Winzig, kleine Elemente die zu einem großen Finale führen. Ein Zusammenschluss von Gegensätzen die nur das eine wollen. Sollte man die einzelnen Wahrscheinlichkeiten der Ereignisse berechnen wollen, würde man schnell an die Grenzen der mathematischen Kapazität kommen. Schon eine genaue Beschreibung des Ortes eines einzelnen Elektron erweist sich als äußerst kompliziert und doch war jede meiner Erwartungen bezüglich deiner Rückkehr korrekt. Die verspätete Ankunft deines Busses der dich jeden Abend von der Arbeit zurückbringt. Der kräftige Luftschnapper, nachdem Ausstieg, denn die Luft ist doch so stickig da drinnen. Die 20 Schritte von der Haltestelle bis zur Ampel und 14 weitere Schritte, um die Straße zu überqueren. 3 Sekunden, um der älteren Frau, die immer zur selben Zeit den gleichen Bus mit dir nimmt, den Rollator auf den Bordstein zu heben und dann das standardisierte Bedanken für diese Samaritertat. Endspurt nach Hause, jetzt nur noch den Schlüssel aus der linken Hosentasche kramen, rein in den Fahrstuhl und in die achte Etage fahren. Das ist dein täglicher Heimweg, oder?
„Der Fahrstuhl ist kaputt. Es sieht so aus, als müssten wir beide wohl laufen" sage ich lächelnd zu dir.
Mit wenigen Worten unterbreche ich deine gewohnte Handlung. Als würde ich die Natur dazu beeinflussen von nun an nach meinen Regeln zu spielen. Denn eigentlich geht es gar nicht um Berechnungen der Wahrscheinlichkeiten von Auftreten bestimmter Ereignisse, sondern nur um gezielte Manipulation von mikroskopischen Umständen. Wie beim Konzept der theoretischen Teleportation von Elektronen. Wir erschaffen keine neuen Elektronen an unserem gewünschten Zielort oder transferieren blitzschnell Masse, wir beeinflussen nur die Umstände, in denen diese existieren.
Das ist mein Testfeld und du bist mein Elektron.Steige hinauf, ich lassedir den Vortritt. Die Tür knallt hinter mir fast schalldicht zu und dasExperiment beginnt. Alle Möglichkeiten der Störung sind eliminiert. Weil der Fahrstuhlgar nicht kaputt ist, wird niemand daran denken die Treppen zu benutzen. Warumsollte jemand in unserer modernen und faulen Welt also noch freiwillig Treppen steigen,wenn es doch eine angenehme und schnelle Möglichkeit der Beförderung gibt? DasLicht im Treppenhaus wird durch Knopfschalter auf jeder Etage temporär angemacht,jedoch geht nicht das gesamte Licht an, sondern nur die jeweilige Etage. Anfänglichlassen sich die Stockwerke im Zeitraum, in dem das Licht an ist, bewältigen dochmit mehr bestiegenen Stufen zeigt sich die Anstrengung in den Muskeln und manwird automatisch langsamer. Ein Rennen gegen die Dunkelheit, könnte man meinen.
Ich folge dir leise aber nicht sonderlich auffällig, du sollst dich von mirnicht belästigt fühlen. Fast meditativ dieses Treppensteigen. Immer wieder dieselbeAnzahl von Stufen, dieselben Lichtverhältnisse und das Alles im selben Rhythmus.Man entwickelt schnell ein Gefühl von Ruhe und Ordnung bis alles gestört wirdmit dem Erlöschen des Lichts. Unzählige Schattenfiguren entstehen dank des Mondlichts,welches durch das Sichtschutzglas fällt. Unruhe wird schnell spürbar. JedeFigur wird beim zweiten und dritten hinsehen nur gruseliger. Alles erscheint sofeindselig, ich weiß, dass du dieses Gefühl nicht magst, dein Herzschlag isthörbar, ich bin aber da für dich. Du kommst langsam ins Schnaufen, aber baldbist du am gewünschten Ort angekommen, nur noch ein kleines Stück. Die letztenStufen bis zu deiner Etage. Du willst dich beeilen aber warte. „Echt anstrengend! Ich weiß das kommtplötzlich, aber kannst du mir vielleicht bei etwas behilflich sein? Ich habe heuteMorgen zwei etwas ... privatere... Pakete in die zehnte Etage gebracht, bei mir zuhausekonnte ich die nicht abstellen, da sie sonst von meiner Familie direkt geöffnetwerden würden. Würdest du mir kurz helfen die zu holen?" Ich weiß, dass dumir hilfst. Der alten Frau hilfst du auch jeden Tag und außerdem habe ich dichvor den bösen Schattenfiguren beschützt. Du nickst, legst deine Tascheab und gehst wieder mal vor. Kurz vor dem letzten Stockwerk greife ich leise inmeine Jackentasche und nehme mein Miyabi Messer in die linke Hand. Bevor dubemerkst, dass auf dem Plateau sich nichts befindet außer der Tür zum Versorgerraumund dich umdrehst, springe ich mit einer ruckartigen Bewegung zu dir und stechedir gezielt in den linken Lungenflügel. Mit der rechten Hand halte ich deinenMund zu falls du entscheidest zu schreien. Schnell ziehe ich das Messer rausdamit deine Lunge mit Blut vollläuft und kollabiert. Mit einem Stoß fällst duauf das vom Mondlicht erhellte Plateau und verblutest. Plötzlich erscheint mirdiese Person, die ich seit Tagen verfolgt und im genausten studiert habe nichtmehr bekannt. Als würde die Essenz, welche eine Person zu DER Person macht,einfach fehlen. Ich merke, dass ich abschweife, die begangene Tat beschäftigtmich gar nicht. Kalt und regungslos betrachte ich wie das Blut nur diesenunbekannten Körper verlässt.