"Familie"

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"Hast du schon gehört, sie werden diesmal wirklich kommen", die Vorfreude hat schon lang begonnen.

Oma und Opa sind schon voll nervös, hoffentlich wird der Braten nicht porös.

Wir mieten ihnen ein Hotelzimmer, es gibt 5 verschiedene Salate - wie immer.

Aber wann haben sie gekocht, wenn wir gekommen sind, wenn die Vorfreude nur ein paar Sekunden vor unsrer Ankunft beginnt und sie eigentlich froh sind, wenn wir wieder gehen.

Warum freuen sie sich mehr auf sie, doch wir sind die, die immer rennen, wenn was ist, wenn ihre Gesundheit sich grad verpisst.

Aber wir sind ja selbstverständlich geworden, anders als die aus dem Norden, doch sind wir ehrlich, die sind froh mit aller Scheiße nichts zu tun zu haben, sich an ihrer Freizeit sorglos laben.

Sind wir ehrlich, die würden nicht kommen, wären sie sich nicht sicher, sie sind lieber willkommen als wir.

Obwohl sie es nur aus Pflichtgefühl tun, sich am 80. Geburtstag mal vom Nicht-Melden auszuruhn und vorbeizuschauen.

In aller Ehrlichkeit, ich formuliers mal ganz gescheit, wenn man die Frechheit besitzt, uns zu sagen, wir sollen nicht kommen, weil alles zu viel wird, kann man nicht von mir erwarten, mir jeglichen dummen Kommentar zu sparen.

Denn, mal ganz dumm gefragt, wer war da als der Beginn vom Ende war ?

Als wir am 4. August 2020 auf 'nem Shoppingtrip waren, aus Überraschung mit Antipasti zu ihnen fahren, und dort durch Zufall mitkriegen, nach dem kleinen Unfall wird man nicht nur das Auto reparieren.

Nein, da sitzt mein sonst so lustiger Opa und sein Mundwinkel geht beim Lächeln nicht mehr nach oben.

Denn ganz dumm gefragt, ist es nicht so? Als ich schon Angst hatte, hat man es euch noch nicht mal gesagt.

Ich frage mich, wer von uns war der, als er aus dem Krankenhaus kam und ihr habt erst viel später mitgekriegt, wie groß die Lücke wirklich ist.

Natürlich war es gut, dass ihr euch später dann gekümmert habt, weil unsere Kenntnis da versagt, doch ich hasse euch, weil ihr dann abhaut ohne Gewissensbisse, in dem Wissen, wir sind da.

Ich hasse euch, weil ihr euch nur sporadisch bei ihnen meldet, sie sich so freuen und nicht merken, dass bei euch andere Regeln gelten.

Ich hasse es, dass sobald wir bei ihnen sind, ihr das Lieblingsthema darstellt, während ich versuche, dass die Wut an mir abprellt.

Ich hasse euch, weil ihr es euch erlaubt uns zu sagen, wir sollen weg bleiben, obwohl ihr uns damit den Tag versaut.

Ich hasse euch, weil ihr, wenn ihr euch mit uns trefft, gleich zum nächsten Treffen müsst, nicht länger als eineinhalb Stunden Zeit für uns habt, aber am Mittag im Freibad hockt.

Ich hasse dich, weil du nur von dir erzähltest und dich Jahre lang nicht meldetest.

Mit aller Ehrlichkeit, ich hasse euch, obwohl man sagt, dass man nur den hassen kann, den man eigentlich mal gern hatte, doch das sind weit entfernte Tage, denn seit dem 4.8. geht alles bergab und als ich schon Angst hatte, hat man es euch noch nicht mal gesagt.

Und als ihr noch dachtet alles sei gut, hab ich schon die harte Realität gesehen, hab gehofft das alles würde nicht geschehen.

Ich weiß meine Ehrlichkeit ist gemein, das sollte in Familien nicht so sein, doch gerade liebe ich, dass ich nicht diplomatisch bin, denn sonst gäbe es ja dummerweise keine Sinn, dass ich euch abgrundtief und mit meinem ganzen Sein hasse, weil ihr dabei seid euer Leben zu verprassen, während ich tagtäglich Angst habe eine Situation wie vor zwei Jahren noch einmal zu erleben.

Bei Oma und Opa, am Küchentisch und er kann seinen Mundwinkel nicht heben.

19.11.2022

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