16- Unter Schuld und Lüge

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Die Gemächer ihrer Mutter erinnerten Mel an Schloss Dair, viele der Marmorwände waren mit Wandteppichen oder Malereien überdeckt. Eine große Harfe stand neben dem Kamin. Ihre Finger zupften an den Saiten und erzeugten so eine liebliche Melodie.

Die letzte Prüfung wartete morgen auf sie. In weniger als sechsunddreißig Stunden würde sie herausfinden auf wessen Kopf die Krone sitzen würde. Ihr Herz klopfte, aber sie versuchte es sich nicht ansehen zu lassen.

"Melpomene.", ihre Mutter legte ihre Lektüre zur Seite und schenkte ihr ein Lächeln, "Ich hatte fast vergessen es dir zu sagen. Die letzte Prüfung wird im Garten der Götter stattfinden."

Wie um ihren Schrecken zu unterstreichen zuckte sie zusammen und holte so einen grässlichen Ton aus dem Instrument. "Woher weißt du das, Mutter?", verwirrt starrte sie die Herzogin an.

Diese zuckte mit den Schultern: "Herzog Quillmen hat mir davon erzählt, mehr habe ich leider nicht aus ihm herausbekommen."

Sie versuchte vergeblich den Knoten in ihrer Kehle herunter zu schlucken. "Das wird gefährlich, ich fürchte Dusk wird dort einen Vorteil haben.", Melpomene widmete sich wieder der Harfe, aber ihre Gedanken waren zu chaotisch um sich komplett auf ihre Melodie zu konzentrieren. In kurzer Zeit schlug sie mehrmals die falsche Saite an.

"Lass deine Finger von Saiten! Wenn du als Königin deine Gefühle nicht unter Kontrolle hast wirst du es zu nichts bringen.", Constanze Dair wartete bis der Diener, welche den Raum gerade betraten hatte, wieder gegangen war, "Mach dir um die Priesterin und Sterling keine Sorgen, wir haben dafür schon einen Plan. Bevor die Monde ein zweites Mal aufgegangen sind wirst du die Krone tragen. Das schwöre ich bei Tecka und meinem Titel."

Kalte Finger legten sich um ihr Herz. Langsam wurde ihr das ganze zu viel. Melpomene kam das Essen hoch bei dem Gedanken, noch einmal jemanden umbringen zu müssen.

Aber ihre Mutter sagte nichts mehr, erzählte ihr von keinem Ziel, oder Plan. Sie begann wieder die Harfe zu spielen, dieses Mal benutzte sie ihre gesamte Konzentration darauf.

Wage hörte sie wie sich die Tür öffnet. Dann legte ihr jemand eine Hand auf die Schulter. Genervt drehte sie sich um.

Ihre Blick traf auf ein bekanntes Gesicht, braune Haar, die gleichen blauen Augen. Seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte seine Haut an Bräune zugenommen.

"Erik!", Melpomene fiel ihrem älteren Bruder um den Hals. Er erwiderte die Umarmung mit einem breiten Lächeln. Nach einigen Sekunden lösten sich die Geschwister von einander.

Erik wendete sich ihrer Mutter zu: "Schön dich wieder zusehen Mutter."

"Gleichfalls. Aber jetzt erzähl schon, was sind diese mysteriösen Begebenheiten die dich in Welhaven hielten. Die Herzog ist immerhin schon seit langem hier im Palast.", ihre grünen Augen hatten sich misstrauisch verengt, im Kontrast dazu stand ihr Lächeln.

"Das... also ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht.", nervös wischte er einige Strähnen hinter sein Ohr, "Die schlechte ist, dass Herzogin Welhaven in etwa so viel Interesse an mir gezeigt hat wie an einem schleimigen Seeschwamm. Also der Plan ist im Eimer. Aber die gute ist, dass ich euch bald zwei neue Bekannte vorstellen kann. Ich glaube ihr werdet die beiden mögen."

Mel musterte den Gesichtsausdruck ihres Bruders, sie sah Ungewissheit, ein bisschen Angst, Müdigkeit, aber auch Vorfreude.

Ihre Mutter nahm einen Schluck Wein: "Einen Spion? Einen begabten Ritter? Womöglich einen Handelspartner für Dair? Oder vielleicht einen Künstler? Jetzt rück schon heraus damit, lass deine Mutter nicht so lange im Dunkeln."

Violets bloom at NightfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt