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Yuma

Ich fahre Richtung Arbeit und kann nur hoffen, dass ich das wichtige Meeting nicht verpasse. Shit, ich hätte mir denken können, dass der Verkehr heute nicht voran gehen wird. Es wird knapper und als ich ankomme, parke ich das Auto in Blitzgeschwindigkeit, schwöre mir selbst das nächste Mal mit der U-Bahn zu fahren und renne auf das,- sich in die Höhe ziehendes- Gebäude zu, wo ich gleich einen der einflussreichsten Männer New Yorks kennenlernen werde. Milan Georgios, ein arroganter Mann, den ich persönlich nicht leiden kann und stand jetzt auch nicht weiß, wie ich ihm begegnen soll, da ich schon des öfteren mitbekommen habe, wie frech er seine Kunden zurückgewiesen und behandelt hat. Ich bereite mich schon drauf vor, ihm ebenbürtig zu begegnen, da ich meine Würde und Stolz nicht für so einen Mann in den Boden rammen würde und atme im Aufzug nochmals tief durch. Es sind noch fünf Minuten,  bis das Meeting beginnt, also bin ich ja wenigstens mal nicht zu Spät. Ich betrachte mich in dem vollverspiegelten Aufzug und stelle fest, dass meine Haare und mein Outfit noch sitzen. Die fünfzehn Stockwerke vergehen wie in Zeitlupe und nachdem die Türen aufgehen, nehme ich meine professionelle Haltung sowie Gesichtsausdruck ein, wodurch kein Mensch auf die Idee kommen würde, dass ich grade im wahnsinnigen Stress und tatsächlich nervös bin. Dass ich Herrn Georgios nicht besonders leiden kann soll mal dahin gestellt sein, wenn ich mir das Angebot und die Ziffer anschaue, die er uns dazu bietet, bekomme ich förmlich Gänsehaut, da ich in meinem Arbeitsleben zuvor noch nie so etwas erlebt habe. Nicht er, sondern ich mache mich selbst unruhig. Okay Yuma, es ist nur ein junger gut aussehender Mann, der sich gleich mitsamt seiner Assistenten deine Präsentation über unser Unternehmen anhören wird, nichts großes also... Ich atme nochmal tief durch, denke an den Gewinn, den wir erzielen können und gehe mit erhobenem Haupt in den Meeting Raum, wo schon einige sitzen, aber nicht die Person, die ich erwartet hätte dort sitzen zu sehen. Das einzige was ich sehe, sind betrübte Kollegen die ich seit einiger Zeit einarbeite, schon fast meine Assistenten, die schon ganz blass sind und den Kopf hoffnungsvoll heben, als sie mich hören, als sei ich die Person, die sie genauso wie ich auch erwartet hätten, aber lassen diesen schnell wieder sinken. Dieser Anblick kommt so überraschend, dass ich erstmal stehenbleibe und warte bis einer der neuen mir doch in die Augen schaut, was jedoch nicht zu passieren scheint. Ich bin mir sicher, dass irgendwas schlechtes vorgefallen ist und dennoch setze ich mich einfach auf den Stuhl und warte geduldig, bis einer der Jungs mir erklärt, was los ist. Ich möchte die Jungs nicht stressen, Stefan ist seit einem halben Jahr da und Dominik erst seit zwei Monaten, sie sind dementsprechend genauso nervös, wie ich es zu ihrer Zeit war, weswegen ich sie nicht unter Druck setzen möchte, sondern im Gegenteil, ihnen den Stress und die Nervosität abnehmen möchte. "Hey Jungs, wenn ihr mir erzählen wollt, warum Herr Georgios noch nicht da ist, könnt ihr mir das gerne sagen, wenn nicht dann gebe ich euch fünf Minuten, sonst zwinge ich jeden einzelnen von euch mir alles zu erzählen." ich lächele, natürlich setze ich sie nicht unter Druck, es ist einfach nur so, dass ich es auch nicht mag, Dinge in die Länge zu ziehen, weswegen ich ihnen einen kleinen Stupser gegeben habe. Stefan schaut langsam hoch und auch bei ihm erkenne ich die schweren Augenringe unter den Augen, er muss auch vor Nervosität nicht geschlafen haben können, der Ärmste. "Frau Tokai, war haben versucht ihn zu überreden, aber es hat nicht funktioniert, wir..., er...,-" ich merke, dass ihn das ganze mitnimmt, ich verstehe ihn in der Hinsicht sehr. "Stefan, beruhige dich erstmal." ich lege ihm eine Hand auf die Schulter und schaue ihm tief in die Augen, mein ruhiger Atem scheint ihn auch zu beruhigen, denn langsam nimmt sein Gesicht wieder an Farbe an. "Erzähl mir doch erstmal, warum Herr Georgios noch nicht da ist." ich schaue ihn an und warte auf eine Antwort, worüber er gerade zu überlegen scheint. Dominik hält sich noch mehr zurück, wozu ich vollstes Verständnis habe. "Okay, also wir haben erstmal alles nochmals kontrolliert, so wie du gesagt hast. Alles verlief eigentlich sehr wie gut immer. Gerade wo ich die Broschüren platzieren wollte, wurde mir ein Anruf vom Empfang weitergeleitet. Die Dame am Hörer meinte erst, dass sie mit dir reden möchte, woraufhin ich antwortete, dass du noch nicht da bist. Daraufhin meinte sie schlicht, dass der Termin ausfallen würde, da Herr Georgios ins Ausland geflogen sei." Ich merke, wie mir wärmer wird und meine Backen an Hitze gewinnen. Dieser Termin wurde vor mehr als einem halben Jahr vereinbart, da Mister ich kann machen was ich will's Assistentin behauptete, ihr Terminkalender seie bis Mitte Juni ausgebucht. Das lange Vorbereiten und die Nächte die wir für diese Präsentation und Vorstellung durchgemacht haben, kann ich kaum an meinen Fingern abzählen. Es macht mich so wütend, dass ausgerechnet uns so etwas widerfährt, ich meine niemand verdient das, das stimmt, jedoch weiß ich wie sehr gut, sich mein Team ins Zeug gelegt hat und nichts mehr gewollt hätte, als dieses großes Projekt für uns zu gewinnen, allerdings wurde uns nicht mal die Chance dazu gegeben. Mich macht das so wütend, dass ich augenblicklich aufstehe und Anstalten mache den Raum zu verlassen. "Frau Tokai, bitte hören sie mir zu, wir.." ich drehe mich auf halbem Wege um und unterbreche Dominik "Nik, du brauchst dich nicht rechtzufertigen, ich habe gehört was ich hören musste und werde jetzt etwas dagegen unternehmen. Euch trifft keine Schuld, keinen von uns, wir haben uns bestens vorbereitet und haben keinen Grund uns schuldig zu fühlen, wenn einer Schuldgefühle haben sollte, dann der Mistkerl, der heute nicht gekommen ist." somit drehe ich mich wieder um und laufe weiter in die Richtung meines Büros. Ich tat sowas noch nie zuvor, ich denke auch nicht, dass ich das mit bestem Gewissen mache und ich denke auch nicht, dass meine Adern je zuvor so sehr pulsiert haben wie jetzt aber niemand geht derart mit mir oder meinem Team um, allein diese Situation beweist mir die Arroganz, die von ihm ausgeht. Ich wusste, dass mich mein Gefühl nicht trügt. Ich setze mich an meinen Laptop und schreibe auf die Empfänger Zeile die E-Mail der Assistentin auf , da ich genau weiß, dass meine Mail bei Herr Georgios im Spam Ordner landen wird. Dass die Assistentin diese bekommen wird, dafür bin ich mir sicher, da wir einige Male hin und her gemailt haben, also schreibe ich los...

Milan

"Lesen sie mir die Mail nochmals vor Jassi." ich denke, noch nie zuvor hörte ich so eine amüsante Nachricht, geschweige denn den Wortausdruck, der an mich gewendet ist. "Also, Miss Tokai schrieb folgendes, >Guten Tag, Frau Anderson, ich schreibe ihnen, da ich davon ausgehe, dass ihr Vorgesetzter aka Herr Georgios meine Mail in den Spam Ordner weiterleiten wird. Herzlich würde ich es begrüßen, dass sie ihm meine Mail weiterleiten und dafür sorgen, dass er diese auch erhält. Nun zurück zum Eigentlichen, Herr Georgios, sehr versuche ich meine Achtung ihnen gegenüber zu bewahren, jedoch sorgen sie dafür, dass mir, wenn ich an sie denke nur Schimpfwörter einfallen. Ich weiß nicht was es für sie bedeutet ein Angebot zu bekommen, von dem unzählige Unternehmen nur Träumen können, doch für mich und mein Team ist es die Chance gewesen uns zu beweisen und zu zeigen, wer wir wirklich sind. Meine Teamkollegen haben Tag und Nacht durchgemacht und an dieser Präsentation gesessen, wir haben alles gegeben, waren geduldig, motiviert und bereit aber dennoch hat es ihnen nicht gereicht? Ich kann ihnen sagen was sie sind, jedoch kann ich mir vorstellen, dass ihre Arroganz diese Fakten wie ein Schild von sich abprallen wird. Meine Rede zieht sich länger als gedacht, weswegen ich ihnen kurzgesagt mitteilen möchte, dass wir an ihrem Angebot nicht mehr interessiert sind und sie sich künftig auch für keinerlei Kooperationen, Vermarktungen oder dessen ähnliches bei uns melden brauchen.< Ich schaue Jassi zu, wie sie ihren Laptop langsam zuklappt und ihr Gesicht deutlich an färbe verloren hat. Ich kann diese Reaktion völlig nachvollziehen, denn noch nie zuvor wagte sich jemand derart abfällig mit mir zu sprechen aber die Tatsache, dass eine Frau, die ich weder zuvor getroffen oder geschweige denn ihre Stimme gehört habe so mit mit spricht, weckt mein Interesse enorm. Ich sollte es empörend finden, wie sie mir schrieb und mich endlos drüber aufregen, jedoch finde ich den Gedanken sehr belustigend, dass mir eine Frau das erste Mal seit langem die Stirn bietet und mir nicht gehorcht und sich mit allem zufrieden gibt, was ich mache. Yuma Tokai also, allein der Name klingt einzigartig. "Herr Georgios, wenn sie möchten schreibe ich ihr sofort zurück und mache ihr klar, dass sie nicht so mit-" ich stehe mit einem Ruck von meinem Stuhl auf und gehe auf mein Panorama Fenster zu, "Das wird nicht nötig sein Jassi, nun haben sie eine neue Aufgabe und zwar alles über Yuma Tokai rauszufinden, jedes kleinste Detail, ihr Lebenslauf, ihre Umgebung, ihr Wohnort, einfach alles. Dazu möchte ich noch, dass sie Frau Tokai und ihr Team auf die Feier nächste Woche Donnerstag einladen. Sorgen sie dafür, dass sie Unterkunft sowie eine Fahrmöglichkeit zur Verfügung bekommen." Jassi schaut mich an, als käme ich vom Mond , tatsächlich bin ich ebenso überrascht von mir selbst aber es ist doch langweilig immer die selbe Sorte Frau ertragen zu müssen, etwas spaß schadet nie... Frau Anderson nickt nur knapp und verlässt anschließend mein Büro. Noch einige Stunden danach muss ich ab und zu an die Nachricht zurück denken, ich habe schon einige Meetings und Stapel Blätter hinter mir. Der Grund warum ich heute nicht zu diesem Meeting gehen konnte ist ganz einfach der, dass es meiner Schwester wieder schlechter ging und ich es nicht mit meinem Gewissen ausmachen konnte sie alleine zu lassen und mehrere hunderte Kilometer wegzufahren. Meine Schwester leidet drei Jahren an einer schweren Krankheit, es geht ihr zwar langsam besser und die Therapie, die sie seither durchführt hilft ihr enorm, jedoch bekommt sie vereinzelte Rückschläge und in solchen Momenten vergesse ich alles um mich rum, dann gibt es nur meine einzige Priorität, meine einzige Familie. Damals kümmerte sich Charlie um mich, sie war für mich wie eine Mutter und ist es immer noch, seit Oktober 2019 jedoch wurde bei ihr jedoch Brustkrebs diagnostiziert, glücklicherweise war der Tumor noch nicht verstreut, sie war im ersten Stadium. Sie musste sofortig eine Chemotherapie durchführen und anschließend operiert werden, der Tumor wurde entfernt und ihr ging es danach auch besser, sie führte weiter Therapie durch und in den ersten Monaten lief es ganz okay bis es dann im April 2020 mit den Nachfolgen anfing. Sie konnte ab und an einige Tage nicht richtig laufen geschweige denn essen. Wir mussten viel zusammen durchmachen und da es nicht ungewöhnlich ist, dass sie innerhalb der ersten Jahre unter Rezidiv leidet, waren wir teilweise auf die Rückschläge vorbereitet. Ich mache mir dennoch unglaublich starke sorgen, auch wenn ich hier auf der Arbeit bin und mein Verhalten äußerst normal zu sein scheint. Da ich weiß, dass die meisten Leute nur auf mein Geld hinaus sind, strebe ich auch keine intensivere Beziehung zu ihnen an. Ich halte es besser unsere Beziehungen auf Arbeitsbasis zu halten. Ich denke einer der Gründe warum mir Frau Tokai so interessant erscheint ist es , dass sie nicht im vordersten Grunde auf das Geld achtet, sondern auf die Mühe und Zeit, die sie und ihr Team in dieses Projekt investiert haben. Ein Gefühl von Bedauern durchflutet mich und ich bekomme ein größeres Bedürfnis die Dame kennenzulernen...

Das Bündnis zwischen unsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt