Zeig sie mir ⛩️

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Als Tochter, eines hochangesehenen Shinto pristers, wuchs ich wohlbehütet in einer Tempelanlage auf. Ich war stets darauf bedacht, meiner Familie keine Schande zu bereiten und wahrte daher seit frühester Kindheit den Schein, einer wohlerzogenen Miko. Doch nun, mit 16 Jahren, ging ich mit großen Schritten, in Richtung des Erwachsenwerdens und fragte mich seither ernsthaft, ob dieses schnöde, schon fast langweilige Leben, wirklich alles in meiner Jugend gewesen sein sollte. Beinahe schon neiderfüllt, beobachtete ich meine Klassenkameradinnen, die damit begannen, sich in aufreizende Kleider zu hüllen, um den Jungs zu imponieren. Sich mit viel zu grellen Farben schminkten, sich über die Fehler, die sie begingen ärgerten, nur um sich prompt in die nächste Dummheit zu stürzen. Am Rande des Abgrundes lebten, umgeben vom ständigen Schleier der Gefahr, um sich darauf vorzubereiten, wie es im späteren Leben nicht laufen sollte. All dies wollte ich auch, ich wollte wissen, wie es sich anfühlte, sich der Gefahr vollkommen hinzugeben, ohne daran denken zu müssen, dass es dem Ruf meiner Familie schaden könnte. „So ein hübsches und gutes Mädchen..." ich konnte es nicht mehr hören, ich war es leid.
„Hach ich sag dir, diese Jugendlichen Gangs sprießen in den letzten Jahren aus dem Boden wie die Pilze. Seit meine Rie diesen Freund hat, komme ich gar nicht mehr an sie heran. Sie ist störrisch und aufmüpfig, macht was sie will, läuft draußen herum wie eine Nutte, ganz egal was ich oder mein Mann auch sagen. Neulich kam sie sogar mit gefärbten Haaren nach Hause. Glaub mir, deine Kasumi ist ein Engel, du hast wirklich Glück." Beim Fegen der Anlage, hörte ich mit halbem Ohr dem Gespräch meiner Mutter und einer Frau aus der Nachbarschaft zu. Nichts neues, es war sowieso immer dasselbe. Unbemerkt seufzte ich, denn ich wusste ohne Worte, was meine Mutter von mir verlangte. „Rie geht in meine Klasse. Wenn sie möchten, versuche ich mal mit ihr zu reden." Warf ich lächelnd ein. Die Dame hatte vor Rührung Tränen in den Augen, „das würdest du tun? Damit machst du mir eine große Freude." Zufrieden ging die Frau wieder ihrer Wege. Das Mädchen, um das es ging, war seit einiger Zeit wirklich schlimm abgestürzt. Wenn ich sie blöd anquatschte, würde sie mich vermutlich windelweich prügeln. Aber solange der bloße Gedanke, ich würde es tun, ihre Mutter schon zufrieden stellte, war es doch ok. Ohne auf meine aufopfernde tat einzugehen, drückte meine Mutter mir einen Zettel in die Hand. Natürlich wurde es mir nicht gedankt, denn man hielt es für eine Selbstverständlichkeit. „Kasumi, sei so lieb und geh noch schnell ein paar Sachen einkaufen, bevor es dunkel wird."

Da es bereits Recht spät war, ließ ich meine traditionelle Miko Kleidung an und eilte los, damit ich vor Einbruch der Dunkelheit, zurück sein würde. Wie eine heilige, wurde ich an jeder Ecke von der Nachbarschaft, überschwenglich freundlich begrüßt. Kurz bevor ich das Geschäft erreichte, drang aus einer Gasse, ein ziemlicher aufruhr, gefolgt von dem schmerzerfüllten stöhnen eines Mannes an mein Ohr. Langsam ging ich daran vorbei, warf einen neugierigen Blick hinein und sah ein paar Jungs, in weißen Jacken, die auf einen bereits am Boden liegenden, schmächtigen Typen in Schuluniform einprügelten. Vermutlich war er auf dem Heimweg von der Nachhilfe Schule gewesen und kam einfach zur falschen Zeit an den falschen Ort. Die weiß Jacken, trugen Ohrringe, waren tatooviert und hatten gefärbtes Haar, es war nicht zu übersehen, was das für welche waren und eigentlich schrie alles in meinem inneren »lauf weg«. Doch ich konnte dem Drang nicht wiederstehen, näher heran zu gehen, denn diese Jungs strahlten für mich eine Faszination aus, als kämen sie aus einer mir fremden Welt. „Hey! Bisschen unfair, so viele auf einen!" Rief ich und hätte mich direkt Ohrfeigen können, denn sofort galt alle Aufmerksamkeit plötzlich mir. Ihre Augen leuchteten förmlich unheilvoll, in dem dämmerigen Licht, des Sonnenuntergangs, während sie sich auf mich zu bewegten. „Geil, ein Tempelmädchen" Sabberte ein kleiner Dicklicher, mit Mundschutz und befingerte dabei meine Kleidung. Angewiedert zog ich ihm den Stück Stoff aus der Hand. Ein großer Junge, der auf mich am bedrohlichsten wirkte, machte einen Schritt auf mich zu, bis er ganz dicht vor mir stand. Er war so riesig, das er sich zu mir herunter beugen musste.
Genüsslich zog er an seiner Zigarette und blies mir anschließend den Qualm ins Gesicht, während er mich einfach nur einschüchternd anstarrte, wie eine Schlange die ihre Beute ins Visier nahm. Ich wiederstand dem Drang, einen Schritt zurück zu setzen und hielt seinem Blick eisern stand, nur den Qualm, wedelte ich hustend von mir weg. Das Adrenalin ließ das Blut so schnell durch meinen Körper rasen, das ich es in meinem Kopf pochen hörte. Der versuch ruhig zu atmen, gelang mir nur bedingt, denn seine goldenen Augen, die mich zu verschlingen schienen, machten mir Angst und zogen mich gleichermaßen in ihren Bann. Erneut zog er an der Zigarette und ich machte mich bereit für einen weiteren Hustenanfall, statdessen blies er ihn diesmal an mir vorbei und grinte dann amüsiert, „na du bist ja ne ganz mutige."
Das heulen der Sirenen, hallte in der Ferne durch die Straßen, „Scheiße, der kleine Wichser, der uns vorhin entwischt ist, hat die Bullen gerufen!" Völlig unbeeindruckt davon, schnippte der lange, der noch immer so dich vor mir stand, das ich seine Wimpern hatte zählen können, die Zigarette bei Seite und richtete sich dann seufzend auf. „Los Hanma, weg hier." Forderte der dicke ihn zur Eile auf. Der Junge grinste mich noch einmal belutigt an und tippte mir mit seinem Zeigefinger unters Kinn, „bis dann, Prinzessin." Lachte er, bevor er mit den anderen, um die nächste Ecke verschwand.
Mein Körper war noch immer in völliger Aufruhr und vermochte sich einfach nicht zu beruhigen. Noch immer hing der stechende Geruch, seiner Zigarette in der Luft
„Hanma..." wisperte ich, in die mitlerweile von der Dunkelheit verschluckte Gasse und berührte mein Kinn. Das Zittern ließ langsam nach, nur das klopfen meines Herzens, wollte einfach nicht aufhören.

Daheim bekam ich von meiner Mutter mächtig Ärger, weil ich solang gebraucht hatte. Die Begegnung mit den Gangmitgliedern in der Gasse, behielt ich für mich und ließ die Schelte einfach über mich ergehen. An diesem Abend ging ich früh zu Bett, doch ich bekam einfach keine Ruhe. Wie ein Omen, verfolgten mich, bei jedem Versuch in den Schlaf zu finden, seine goldenen Augen. Starrten mich unheilvoll an und trotzdem schienen sie mich völlig um den Verstand zu bringen. Ich musste ihn wieder sehen...
Am folgenden Tag, ging ich nach der Schule, ganz bewusst die Orte ab, an denen oft Rowdys zu finden waren und hielt Ausschau, nach dem Jungen, der es mir so angetan hatte. Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, als ich ganz zufällig ein paar der weißen Jacken erblickte. Ohne darüber nachzudenken, stürzte ich los und rief seinen Namen, den ich gestern aufgeschnappt hatte. Das Glück war mir hold, denn er drehte sich tatsächlich zu mir um. Japsend kam ich vor ihm zum stehen, brauchte einen Moment um wieder zu Atem zu kommen. „Geh mit mir!" Fiel ich lauthals, mit der Tür ins Haus und sah ihn dabei entschlossener an, als ich mich innerlich fühlte. Von meiner Forderung völlig überrannt, fiel ihm vor Schreck beinahe die Zigarette aus dem Mundwinkel, „Spinnst du?" Das Gelächter seiner Kameraden, ließ meine Hoffnung langsam schwinden, doch so schnell gab ich nicht auf, packte seine Jacke und zerrte wild daran herum, „ich bitte dich! Zeig sie mir ...die Welt die ich nicht kenne." Flehte ich ihn verzweifelt an. „Du hast sie ja nicht alle. Zieh Leine Prinzessin." Wieder war es der rundliche, vom Vortag, der sich einmischte, „Hey Engelchen, ich zeig dir was immer du willst!" Feixte er und bekam von den anderen, anerkennendes gegröle, für seinen blöden Spruch. Genervt rollte ich mit den Augen und ignorierte das einfach, „versprich mir, das du zumindest darüber nachdenkst. Kasumi Nakashima ist mein Name."

The taste of danger // Hanma x Reader 🍋Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt