»Sie müssten die Bananen bitte noch wiegen.«
Kennt ihr das, wenn man sich morgens einen Satz, den man richtig häufig sagt, aussucht und den dann den ganzen Tag über zählt?
Ich bin gerade bei fünf. Aber es ist auch erst Mittag. Die alten Leute kriegen es meistens hin, ihr Obst zu wiegen.
Bin ich dabei immer noch beschissen freundlich, als würde es mir nicht tierisch auf den Sack gehen, ständig auf offensichtliche Dinge hinzuweisen?
Aber natürlich.
Während der verwirrte Opi zur Obstwaage in der Gemüseabteilung watschelt, lehne ich mich auf meinem Stuhl zurück und werfe einen Blick auf das Einkaufsband und die zugehörigen Kunden.
Noch ist nicht wirklich was Interessantes dabei, nur die üblichen Wurst-in-Aspik-Packungen, mit irgendwelchem Schnaps gefüllte Pralinen und unnormal viel Katzen- oder Hundefutter.
Aber es ist eben erst Mittag und das Durchschnittsalter der Kunden noch bei etwa sechzig.
Darum mache ich lieber die Spät- oder Wochenendschichten. Da ist es spannender.
»Meinst du, ich kann eine rauchen gehen?« Die Frage richte ich an meine Kollegin Binay, die an der Kasse neben mir sitzt und mir somit den Rücken zuwendet.
Ohne den Blick vom Scanner zu nehmen, winkt sie ab. »Von mir aus. Bauer ist gleich im Morgenmeeting und es ist ja nicht viel los.«
Bauer ist der Filialleiter und es gibt kein Morgenmeeting. Das ist lediglich unser allgemeines Codewort dafür, dass er für eine halbe Stunde scheißen geht und nichts mitbekommt.
Ich glaube, dem Mann ist gar nicht bewusst, wie viele Menschen auf dem Klo verrecken.
Mir soll es egal sein. Ich komme so zu meiner ungestempelten Pause und Binay zu einem Energydrink, den ich ihr im Gegenzug spendiere.
Die Frau trinkt so viele davon, es ist mir ein Rätsel, warum sie nicht zittert. Dafür ist ihre Kassenschlange immer die Kürzeste. Sie scannt die Produkte so schnell wie niemand sonst bei uns und nicht selten verlassen die Kunden ihre Kasse schweißgetränkt, während sie bereits den Nächsten abhandelt.
Der Opi kommt freudestrahlend zurück, natürlich hat er das Etikett komplett um eine der Bananen gewickelt, um den Barcode absolut unbrauchbar für den Scanner zu machen.
Manchmal frage ich mich, ob das Absicht ist. Nicht unbedingt die des alten Mannes, aber die des Universums. Nur um mich zu ärgern.
Möglichst geduldig fummle ich den Klebezettel ab, tippe die Nummern in mein Display und reiche dem Mann die Bananen mit einem breiten Lächeln.
Klar hätte ich sie auch mit voller Wucht gegen die Bande des Auffangbereichs donnern können, damit sie spätestens bei ihm zu Hause schon erste matschige Stellen aufweisen. Aber die Kunden lieben mich und ich liebe meinen Ruf.
»Einen schönen Tag für Sie.« Ich lächle ihm hinterher, ehe ich die Kundin hinter ihm bediene und das Licht, das meine Kassennummer beleuchtet, mittels Knopfdruck von Grün auf Rot umstelle.
Ein gehetzter Mann im Anzug legt eine Brötchentüte aufs Band und tut so, als hätte er das rote Licht nicht gesehen.
Nicht mit mir, Freundchen!
»Hier bitte nicht mehr anstellen.« Ich schaue nicht mal vom Scanner auf, während ich ihm das zurufe.
Das Knistern der Tüte ist das Geräusch meines Sieges.
Mit dem breitesten Grinsen wende ich mich der letzten Kundin zu. »7,78 Euro, bitte.«
Dass sie den Betrag komplett in Münzen bezahlt, die sie mühevoll in ihrer Hand abzählt, war mir fast klar. Dann wird es nur eine Zigarette, denn bis sie fertig ist, ist Bauers Morgenmeeting beinahe vorbei. Als sie schließlich davon dackelt, stehe ich auf und zwinkere Binay zu.
»Monster in Weiß, bitte.« Sie schaut nicht mal auf, sondern lässt ein paar Konservendosen über ihren Scanner sausen, sodass diese laut rasselnd in den Auffangbereich rollen.
Ihre Kundin greift hektisch nach den ersten Dosen und zieht erschrocken ihre Hand zurück, als ein weiteres Geschoss auf sie zugekullert kommt.
Besser für sie, sie hätte bestimmt mindestens einen Finger verloren, wenn er noch zwischen den Dosen gesteckt hätte.
»Ruf, wenn was ist.« Mit diesen Worten mache ich mich auf den Weg zum hinteren Bereich des Markts.
Hinter der Käsetheke gebe ich den Code in die Tür ein und schlüpfe in den Lagerbereich. Ich ziehe bereits meine Schachtel rote Gauloises aus der Hosentasche, klemme mir eine der Zigaretten in den Mundwinkel und taste meine Jeans nach meinem Feuerzeug ab.
Fuck, das muss in meinem Rucksack im Spind sein.
Draußen an der Anlieferung kommt mir Kevin von der Fleischtheke entgegen, der süßliche Duft von Marihuana verfolgt ihn.
Der ist mir definitiv lieber als Kevins sonst sehr prägnanter Salamigestank.
»Jo, Kev, hast du Feuer?«
Lässig wirft er mir eine Packung Streichhölzer zu, seine blutunterlaufenen Augen blinzeln träge. Ohne ein weiteres Wort geht er an mir vorbei zurück ins Lager.
Ich mag Kevin. Er sagt nur selten was, sitzt meistens mit seinen unförmigen Kochhosen da, die fleckige Schürze spannt über seiner Wampe, und spielt Candy Crush auf seinem Handy, während er eine Zigarette oder gelegentlich einen Joint raucht.
An der Rampe lehnend, geschützt von möglichen Blicken – könnte ja sein, dass Bauers Schlange die Höhle schneller als gewöhnlich verlässt – zünde ich mir die Zigarette an und atme tief durch. Ich schiebe meine Brille ein Stück nach oben und reibe mir die Nasenwurzel.
Frühdienst ist einfach nichts für mich. Damit fühle ich mich alt und ... erwachsen. Wer will das schon?
Ihr fragt euch, wer ich bin?
Mein Name ist Ole. Ich bin vierundzwanzig, arbeite ganz offensichtlich in diesem Supermarkt und bin Everybody's Darling hier.
Die Kunden lieben mich, meine Kollegen lieben mich, selbst dieser Trottel Bauer liebt mich.
Herrgott, ich liebe mich!
Und das, obwohl ich eine kleine, dreckige Schlampe bin.
Doch das, ihr lieben Leute,liebe ich am meisten.
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Everybody's Darling - Einen Herzensbrecher, bitte! [Leseprobe]
عاطفية𝐈𝐜𝐡 𝐛𝐢𝐧 𝐄𝐯𝐞𝐫𝐲𝐛𝐨𝐝𝐲'𝐬 𝐃𝐚𝐫𝐥𝐢𝐧𝐠. 𝐔𝐧𝐝 𝐝𝐚𝐬, 𝐨𝐛𝐰𝐨𝐡𝐥 𝐢𝐜𝐡 𝐦𝐢𝐫 𝐚𝐥𝐥𝐞𝐬 𝐧𝐞𝐡𝐦𝐞, 𝐰𝐚𝐬 𝐢𝐜𝐡 𝐰𝐢𝐥𝐥. 𝐀𝐥𝐥𝐞𝐬. 𝐮𝐧𝐝 𝐣𝐞𝐝𝐞𝐧. Ole ist höflich, hilfsbereit und unverschämt attraktiv. Obwohl seine Familie...