen neuen Plan.

Mein Blick hob sich vom Fußboden und ich ließ meinen Blick schweifen, bis ich an etwas hängen blieb. Das war es. Die Tower Bridge.

Der Fußweg war weit genug über dem Wasser, sodass ein Sturz den unausweichlichen Tod heißen würde. Perfekt.

Ich beschleunigte meine Schritte wieder und nur wenige Minuten später war ich oben. Ohne zu stoppen rannte ich einfach weiter und die Tränen verließen meine Augen. Bald wäre es endgültig vorbei. Und dieses Mal konnte mich niemand retten. Niemand aufhalten.

Ich wollte nicht mehr und mein einzigster Wunsch war es, endlich meine Mutter wiederzusehen. Nach all den Jahren voller Schmerz. Voller Einsamkeit.

Die Brücke war wenig besucht, nur in der Ferne erblickte ich eine Person, welche am Geländer lehnte. Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus und innerlich verließ endlich die Kälte meine Glieder. Diese Person würde es nicht schaffen mich aufzuhalten. Vorfreude statt Angst breitete sich in meinem gesamten Körper aus und ein letztes Mal beschleunigte ich meine Schritte. Mit fliegenden Füßen streifte ich die Person am Geländer und während ich einfach weiter rannte vernahm ich nur ein lautes "Hey" hinter mir. Im Lauf drehte ich mich um und blickte in grüne Augen. Ohne zu stoppen lief ich einfach weiter und redete mir ein, dass es unmöglich die des Unfalls sein konnten.

Eine unbekannte und doch beruhigende Freiheit leitete meine Schritte immer weiter, bis ich in der Mitte der Brücke stehen blieb. Mein Blick glitt über die Skyline von London und mal wieder wurde mir die Schönheit der Stadt bewusst. Doch so schön sie jetzt auch in der Nacht aussah, sie hatte mir viel Schmerz gebracht und ich war unendlich froh diesen Schmerz zurückgeben zu können. Mit zittrigen Fingern umschloss ich das Geländer und schwang ein Bein über die steinernde Absperrung, welche mich von meinem Tod trennte. Das zweite Bein folgte und langsam ließ ich mich auf den kleinen Vorsprung hinter der Brüstung nieder.

Meine Finger umschlossen noch immer das Geländer und ich atmete die klare Luft tief ein. Nach unten sehen wollte ich nicht und so schloss ich meine Augen. Eine beruhigende Stille breitete sich in mir aus und all die Zweifel verschwanden in einer Schicht Nebel. Alles wirkte verschwommen und doch hob sich ein einziges Bild scharf ab.

Grüne Augen.

Diese grünen Augen die eigentlich das letzte sein sollten, was ich sah. Welche ich gesehen hatte, nachdem ich aufgewacht war. Welche ich seitdem nicht mehr aus meinem Kopf bekam.

Sie ließen mich vom Boden abheben und gaben mir das Gefühl von Geborgenheit. Ein Gefühl, welches ich schon so lange nicht mehr gefühlt hatte.

Ich war bereit.

One Step ~H.S.~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt