Als Shun erwachte, spürte er, wie etwas über seine Haut rieb. Als er die Augen öffnete, sah er, wie eine Hand mit einem feuchten Lappen über seinen Arm fuhr. Er blinzelte ein paar Mal, bis er klar sehen konnte. Der blonde Krieger, der ihn gefangen genommen hatte, fuhr über seinen Körper und befreite ihn von Schweiß, Blut und Schmutz.
Als Decon sah, dass sein Gefangener wach war, hielt er inne, blickte ihm in die Augen. Er sah keinen Hass oder Reue. Dieser entzog ihm jedoch den Arm und setzte sich auf. Die Muskeln bewegten sich unter dessen Haut, er hatte den Körper eines Kriegers.
„Du bist wach. Ich habe dich wohl härter geschlagen, als ich dachte", sagte Decon und setzte sich auf. Er sah keinen Grund Zeit weiter mit Höflichkeitsfloskeln zu verschwenden.
Shun fuhr sich mit der Hand über die Schläfe und spürte eine kleine Beule. Gleichzeitig rutschte die Decke etwas nach unten, und er sah, dass er unbekleidet war. Schnell zog er die Decke wieder bis zu seinem Bauchnabel.
„Ich habe dich entkleidet und neue Kleidung besorgt. Die alte war schmutzig und voll Blut." Der Schwarzhaarige nickte nur, also fuhr Shun fort. Seine Augen wanderten jedoch über die definierte Brust, das Tattoo, zurück zu diesen verteufelten Augen. „Ich habe ein Nachricht an deine Familie gesendet und ihnen bekannt gegeben, dass du meine Geisel bist. Ich fordere die Kapitulation eures Reiches." Ein leichtes Lachen erklang, was ihn verwirrte.
„Sind meine Männer gesund heimgekehrt?", war der erste Satz, den sein Gefangener sagte. Er nickte nur. Er stand zu seinem Wort.
„Gut, dann kann ich dir nun enthüllen, dass ich als Gefangener nutzlos bin. Meine Familie wird sich auf keinen Handel einlassen, im Gegenteil, sie werden dich auffordern, mich zu töten", sagte Shun mit ruhiger Stimme.
Decon schaute ihn fassungslos an. Wovon redet er? Er ist der Kronprinz. „Rede keinen Unsinn."
Shun schaute ihn an und lächelte traurig. „Es ist die Wahrheit. Der Grund, warum sie mich an die Front geschickt haben, ist, dass ich meinen Tod finde. Nun da ich in deinen Händen bin, werden sie aufatmen, da sie verkünden können, dass ich ehrenvoll im Kampf gefallen bin, und mein Bruder meinen Platz einnehmen kann."
„Warum sollten sie so etwas denken?", fragte der Decon. In seiner Familie war er auch der fünfte Sohn, also kein potentieller Thronfolger, doch seine Familie würde ihn niemals in den Tod schicken, ihn als entbehrlich ansehen.
„Weil ich ein Makel bin", antwortete der Schwarzhaarige.
Makel?
Decon konnte das nicht mitanhören, konnte das nicht glauben. Er stand auf und verließ seine Räume, direkt zu dem Besprechungsraum. Er war noch nicht an der Tür, da kam sein Stellvertreter auf ihn zu gerannt.
„Shinko, wir haben eine Antwort der Königsfamilie", sagte dieser, die Aufregung war ihm anzusehen.
Decon zögerte keine Sekunde, nahm den Brief und öffnete ihn. Er las die Zeilen, hielt inne und las sie erneut. Dann ein drittes Mal. Unmöglich.
Unser Sohn ist ehrenvoll für unser Land gestorben. Sein Andenken wird in Ehren gehalten, denn er ist für unseren Sieg gefallen.
Wut schoss durch seinen Körper und er knüllte das Papier zusammen. Ohne Umwege lief er sofort in seine Gemächer, in denen sein Gefangener immer noch auf seinem Bett saß. Er packte ihn am Hals und drückte ihn gegen die Wand, wenn auch nur leicht.
„Warum lassen sie dich fallen? Was meintest du mit Makel?", fragte Decon ihn aufgebracht. Er wollte eine Antwort.
„Ich kann keinerlei Magie verwenden und...", er brach jedoch ab.
Keine Magie. Er ist ein Prinz, das kann nicht sein. Langsam ließ er seine Magie in diesen wandern, wartete auf einen Gegenreaktion, doch es kam nichts. Oder? Für einen Moment hatte er das Gefühl, als hätte er eine Antwort erhalten, doch das schien er sich eingebildet haben. Er kann es wirklich nicht.
„Wie ich bereits sagte, ich bin nutzlos für dich. Doch auch wenn das so ist, bitte ich um einen schnellen Tod", fügte diese leise hinzu und schlug die Augen nieder.
Die Worte waren wie Feuer, das Decon verbrannte. „Welchen anderen Makel hast du noch?" Es kann nicht die Unfähigkeit zur Magie sein. Das kann nicht der Grund sein, dass sie ihn verstoßen. Er war Shun nahe, seine Augen hielten die des Schwarzhaarigen gefangen.
„Bitte geh etwas zurück", flüsterte dieser und plötzlich war in diesen blauen Augen noch etwas anderes.
„Warum?", erwiderte Decon.
„Weil mein zweiter Makel meine Unfähigkeit ist, Nachkommen zu zeugen. Mein Herz lässt keine Frau ein", sagte dieser und schlug erneut den Blick nieder.
Diese Worte waren ein Schock für den Prinzen. Er... begehrt Männer? Nun ergab seine Bitte Sinn und auch warum seine Eltern ihn verstoßen wollten. In Ravon war gleichgeschlechtliche Liebe ein Sünde, in Sylkia jedoch nicht. Sie waren offener im Geist und Denken, denn Liebe war keine Frage des Geschlechts. Sein bester Freund hatte einen Mann als Ehepartner und war glücklich mit diesem.
Ein Hand legte sich an seine Hand und zog sie sanft von dem Hals, drückte ihn etwas zurück. In diesem Moment war Decon intensiv bewusst, dass der Mann vor ihm nur mit einer Decke bekleidet war und sein Herz schlug schnell.
Der Kampf mit ihm hatte eine wilde Seite in ihm geweckt und er hatte zum ersten Mal Freude beim Kämpfen gespürt, eine Art Verbindung. Die aufrichtige Art, die Selbstlosigkeit und Stärke dieses Mannes vor ihm ließen ihn nicht kalt. Auch dessen sinnliche Art und die Augen nicht.
„Warum sollte ich dich töten?", fragte Decon, versuchte sich von dessen Augen loszureißen, in denen Überraschung aufwallte.
DU LIEST GERADE
Feurige und eisige Berührungen
Short StoryDie beiden Reiche Sylkia und Ravon liegen seit einem Jahrzehnt im Krieg. An der Front treffen zwei Prinzen beider Reiche aufeinander. Shun kapituliert zum Wohle seiner Männer, Decon entscheidet diesen als Gefangenen zu nehmen anstatt zu töten. Beide...