Manchmal ist das Schicksal ein absolut mieses Arschloch. Warum sich das Cameron, Beta seines Rudels, dachte, war für viele in diesem Moment nicht verständlich, doch bald würden sie es verstehen. Alles begann mit einem Satz.
Sein Alpha Crane sagte: „Cam, bitte geh an der Gebietsgrenze patrouillieren, dort haben wir öfter Sichtungen von den Claws gemeldet bekommen."
Also machte sich Cameron auf den Weg. Er lief bis zu der Grenze des Gebiets, das an das der Claws angrenzte und lief diese ab. Es war ein sonniger Tag, die Vögel zwitscherten, alles friedlich. Es hätte so schön sein können. Betonung lag auf hätte.
Als er zu einem felsigen Gebiet am Rande einer Wiese kam, sah er ihn. Hellgelbe Haare mit rostbraunen Strähnen und schwarzen Stellen. Die Haut leicht gebräunt und ein verdammt scharfes Gesicht. Er lag in einem lockeren weißen T-Shirt und einer kurzen grauen Hose auf einem glatten Felsen, ein aufgeschlagenes Buch auf seiner Brust. Die Augen waren geschlossen, doch er ahnte, dass auch diese atemberaubend sein würden. Die Arme und Beine waren muskulös und schlank und er musste fast so groß wie er selbst sein.
Doch das Aussehen war nicht das Problem, den Cameron war bis jetzt sicherlich nicht schwul gewesen. Betonung lag erneut auf war, denn ab heute würde er es unweigerlich sein und es gab nichts, was er dagegen tun konnte. Der Grund dafür war der Mann vor ihm – sein Gefährte. Sein innerer Wolf knurrte unmissverständlich, kein Zweifel.
Hervorragend. Warum er sich nicht freute? Ganz einfach, dieser Mann gehörte zu den Claws, dem Clan, der sich seinem Rudel mit eiserner Mauer entgegenstellte. Sollte auch nur einer die Grenze übertreten, würde dieser abgeschlachtet werden. Seit Jahren hielten sich alle an einen Vertrag, der das Abschlachten verhinderte, doch dieser war nun in Gefahr.
Bist du sicher, dass du dich nicht irrst?, fragte er seinen inneren Wolf, doch die Antwort war unmissverständlich. Er musste sich zurückhalten, nicht über seinen Gefährten herzufallen. Kontrolle.
Langsam näherte sich Cameron und setzte sich neben ihn, auf seiner Seite der Grenze, die genau zwischen ihnen verlief, und betrachtete die Prüfung, die das Schicksal ihm stellte.
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Jesses Schlummer wurde von einem Geräusch gestört. Seine Ohren zuckten und er öffnete die Augen. Sein Kopf drehte sich in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, und traf dabei auf hellbraune Augen, die unter schwarzen Haarsträhnen verborgen waren, die wild in alle Richtungen standen.
Neben ihm saß ein junger Mann mit harten Gesichtszügen und einem muskulösen Körper, auf dessen nackter Brust ein mit Rosen umschlungenes keltisches Kreuz und einem Schriftbanner, das jedoch leer war, prangte. Wie hatte er sich einfach so an ihn anschleichen können? Er hörte Geräusche in weiter Entfernung. Die Antwort war einfach, dieser Mann war keine Bedrohung für ihn.
Cameron sah die hellblauen Augen, die ihn an den Morgenhimmel erinnerten, und es war um ihn geschehen.
„Wer bist du?", erklang die Stimme seines Gefährten. Sie war tief und sinnlich, brachte sein Herz zum Flattern.
„Cameron. Wie ist dein Name?", fragte er ihn.
Dieser schürzte nur die Lippen, typisch für seine Rasse.
„Geht dich nichts an. Mach dich vom Acker, das ist mein Platz."
Damit hatte er nicht gerechnet. Er hatte eigentlich mehr... Freude erwartet, wobei sich seine auch in Grenzen hielt. Weiß er es nicht? Das war eigentlich nicht möglich. Doch bevor er sich näher damit beschäftigen konnte, stand Jesse auf und sprang elegant von dem Felsen, das Buch in der linken Hand. Ohne sich zu verabschieden, joggte er einfach davon und Cameron konnte ihm nicht folgen, denn er durfte die Grenze nicht überschreiten.
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Die Grenze zu dir
Short StoryManchmal ist das Schicksal ein absolutes Arschloch. Cameron, der Beta seines Wolfsrudels, trifft endlich seinen Gefährten. Dieser liegt auf der anderen Seite der Grenze, zwischen dem Land ihres Rudels und das des benachbarten Werkatzenrudels. Leider...